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Spiele-Test "Power Plants": Legespiel-Tausendsassa für Zaubergärtner
Autor: Stefan Lutter
Deutschland, Sonntag, 01. Oktober 2023
In „Power Plants“ legen Zauberer Beete in einem magischen Garten an, in dem Pflanzen mit vielen unterschiedlichen Eigenschaften wachsen. Das liest sich wie ein gefälliges Legespiel für die ganze Familie - ist es aber nicht. Wie unser Test zeigt, stecken in der Schachtel beinahe unendliche Möglichkeiten für ambitionierte Zaubergärtner.
Power Plants – Der magische Garten: Rezension des Legespiels mit magischen Pflanzen
So spielt sich der Zaubergartenbau mit massiven Variationsmöglichkeiten
Infos, Bewertung und Fazit
Dank des Heuchelheimer Verlag „Skellig Games“, der sich der Lokalisierung ausländischer Spiele verschrieben hat, gelangte schon so manche Brettspiel-Perle auf den deutschen Markt. "Die Insel der Katzen"*, das 2022 als Kennerspiel des Jahres nominierte "Cryptid*" und die Neuheit "Erde"* sind Beispiele für Titel, die gerade in Kennerkreisen eine hohe Wertschätzung genießen. Andere Skellig-Spiele wiederum fliegen zu Unrecht etwas unter dem Radar – wie eben „Power Pants“, ein Zaubergarten-Legespiel, das vielleicht einfach zu großartig ist, wie unser Erfahrungsbericht erklärt.
Wie spielt sich „Power Plants“?
Legespiel-Freunden mit Fantasy-Affinität gehen beim ersten Öffnen der Schachtel die Augen über. Unter dem tollen Cover mit der riesigen fleischfressenden Pflanze verbergen sich neben Markern und Plättchen, Stoffbeutel, Pflanzen- und Erklärtafeln auch die Hingucker von „Power Plants“: die wellenförmig-sechseckigen Beetplättchen, auf denen liebreizende (Sternblume), witzige (Flugbohne) vor allem aber gefährliche Zauberpflanzen (Tiefwurz, Furchtschatten, Schnapper, Glutholz, Honigblatt und Wirrdorn) abgebildet sind.
Video:
Gespielt wird mit fünf dieser acht Pflanzen (die Anleitung hilft ganz grundsätzlich bei der Auswahl). Der Startaufbau besteht aus fünf beliebig gelegten Plättchen der gewählten Pflanzen, den fünf zugehörigen Pflanzenkarten (auf denen deren Eigenschaften erklärt sind), einer zufällig aus dem Beutel gezogenen Auslage aus drei Plättchen und dem Edelstein-Vorrat. Jeder Spielende erhält noch ein 20 Feenmarker in seiner Farbe und zwei Beetplättchen aus dem Sack; die andere Teile und Karten kommen aus dem Spiel.
Die Legeregeln sind simpel: Wer an der Reihe ist, legt eines seiner beiden Beetplättchen an den Rand des Gartens. Prinzipiell darf man anlegen, wo man will. Es bietet sich natürlich an, auf das wichtigste Spielziel zu achten (die meisten Punkte gibt es für das größte Feld aus zusammen liegenden Plättchen einer Pflanzenart). Nicht erlaubt ist es, eine „Engstelle“ mit einem Plättchen zu passieren, es also in die Mitte eines fast oder komplett geschlossenen Plättchen-Kreises (aus fünf oder sechs Plättchen) zu legen.
Die Wahl zwischen Wachsen und Sprießen
Je nach Pflanzenart darf nach dem Anlegen ein eigener Feenmarker gesetzt werden. Diese sind wichtig, weil sie Beetplättchen als „eigene“ kennzeichnen. Es dürfen nie Feen verschiedener Farben auf einem Beet stehen.
Und dann darf der aktive Spielende, der für die Dauer seines Zuges mit einer Zauberer-Figur ausgestattet ist, noch eine von zwei Pflanzenfähigkeiten nutzen. Jedes Gewächs hat (wie auf den Karten erläutert) die Fähigkeiten „sprießen“ und „wachsen“: Das Sprießen („Sprosskraft“) bezieht sich immer auf das soeben angelegte Beetplättchen, das Wachsen („Wachstumskraft“) stets auf alle angrenzenden Plättchen (und eben nicht auf das soeben platzierte).
Zwar ähneln sich die Sprieß-/Wachs-Auswirkungen einer Pflanze, die Effekte der einzelnen Pflanzenarten unterscheiden sich jedoch erheblich. Sie reichen vom Platzieren von Feen über den Erhalt von Edelsteinen bis hin zum Entfernen gegnerischer Feen und Versetzen von Beetplättchen. Am Ende jedes Zuges wird wieder ein Beet aus dem Beutel gezogen, hat man nun zwei gleiche Beete, darf mit einer Pflanze aus der Dreier-Auslage getauscht werden. Das Spiel endet, wenn der Beutel leer ist. Die Siegpunkte ergeben sich aus dem Zusammenzählen von Edelsteinen, gewissen Pflanzeneffekten und Punkte aus einer Tabelle, die zusammenhängende Pflanzengruppen belohnt.
Wenn der Übungsmodus reicht
Zum Einstieg empfehlen wir dringend, den auf der Rückseite der Anleitung angegebenen Übungsmodus zu beherzigen. Hier spielt man den fünf „einfachsten“ Pflanzen, zudem sind die Wachstumskräfte ausgeklammert, indem sie mit Pflanzenkarten zugedeckt werden. Pro Gewächs gibt es hier also nur einen Effekt. Erst wenn man die Abläufe verstanden hat, sollte man auch das Wachsen zulassen, und sich an das Spiel mit zwei Fähigkeiten pro Pflanze wagen. In unsere Testrunden gab es gleich mehrere Personen, denen „Power Plants“ an dieser Stelle bereits gereicht hat – im positiven Sinne. „Ein schönes Legespiel“, hieß es öfter mal. „Aber was ist da eigentlich noch in der Schachtel?“
Und damit sind wir beim wirklich außergewöhnlichen Element von „Power Plants“. Autor Adam E. Dalton waren 5 mal 2 Pflanzeneffekte vermutlich zu wenig, er wollte sein Spiel gleich eine Erweiterung mitgeben. Und wenn er schon beim Ausdenken ist, warum nicht gleich ein paar? Am Ende hat das magische Gartenlegen gleich einen ganzen Sack voll Quasi-Erweiterungen mitbekommen – wenn man die zusätzlichen Pflanzen (und alternative Arten) so sehen will.
Wie erwähnt: Einigen aus unserer Runde wären schon mit dem Übungsmodus vollauf zufrieden gewesen. „Power Plants“ erhält aber neben den fünf „einfachen“ Pflanzen auch noch drei weitere. Dazu kommt, dass jede Pflanzenkarte auch noch in einer Art Böser-Zwillings-Version vorliegt (im Spiel „Alternative Pflanzen“ genannt). Hier habe die Pflanzen ähnliche Namen, aber durchaus fortgeschrittene Fähigkeiten. Um es nicht weiter in die Länge zu ziehen: Unter dem Strich spielt man „Power Plants“ zwar immer nur mit fünf Pflanzen, zur Auswahl stehen aber insgesamt 16 Arten (und jede davon hat zwei Fähigkeiten). Ich habe jetzt keine Lust nachzurechnen, aber daraus ergeben sich schon sehr viele Möglichkeiten, um die Partien abwechslungsreich zu gestalten.
Nicht für Achtjährige und hoher Ärgerfaktor
Wer mit „Power Plants“ beginnt, indem die Runde nach Lust und Laune fünf Pflanzen aussucht und die nächste Runde vielleicht gleich mit fünf neuen spielt, ist verloren. Es ist unmöglich, sich alle Pflanzeneffekte anzueignen. Wir raten zu einem äußerst behutsamen Vorgehen beim „Pflanzenwechsel“, sonst besteht die Hälfte der Spielzeit aus dem Nachlesen der Effekte.
Ganz egal, wie man spielt, bleiben zwei Punkte, die uns an dem Legespiel nicht gefallen haben: Da alle im gleichen Garten anpflanzen, bedeutet fast jedes neu angelegte Plättchen einen Nachteil für den/die Gegner*in. Der Ärgerfaktor ist also schon beachtlich, ohne eine gewisse Toleranz kann hier schnell schlechte Stimmung am Tisch aufkommen. Die Schlusswertung der Feldgrößen mag zwar einer gewissen inneren Logik folgen, ist aber trotzdem unnötig kompliziert geworden (und wird per Tabelle ermittelt). Das ist auch deshalb schade, weil man während des Spielens nur auf umständliche Weise sehen kann, ob man gerade vorne liegt oder im Hintertreffen ist.
Apropos Hintertreffen: Achtjährige – wie auf der Box angegeben – können allerhöchstens und mit mehr als einem zugedrückten Auge im „Power Plants“-Übungsmodus mithalten. Durch die vielen verschiedenen Optionen sehen wir die Altersempfehlung eher bei „ab zwölf Jahren“.
Fazit: Monsterpflanzen mit Monster-Variationsmöglichkeiten
„Power Plants“ gehört definitiv zu den interessantesten und ungewöhnlichsten Spielen, die bei uns in der vergangenen Monaten auf den Tisch kamen. Thema und Gestaltung sind fantasyhaft, geheimnisvoll-morbide und trotzdem bunt, das Material ist höchste Güteklasse, die Anleitung gut übersetzt, eine große Hilfe beim Spielen sind die Übersichtskarten, die alle wichtigen Regeln und Pflanzeneigenschaften zusammenfassen.
Wer Carcassonne, Cascadia und Co mag, findet womöglich schon mit dem Übungsmodus eine interessante Alternative. Schließlich ist das, was man tut, nicht wirklich schwierig (wenn man die aktuellen Pflanzeneffekte gelernt hat). Doch richtig großartig ist die Monsterpflanzen-Zucht wegen ihrer vielen Kombinationsmöglichkeiten, die diesen Legespiel-Geheimtipp immer wieder anders werden lassen.
Zwar waren einige in unseren Testrunden zwar der Meinung, dass das Spiel fast schon zu großartig ist (im Sinne von: zu sehr mit Varianten überladen, was zulasten der Übersichtlichkeit geht). Dafür bekommt man aber mit „Power Plants“ ein Spiel, das man mit Neulingen, Ab-und-Zu-Spieler*innen oder für entspannte Runden sehr gut immer wieder im Übungsmodus spielen kann. Sitzt dagegen öfters die gleiche Besetzung am Tisch, kann man sich nach und nach alle Pflanzenfähigkeiten erarbeiten und schließlich das volle Pflanzen-Power-Potenzial entdecken.
Übrigens: „Power Plants“ hat einen Solo-Modus an Bord, der sehr gut funktioniert. Hier spielt man gegen einen Automa namens „Maulwurf“ (mit eigenen „Maulwurfkräften“) und wählt zwischen vier Schwierigkeitsstufen.
Infos zu "Power Plants – Der magische Garten" im Überblick:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Altersempfehlung: ab 12 (Verlagsangabe: ab 8)
Dauer: 30 Minuten
Verlag: Skellig Games
Autor: Adam E. Daulton
Pro:
Enormer Abwechslungsreichtum durch viele Kombinationsmöglichkeiten
Übungsmodus alleine bereits ein vollwertiges Spiel
Schönes Fantasy-Thema
Tolle Gestaltung
Auch solo spielbar
Contra:
Nervige Schlusswertung
Hoher Ärgerfaktor
Irreführende Altersangabe
Leichter Einstieg nur im Übungsmodus
Unmöglich, alle Pflanzenfunktionen zu erfassen
Redaktionswertung: 8 von 10 Punkten
Fazit: Wow! Die mächtige fleischfressende Pflanze auf dem Cover von „Power Plants“ verspricht nicht zu viel: Das kompetitive Anlegen eines magischen Gartens überzeugt durch tolle Gestaltung und (im Kern) einfachen Regeln, fasziniert aber vor allem durch furchtbar viele Kombinationsmöglichkeiten, die jedes Spiel anders machen können. Wer das nicht mag, bleibt beim Übungsmodus, der bereits fast auf Augenhöhe mit Carcassonne und Co ist. .
Transparenzhinweis: Für das Testen des Spiels hat uns der Verlag ein Rezensionsexemplar ohne weitere Auflagen zur Verfügung gestellt.
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