"Einsamkeit kann krank machen": Unterfränkischer Supermarkt testet "Plauderkasse" - Gemeinde zieht nach

Update vom 28.04.2023, 10.45: Weiterer bayerischer Ort zieht nach - Klaus Holetschek weiht Langsam-Kasse ein
An diesen Supermarktkassen sollte man sich nicht anstellen, wenn es flott gehen soll: In Schwaben und Unterfranken können nun Kunden einkaufen, die beim Kassieren gerne mal ein Schwätzchen mit dem Kassenpersonal halten. In Buxheim bei Memmingen startete am Donnerstag Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) solch eine Langsam-Kasse im Rahmen eines Projektes gegen Vereinsamung. "Was im hektischen Einkaufsalltag oft stört, ist hier ausdrücklich erwünscht: der Ratsch an der Supermarktkasse", sagte Holetschek.
Die "Ratschkasse" im Buxheimer Edeka-Markt Abröll-Groiß wird wegen des aktuellen bayerischen Präventionsschwerpunkts zu gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit bis Juli vier Tage die Woche jeweils zwei Stunden am Vormittag geöffnet. Danach sollen Geschäftsführung, Angestellte des Marktes sowie Kundinnen und Kunden zu den Erfahrungen befragt werden. "Wenn die Ratschkasse erfolgreich war, würde ich mich freuen, wenn die Idee zahlreiche Nachahmer in Bayern findet", meinte der Minister.
Projekt gegen Vereinsamung: "Plauderkassen" in Bayern im plementiert
In Schweinfurt ist Supermarkt-Inhaber Marius Höchner bereits einen Schritt weiter. Er hatte vor fast zwei Monaten eine Smalltalk-Kasse eingerichtet, dort heißt sie "Plauderkasse" und die Kunden sollen ein Gefühl wie einst im Tante-Emma-Laden haben. "Die Resonanz ist hervorragend", sagt der Chef.
An einem Tag die Woche ist die Kasse vier Stunden geöffnet, manchmal auch länger. Höchner betreibt drei Märkte und will das Angebot in dem größten davon auf jeden Fall dauerhaft anbieten. "Inwiefern wir es auf die anderen Märkte übertragen, müssen wir noch schauen."
Die Initialzündung für die Kasse war in Schweinfurt eine Mitarbeiterin, die nach eigenem Bekunden "sowieso so viel" rede. Diese Verkäuferin sitzt nun zu den Betriebszeiten an der Kasse und plaudert.
Weniger lukrativ: Das Verhältnis zwischen Langsam-Kassen und normalen Kassen müsse stimmen
Aus Sicht des Geschäftsmanns hat Höchner kein Problem mit der Bummelkasse. "Es war mir natürlich bewusst, dass man nicht den Umsatz an der Kasse macht wie üblich", sagt er. "Wenn jetzt von meinen zwölf Kassen alle so langsam wären, dann könnte ich irgendwann den Laden zumachen." Letztlich müsse das Verhältnis ausgewogen sein. Außerdem hoffe er auf zusätzliche Kunden, die vielleicht extra wegen der "Plauderkasse" bei ihm einkaufen.
Vorbild waren für die Projekte in Schweinfurt und Buxheim entsprechende Angebote, die es schon seit Jahren im Ausland, beispielsweise in den Niederlanden, gibt. In der Schweiz hatte eine Gesundheitsinitiative im Herbst 2022 "Plauderkassen" in einem Supermarkt und einer Apotheke in Basel eingeführt. Das zunächst nur für sechs Monate konzipierte Projekt sei rege genutzt worden und werde deswegen weitergeführt, berichten die Organisatoren.
Auch in Bayern steht der Gesundheitsaspekt im Vordergrund. Einsamen Menschen soll ein einfacher Zugang zu mehr Kontakten gegeben werden, denn: "Einsamkeit kann krank machen", betont das Ministerium. Das Risiko für Angststörungen, Depressionen, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes oder Demenz steige. Laut einer Statistik seien mittlerweile 10 Prozent der älteren Männer und bei den Frauen sogar 15 Prozent von Einsamkeit betroffen. Auch mit Veranstaltungen will das Gesundheitsministerium daher in diesem Jahr auf das Thema hinweisen.
Ursprungsmeldung vom 09.03.2023
Es ist das alltägliche Bild: An der Supermarktkasse treffen Menschen, die es eilig haben, auf solche, die sich gerne etwas mehr Zeit lassen. Das kann dann verschiedene Gründe haben. Während manche einfach Lust auf ein Gespräch mit den Kassierer*innen haben, geht es bei vielen nicht mehr anders. Gerade Rentner haben oft alleine beim Einkaufen ihre Mühe, mit dem schnellen Abfertigen des Wocheneinkaufs fertig zu werden und ihre Lebensmittel zu verstauen.
Entdecke hier Rezepte für echt Fränkische KlassikerDas kann dann auch schnell dazu führen, dass sich die Menschen, die nur kurz Mittagspause haben oder vor einem Termin nur kurz eine Kleinigkeit besorgen wollten, genervt fühlen, weil sie aufgehalten werden. Und das, obwohl die allerwenigsten, die an der Kasse mal länger brauchen, dabei böse Absichten haben. Um diesen auch mal etwas Gutes zu tun, hat ein Schweinfurter Supermarkt jetzt die sogenannte "Plauderkasse" eingeführt.
"Alle Zeit der Welt" und ein "kleines Pläuschchen mit der Kassenkraft"
Mit dem Slogan "Hier haben Sie alle Zeit der Welt" werden Senioren im "FFFrische-Center Höchner" dazu eingeladen, sich an der Kasse mal so richtig Zeit lassen zu können, ohne, dass dahinter genervte Kunden Schlange stehen müssen. Auch ein "kleines Pläuschchen mit der Kassenkraft" kann man dabei halten, wie der Supermarkt per Instagram mitteilt und verspricht dabei eine Atmosphäre "wie früher im Tante-Emma-Laden".
Die "Plauderkasse" läuft zumindest testweise einmal pro Woche, immer dienstags von 8.00 bis 12.00 Uhr. Sollte diese Phase erfolgreich sein, kann man wohl davon ausgehen, dass dieses System bleiben darf und vielleicht sogar erweitert werden kann. Die Instagram-Follower des "Höchner-Markts" jedenfalls sind jetzt schon begeistert. "So eine schöne Idee!" heißt es da beispielsweise, untermauert mit vielen Applaus-Emojis. Eine andere Dame meint: "An der Kasse wäre ich gerne Kassenkraft". Hier freut man sich also nicht nur für, sondern auch auf die Senioren - oder auch auf Jüngere, die sich allgemein beim Einkaufen einfach mal Zeit lassen wollen.
Das Konzept des Schweinfurter Supermarkts ist besonders in der aktuellen Gesellschaft interessant - und lobenswert. Die Welt wird immer schnelllebiger, es dreht sich alles darum, möglichst wenig Zeit durch alltägliche Dinge zu verlieren. Viele Geschäfte weltweit haben bereits Kassen, an denen man die Produkte einfach selbst einscannt und auch in Deutschland wird dieses Konzept immer mehr adaptiert. Da ist es doch schön zu sehen, dass auch mal an die Menschen gedacht wird, die auf dieses schnelle Leben keine Lust haben. Vielleicht finden Kunden und auch andere Geschäfte bald schon Gefallen an der "Plauderkasse".
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