Die Elite der fränkischen Querdenker lässt ein Jahr Revue passieren, das um ein Haar das allerletzte gewesen wäre. Am Ende war es das sogar, selbst wenn die Welt sich weiter dreht .
Nein, die Welt kann gar nicht untergehen. Markus Barth schreibt an einem neuen Programm, Urban Priol hat sich noch längst nicht zu Ende aufgeregt. Beim Oti Schmelzer wird der Christbaum geschmückt... Es geht also weiter, irgendwie. Die Elite der fränkischen Kabarettisten ist beim Thema Weltuntergang ebenso einig wie innerlich zerrissen: Auf der einen Seite wäre es schade um diese Welt, auf der anderen hätte es sie verdient, von ihrem langen Leiden erlöst zu werden.
Und wenn sie sich einfach gesund lacht, diese Welt? Das ist das Rezept, das die Wortjongleure aus Franken dem Planeten verordnen, der seinen Kummer ja ganz offenkundig nicht im Alkohol ersäufen kann. Blau ist sie ja schon, die Erde, sie torkelt durchs All, während wir Menschen auf ihr herumtrampeln.
Hilfe für die Welt kommt aus Würzburg: kariertes Hemd, Hut, Täschli, notfalls der Griff zur Bowle.
Erwin Pelzig alias Frank-Markus Barwasser, hat sich als das kabarettistische Gewissen der Nation etabliert. Er muss nicht in die Klamaukkiste greifen, um Wirkung zu erzeugen. Der Querdenker mit den Wortverdrehungen auf hohem intellektuellem Niveau ist ein Kämpfer gegen die Verlogenheit. Folgt man Pelzig, dann geht die Welt nicht unter, sondern sie wendet sich verschämt ab.
Mit seinen Breitseiten gegen die Politik und die Banken und ihren Verstrickungen untereinander bewegt sich der Wahl-Münchner noch im kabarettistischen Mainstream. Dass er auch die hohe Kunst der Publikumsbeschimpfung beherrscht, hebt Pelzig in den Olymp. Er könne das Gefasel von der "Mitte" nicht mehr hören, sagt er. Die Mitte der Gesellschaft, die politische Mitte: "Das sind auch die, die ihr paniertes Schnäppchenschnitzel für 99 Cent für ein Menschenrecht halten, die Mindestlöhne fordern und für 19 Euro nach Barcelona fliegen."
Sätze ohne Satzzeichen Während Erwin Pelzig sich in der "Anstalt" des ZDF zumindest ansatzweise noch beherrschen kann (immerhin besitzt er ja sein Alter Ego Barwasser als Regulativ), rastet der Anstaltsleiter
Urban Priol regelmäßig aus, in der Rolle wie im richtigen Leben. Das passt, denn wenn man dem Aschaffenburger folgt, ist es beim Blick in die "Anstalt" schwer zu unterscheiden, wer drinnen und wer draußen sitzt.
Das Problem beim Interview mit Pelzig ist, dass man mit Barwasser spricht. Trotz einer vorsichtigen Annäherung in letzter Zeit sind die Kunstfigur und ihr Schöpfer doch zwei grundverschiedene Wesen. Das Problem beim Gespräch mit Priol hingegen ist Priol. Der spielt keine Rolle. "Ich bin wirklich so", sagt der Schnelle Brüter des Kabaretts, der, würde man ihn für friedliche Zwecke nutzen, spielend zwei bis drei Atomkraftwerke ersetzen könnte. Bei der Frage nach einem Nachruf auf diese Welt redet sich das Energiebündel erwartungsgemäß derart in Rage, dass man dezent auf die Spielregeln des Interviews hinweisen muss: Es besteht aus Frage UND Antwort!
Priol regt sich auf: über die Politiker und Behörden, die die Bürger für dumm verkaufen, und mehr noch über die Bürger, die sich für dumm verkaufen lassen. "Man hat den Eindruck, dass immer weniger Menschen ihr Hirn noch einschalten", sagt der Chef der "Anstalt": Berauscht vom Konsum und benebelt vom "sinnfreien Gefasel auf allen Kanälen" erträgt der Mensch fast alles. "Da könnte sogar die Welt untergehen, und den meisten wäre es egal."
Ein wenig versöhnlicher mit der Welt und ihren Bewohnern ist
Otmar Schmelzer aus Oberschwappach. Der Kabarettist im Nebenberuf, bekannt durch die "Fastnacht aus Franken", bespielt zuhause eine eigene kleine Bühne und hat die Gabe, den Schalter schlagartig von Klamauk auf Tiefgang umlegen zu können."Wir haben die Welt schon bis aufs Blut geplagt", sagt er, so dass der Untergang vielleicht sogar eine Erlösung wäre. "In jedem Fall sollten wir besser mit dieser Welt umgehen. Wir haben ja nur eine", sagt "Oti, der Schmelzer".
Als "Weltuntergangsverhinderer" sieht sich
Helmut Vordran (ex. Totales Bamberger Cabarett) aus Rattelsdorf. Er hat sich innerlich bereits von dieser Welt verabschiedet, was kein Widerspruch zur Rettung der Welt ist und überhaupt nicht missverstanden werden soll. "Ich will versuchen, die Welt zu retten, zumindest meine kleine Welt, so weit ich das beeinflussen kann", sagt der Unterhaltungskünstler, der sich als Krimiautor einen Namen gemacht hat. Vorndran singt das Lob der Langsamkeit: Schluss mit Hektik und Hysterie, zurück zu einem mit der Welt verwurzelten Leben. Vorndran rückwärts. Als Symbol für diese neue kleine Welt wird auf seinem Mühlen anwesen im nächsten Jahr ein Wasserrad Strom erzeugen.
Es geht um die Mettwurst Gute Argumente gegen den Weltuntergang hat
Markus Barth. Der gebürtige Zeiler und Wahl-Kölner startete seine Karriere hinter der Bühne als Gagschreiber für die Comedians in diversen Privatsendern. Auch für Oliver Welkes Heute-Show im ZDF stand er schon wiederholt hinter und ab und an auch vor der Kamera. Inzwischen tourt Markus Barth mit eigenen Programmen und Büchern (Mettwurst ist kein Smoothie) durch die Republik.
"Die Welt kann gar nicht untergehen, weil ich gerade an meinem neuen Programm arbeite. Das wäre ja Zeitverschwendung", sagt der Facharbeiter in Sachen Humor, der 1977 in Bamberg geboren wurde. Müsste er einen Nachruf auf diese Welt schreiben, klänge der etwa so: "Sie hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Bestmögliche getan." Schön war's.
Dieses Fazit zieht auch
Volker Heißmann aus Fürth, zusammen mit Martin Rassau als "Waltraud und Mariechen" ein Quotenhit. Er sieht im speziellen fränkischen Humor ein sicheres Bollwerk gegen jeden denkbaren Untergang. "Der liebe Gott hat garantiert keine Lust, sich jeden tag mit acht Millionen Franken im Himmel herumzuschlagen. Der lässt uns lieber als Bodenpersonal beim bayerischen Papst."
Für
Matthias Egersdörfer aus Fürth hingegen, den Aufsteiger in der fränkischen Kabarettszene, ist der "Untergang bereits in vollem Gange. Die somnambule Kanzlerin zerstört ihre Partei vollständig. Die CDU ist tatsächlich nur noch betrunken wählbar. In Fürth wird der rote Teppich für die Idiotie ausgerollt. Ein geplantes Einkaufszentrum wird der Brache der Innenstadt den Rest geben. ... In der geistfernen Ödnis verbleibt nur Zerrüttung und Schmerz."
Ein unversöhnliches Schlusswort? Mitnichten. Die kleine Frankenschau beweist in der Summe, dass die Welt sich weiterdrehen MUSS, alleine schon deshalb, damit der fränkische Humor nicht mit ihr untergeht. Und wenn, dann schwimmt er als Fettauge auf der Ursuppe obenauf. Das wäre ja gelacht.