Wir treffen den Allwissenden, erfahren, wie aus einem sterbenden Dorf wieder ein lebendiger Ort wurde und warum hier an keiner Laterne ein Wahlplakat hängt.
Wahlkampf kann so hässlich sein. Schlammschlachten auf der politischen Bühne gehören zur Demokratie, doch im November, wenn die Wahl passé und mancherorts bereits die Weihnachtsdeko hervorgekramt ist, werden zerschlissene Plakate an vielen Laternenmasten im Freistaat sinnlos vor sich hingammeln. Das Ortsbild Hopferstadts werden sie aber nicht verschandeln.
Fast 15 Jahre haben die Bürger hier im Rahmen der Dorferneuerung gerackert und es geschafft, das Anfang dieses Jahrhunderts langsam sterbende Dorf im Kreis Würzburg neu zu beleben. Die Jugend bleibt jetzt gern, nahezu alle der typisch fränkischen giebelständigen Bauernhäuser sind bewohnt, die Fassaden renoviert, die Vorgärten blütenprächtig. Knapp 700 Menschen leben in dem Ochsenfurter Ortsteil. Der Kindergarten ist heute nicht mehr von Schließung bedroht.
Als Fotografin Barbara Herbst und ich, die Reporterin, am Dorfplatz parken, sprüht Hans-Peter Hesselbach gerade Buchstaben an eine metallene Stellwand nahe der Pfarrkirche: CSU, SPD, Grüne, FW, Sonstige. Der Mann kommt vom Bauhof Ochsenfurt und erklärt: "Wir stellen Wahltafeln auf. Da können die Parteien ihre Plakate anbringen." Nirgendwo sonst.
Wahlkampf an zentraler Stelle
Wildplakatierungen habe man abgeschafft. "Beim Anbringen sind alle fleißig, aber nicht beim Abhängen! Nach ein paar Wochen sieht das fürchterlich aus." Weil er selbst nicht aus dem Ortsteil kommt, kann Hesselbach über die hiesigen Besonderheiten nicht viel sagen: "Aber es gibt hier den Allwissenden - den müsst ihr fragen."
Eigentlich müssten wir auf den Acker; der Pfeil traf die Landkarte etwas außerhalb des Ortes. Dort hätten wir die Erkundungstour beginnen müssen. Pfeif drauf! Ein Mann läuft an der Kirche vorbei, den halten wir an. Ob er den "Allwissenden" kennt, fragen wir Valentin Ruf. Der 64-Jährige ist ein gebürtiger Hopferstadter, Landwirt und wie alle, mit denen wir im Lauf des Tages noch sprechen werden, stolz auf die Dorferneuerung. Außer der Pfarrkirche St. Peter und Paul hat das Dorf noch eine kleine Kapelle am Ortsrand, erklärt er. Direkt gegenüber wohnt der Mann, der alles über Hopferstadt weiß: Jakob Karl.
Da stoppt ein Kleinwagen vor den Wahltafeln. Thorsten Reppert holt aus dem Kofferraum ein Plakat, Johannes Schmitt nähert sich mit Kleistereimer und Tapezierpinsel der Fläche, über die Bauhof-Mann Hesselbach wenige Minuten zuvor "SPD" gesprüht hat. Reppert streicht die Ecken des Plakates glatt: "Mit "Leistung und Leidenschaft im Landtag" wirbt hier nun Volkmar Halbleib um die Gunst der Hopferstadter. Die Jusos, 21 und 22 Jahre alt, waren am schnellsten. Politikstudent Reppert räumt ein, das Geeiere nach der letzten Bundestagswahl etwas anstrengend gefunden zu haben. "Aber vor Ort haben wir coole Leute, da plakatiere ich gern." Ein gelbes Postauto hält vor der Stellwand, der Fahrer betrachtet das Plakat.
Von dem, der alles weiß
Und wir machen uns endlich auf zum Acker. Per Satellitendaten finden wir den Punkt, an dem der Pfeil die Landkarte getroffen hat. Der Weizen ist geerntet, hinter den gelben Stoppeln liegen die Dächer Hopferstadts in der Spätsommersonne. Da spaziert Andreas Berger vorbei. "Ich versuche, jeden Tag zu laufen", erklärt er. Das gehöre zu seinem Heilungsprozess. "Ich bin von einer Leiter gefallen."