Wird ein Weinfest in Franken aus Rücksicht vor Gläubigen alkoholfrei? Veranstalter redet Tacheles

3 Min
Wird ein Weinfest in Schweinfurt aus Rücksicht vor Gläubigen alkoholfrei?
"Es ist schon besorgniserregend, wie einem jetzt die Worte verdreht werden", beklagt Luca Dahms, einer der Initiatoren des ungewöhnlichen Schweinfurter Weinfests.
Wird ein Weinfest in Schweinfurt aus Rücksicht vor Gläubigen alkoholfrei?
Senzowine GmbH
Wird ein Weinfest in Schweinfurt aus Rücksicht vor Gläubigen alkoholfrei?
"Es ist schon besorgniserregend, wie einem jetzt die Worte verdreht werden", beklagt Luca Dahms, einer der Initiatoren des ungewöhnlichen Schweinfurter Weinfests.
Wird ein Weinfest in Schweinfurt aus Rücksicht vor Gläubigen alkoholfrei?
Senzowine GmbH

Die Idee eines alkoholfreien Weinfests in Schweinfurt hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Schuld ist vor allem eine im Netz kursierende Falschmeldung. "Das ist absoluter Käse", erklärt Veranstalter Luca Dahms mit Blick auf die haltlose Behauptung.

Die Ankündigung einer Veranstaltung in Franken hat hohe Welle geschlagen - und das weit über die Grenzen der Region hinweg. In Schweinfurt gibt es am 9. Mai 2024 ein Event der besonderen Art. Laut den Veranstaltern handelt es sich um "das erste alkoholfreie Weinfest Deutschlands". Dieses wird unmittelbar vor dem regulären "Weinfest an der Peterstirn" der Winzerfamilie Dahms abgehalten. Die Bekanntgabe des alkoholfreien Ablegers sorgt indes für gehörigen Wirbel. 

Im Netz kursieren Behauptungen, wonach auf dem Fest aus ideologischen Gründen kein Alkohol ausgeschenkt wird - etwa aus Respekt vor Muslimen. Aufsehen erregte insbesondere ein Artikel des umstrittenen Onlinemediums Nius. Dort hieß es in der Überschrift: "Aus Rücksicht vor Gläubigen: Erstes alkoholfreies Weinfest in Schweinfurt". Das Problem: Dabei handelt es sich um eine Falschmeldung. "Das ist absoluter Käse", betont Luca Dahms, einer der Initiatoren der neuen Veranstaltung, im Gespräch mit inFranken.de. "Das ist Rechtspopulismus at its best."

Alkoholfreies Weinfest in Schweinfurt: Veranstalter wehrt sich gegen Fake News - "absoluter Käse"

Mit drei Freunden gründete Dahms 2022 die Senzowine GmbH. Das Konzept des jungen Unternehmens: Weine ohne Alkohol. Dahms, der zwischen Weinreben auf dem Weingut seiner Familie aufgewachsen ist, sieht in dem Produkt eine vielversprechende Geschäftsidee. In diesem Zusammenhang entstand auch das alkoholfreie Event im Vorfeld des traditionellen Weinfests.

Menschen, die aus Glaubensgründen auf Alkohol verzichten, seien "nur eine von ganz vielen Zielgruppen" des alkoholfreien Weinangebots. "Wir sind überzeugt davon, dass es keinen Alkohol braucht, um eine gute Zeit zu haben", betonen die Organisatoren auf ihrer Webseite hinsichtlich des ungewöhnlichen Weinfests. "Dort können Schwangere, Fahrer und eben auch Gruppen, die aufgrund ihrer Religion keinen Alkohol trinken, miteinander anstoßen", erläutert Luca Dahms gegenüber inFranken.de

In den sozialen Medien wird derweil vielfach behauptet, dass die Festveranstalter aus Rücksichtausnahme vor religiösen Muslimen auf alkoholhaltige Weine verzichten. "Wie unterwürfig kann man sein", kritisiert ein Mann auf Facebook, der dabei Bezug auf einen geteilten Screenshot nimmt. Dieser stammt ursprünglich von einem Post zum eingangs erwähnten Nius-Artikel.

"Besorgniserregend, wenn einem die Worte verdreht werden" - Artikel mit Falschbehauptung gelöscht

Geschäftsführender Direktor des als rechtspopulistisch wahrgenommenen Portals ist der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Auf der Webseite des Onlinemediums wird der Beitrag inzwischen nicht mehr angezeigt. Zu finden ist gleichwohl eine archivierte Version vom 28. März, in der die genannte Schlagzeile nach wie vor zu lesen ist. Auch auf X (vormals Twitter) existiert der dazugehörige Social-Media-Post weiterhin. Mit der Löschung des Nius-Artikels haben die Weinfest-Verantwortlichen laut Dahms nichts zu tun. "Wir haben dagegen keine juristischen Wege eingeleitet", sagt der Senzowine-Geschäftsführer. 

Doch wie konnte es überhaupt zu der Falschmeldung kommen? "Im Zuge des Marketings zu unseren entalkoholisierten Produkten erkläre ich den Leuten immer: Was ist das? Wie schmeckt das?", berichtet Dahms. In diesem Zusammenhang habe er in der Vergangenheit wiederholt auch in Podcasts über alkoholfreie Weine gesprochen. Hierbei habe er auch gesagt, dass "ein positiver Nebeneffekt" dieser Weine sei, dass sie auch von Gläubigen, die keinen Alkohol trinken, konsumiert werden könnten. "Es ist schon besorgniserregend, wie einem jetzt die Worte verdreht werden", moniert Dahms. 

Im Internet sorgt der angeblich religiöse Hintergrund des Schweinfurter Weinfests vielfach für Empörung. "Einfach nur krank", hält ein Facebook-Nutzer fest. "2024, als Deutsche ihr Land verhökert haben!", konstatiert eine Frau. "Jetzt werden sie ganz bekloppt. Dann tragen wir noch alle Kopftuch", erklärt eine weitere Userin offensichtlich entrüstet.

"Das ist Wahnsinn": Weinfest-Team erhält zahlreiche E-Mails - Organisatoren sollen sich "bekennen"

Auch ein Mitglied des AfD-Bezirksverbands Berlin-Lichtenberg kommentiert den vermeintlichen Kotau vor dem Islam. "Nach den festlichen Ramadanbeleuchtungen in verschiedenen deutschen Großstädten, geht’s nun weiter mit dem ersten alkoholfreien Weinfest in Schweinfurt", schreibt er auf X. "Natürlich ist es wichtig, im 'öffentlichen Raum' Rücksichtnahme gegenüber Gläubigen des Islams und deren Praktiken zu nehmen. Solange man von den eigenen Werten und Traditionen Abstand nimmt, ist doch alles in bester Ordnung", bemerkt der Nutzer offensichtlich sarkastisch. "Eine Islamisierung ist nach wie vor eine rechte Verschwörungstheorie."

Luca Dahms kann derartige Äußerungen nicht nachvollziehen. "Wir bekommen aktuell auch viele E-Mails. Das ist Wahnsinn. Darin heißt es, wir sollen uns dazu bekennen, für wen unser Fest gedacht ist." Tatsächlich seien jegliche Gäste auf der neuen Veranstaltung willkommen. "Wir schließen eben keinen aus - genau das Gegenteil ist der Fall", bekräftigt der Sohn der unterfränkischen Winzerfamilie.

Die hitzige Debatte im Netz lässt Erinnerungen an eine andere Veranstaltungsankündigung in Franken wach werden. Die Bekanntgabe des Coburger Winterfests hatte im Herbst 2022 ebenfalls zu einem Shitstorm geführt. "Das sorgt einfach für Kopfschütteln bei mir", sagte der Veranstalter damals mit Blick auf die mitunter derben Reaktionen. Mehr Nachrichten aus Schweinfurt und Umgebung findest du auf unserer Lokalseite.