Mit dem Urteil beendete der BGH eine uneinheitliche Rechtsprechung - die Oberlandesgerichte (OLG) waren bei der Fabrikneuheit von Fristen zwischen acht und 30 Monaten ausgegangen. Nach den Worten des VIII. Zivilsenats ist die Lagerdauer ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Wertschätzung eines Autos.
"Das Kraftfahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt." Der Zustand des Wagens verschlechtere sich mit fortschreitender Zeit durch Materialermüdung und Oxidation. "Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern", heißt es im Urteil.
Ausstellungsfahrzeuge sind für Gerichte nicht neuwertig
Gebrauchsspuren wie Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen beim Auto reichen, um es nicht mehr als Neuwagen zu bezeichnen. Ein Ausstellungsfahrzeug ist demnach kein Neuwagen, da es Show-Zwecken diente und von Interessenten angefasst und "probegesessen" wurde.
Das Amtsgericht (AG) München (Urteil: AG München vom 17.12.2021, Az.: 271 C 8389/21) verurteilte deshalb einen großen schwäbischen Automobilhersteller, den für einen Sportwagen bereits gezahlten Kaufpreis von 1.000 Euro an die Klägerin zurückzuerstatten. Zugelassen oder gefahren worden war das Fahrzeug nicht.
Die Käuferin hatte Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen etwa an den Einstiegsleisten festgestellt. Die Klägerin meinte, sie habe anstatt eines fabrikneuen ein gebrauchtes Fahrzeug erhalten. Der ihr übergebene Wagen sei bereits benutzt und darüber hinaus auch beschädigt. Man habe ihr beim Kauf gesagt, dass sie ein Lagerfahrzeug kaufe, das noch aus einer anderen Niederlassung zu überführen sei. Davon, dass dieses dort auch ausgestellt worden sei, habe sie jedoch nichts gewusst. Sie forderte daher eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro, bekommen hat sie wie gesagt 1.000 Euro.
Vorführwagen ist ein Gebrauchter
Vorführwagen sind nicht als Neuwagen zu verkaufen, da sie bereits auf den Händler zugelassen und in der Regel für Probefahrten von Kund*innen genutzt wurden. War ein fabrikneues Fahrzeug bereits auf den Händler zugelassen und der Tacho zeigt mehr als zehn Kilometer an, gilt es als Vorführwagen. Kauft ein Kunde einen Vorführwagen, kann er nicht davon ausgehen, einen Neuwagen zu kaufen – auch wenn die Erstzulassung erst kurze Zeit zuvor erfolgte und die Laufleistung gering ist. Dieses Urteil sprach das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Urteil OLG vom 25.5.2021 Az. 3 U 3615/20).
Im Gespräch mit dem Händler erfuhr der Kunde, dass es sich bei dem Angebot nicht um einen Neuwagen handelte, sondern um einen Vorführwagen. Der Händler korrigierte entsprechend das Angebot. Als der Interessent das Fahrzeug dann verbindlich bestellte, trug der Kaufvertrag den Titel "Gebrauchtwagen-Bestellung" eines Vorführwagens.
Später erfuhr der Käufer, dass das Fahrzeug deutlich älter war. Er fühlte sich getäuscht, da er der Ansicht war, dass bei einem Alter von rund 1,5 Jahren der Wagen kein Vorführ- und Neuwagen mehr sei und ein Sachmangel vorliege. Deshalb wollte er vom Kaufvertrag zurücktreten. Das sah das Gericht anders. Denn im Verkaufsgespräch hatte der Händler den Käufer mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Angebot um einen Vorführwagen handelte.
Tageszulassung ist als Neuwagen zu werten
Bei einer Tageszulassung meldet ein Autohändler oder Hersteller einen zu verkaufenden Neuwagen für einen einzigen Tag bei der Zulassungsstelle an. Das Ganze findet lediglich auf dem Papier statt, das Fahrzeug wird nicht bewegt. Deshalb hat das Fahrzeug oft einen Kilometerstand von weniger als zehn.
Ein Fahrzeug mit Tageszulassung hat zwar genau genommen einen Vorbesitzer, gilt in der Regel aber als Neufahrzeug – vorausgesetzt es hat keine Mängel und zwischen Zulassung und Verkauf liegen höchstens 12 Monate (Urteil: BGH vom 12.1.2005, Az.: VIII ZR 109/04). In diesem Fall gelten Fahrzeuge mit Tageszulassung als Neuwagen.
Aber Achtung: Eine Tageszulassung kann – je nach Hersteller – Auswirkungen auf die Laufzeit der Neuwagengarantie haben. Wird das Fahrzeug erst Monate später verkauft, verkürzt sich die Garantiefrist um diesen Zeitraum. Am besten fragst du den Händler nach den Garantiebedingungen. Fahrzeuge mit Tageszulassungen müssen zudem nach der erneuten Zulassung anders als Neuwagen nicht nach drei Jahren, sondern bereits nach zwei Jahren zur Hauptuntersuchung (HU).
Gewährleistung verkürzt Garantiezeit bei gebrauchten Fahrzeugen auf ein Jahr
Ob es sich um einen Neuwagen oder einen Gebrauchtwagen handelt, ist für die Laufzeit der freiwilligen Herstellergarantie wichtig. Zwei Jahre Neuwagengarantie sind bei deutschen Autoherstellern üblich. Dass da noch Spielraum ist, zeigt der Blick des ADAC auf ausländische Hersteller. Dort gibt es meist vier Jahre, bei asiatischen Unternehmen sogar oft bis zu sieben Jahre Herstellergarantie.
Neben der Herstellergarantie ist die gesetzliche Gewährleistungsfrist wichtig. Jeder Händler muss zwei Jahre Gewährleistung (auch Mängelhaftung genannt) auf Neuwaren und zwölf Monate auf Gebrauchtwaren einräumen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet (§§ 437, 438 Bürgerliches Gesetzbuch).
Wurde ein Fahrzeug als "fabrikneu" verkauft, aber im Nachhinein stellt sich heraus, dass es sich nicht um einen Neuwagen im eigentlichen Sinn handelt, kannst du als Käufer*in gesetzliche Gewährleistungsrechte geltend machen. Dazu zählen Minderung – also ein vergünstigter Preis aufgrund einer mangelhaften Vertragsleistung – ebenso wie Rücktritt vom Kaufvertrag oder Schadensersatz.
Fazit: Gerichte schaffen im Begriffsdickicht Klarheit
Neuwagen, Fabrikneu, Ausstellungsfahrzeug, Vorführwagen, Tageszulassung – mit diesen Begriffen jonglieren Autohändler, um den Verkauf von Fahrzeugen anzukurbeln. Du als Käufer*in solltest dich davon nicht verwirren lassen. Das setzt voraus, dass du weißt, was sich dahinter verbirgt. Die Gerichte haben sich nicht lumpen lassen und die Begriffe und deren Inhalt geklärt. Eine verdienstvolle Arbeit, hilft sie doch dabei, dass dir kein Autohändler mehr was vormachen kann.
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