Diskutierten im Bamberger Fuchs-Park-Stadion ausführlich über die bevorstehende Zweitligasaison: die Trainer (von links) Bernd Hollerbach (Würzburger Kickers), Stefan Ruthenbeck (Greuther Fürth) und Alois Schwartz (1. FC Nürnberg). Fotos: Matthias Hoch
Drei Vereine aus der Region starten in die Spielzeit 2016/2017. Dazu ein großes Interview mit Bernd Hollerbach, Alois Schwartz und Stefan Ruthenbeck.
Die 2. Fußball-Bundesliga steht vor einer kaum vorhersehbaren Saison. Und mittendrin mischen drei fränkische Vereine mit: der 1. FC Nürnberg, die SpVgg Greuther Fürth sowie die Würzburger Kickers. Während die Erstligaabsteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 die erklärten Aufstiegsfavoriten sind, hofft eine Gruppe aus Traditionsvereinen wie dem Club oder Fortuna Düsseldorf auf die Rückkehr zu alten Glanzzeiten. Die - wahrscheinlichen - Wackelkandidaten um die Aufsteiger Würzburger Kickers und Erzgebirge Aue werden kämpfen müssen, um drin zu bleiben.
Wie aber sehen die Erwartungen der drei Mannschaften aus Franken aus? Im großen Fußball-Gipfel sprechen die Trainer Alois Schwartz, Stefan Ruthenbeck sowie Bernd Hollerbach über ihre individuellen Ziele.
Die Vorbereitung für die neue Saison ist vorbei. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren jeweiligen Teams? Bernd Hollerbach: "Alles ist meiner Meinung nach gut gelaufen. Wir hatten zwar durch die Relegationsspiele nur wenige Wochen Pause bis zum Start in die Saison-Vorbereitung, aber gerade unsere neuen Spieler passen charakterlich toll zur Mannschaft und wir haben zum Glück auch keine Verletzte." Stefan Ruthenbeck: "Bei uns lief es sehr ordentlich. Wir haben bis auf den Weggang von Marco Stiepermann alle letztjährigen Stammspieler weiter an Bord. Sieben Wochen Training hat die Mannschaft nun hinter sich. Ich glaube, dass alle froh sind, dass die Runde endlich los geht." Alois Schwartz: "Ich bin sehr zufrieden mit den vergangenen Wochen. Wir haben uns auch in den Testspielen stetig gesteigert. Auch wenn es für die Psyche im Team nicht gut war, dass wir als Verlierer aus der Relegation gingen.
Doch die Spieler haben das alles gut weg gesteckt und unsere Neuen sind gut integriert. Wobei wir weiter auch die Augen nach Verstärkungen offen halten."
Wo gibt es denn noch Handlungsbedarf? Schwartz: "Nach dem Weggang von wichtigen Offensivspielern wie Niclas Füllkrug, Danny Blum, Sebastian Kerk oder auch Alessandro Schöpf fehlen uns praktisch 28 Tore aus der Vorsaison. Daher sehen wir uns gerade in diesem Bereich nach Spielern um, die uns helfen können." Ruthenbeck: "Wir sondieren ebenfalls den Markt, wobei wir nicht unbedingt tätig werden müssen. Wir haben gute Talente im Kader und mit Serdar Dursun einen Stürmer verpflichtet, der uns weiter bringen wird.
Wenn wir nochmal etwas tun, dann mit der Überzeugung, dass uns der Spieler weiterbringt." Hollerbach: "Unser Kader ist gut, dennoch sehen wir uns auch weiter um. Aber keine Angst: Wir werden nichts Verrücktes machen. Es bleibt dabei, dass wir bei den Kickers vieles über die Mannschaft erreichen wollen. Es ist leider Tatsache, dass die Preise auf dem Transfermarkt gerade total aus dem Ruder laufen. Aber, wenn sich etwas Gutes für uns ergibt, dann greifen wir zu."
Wie beurteilen Sie, Herr Schwartz und Herr Ruthenbeck, die Entwicklung der Kickers und die Arbeit des Kollegen Hollerbach? Schwartz: "Die Ergebnisse sprechen für sich.
Die Kickers haben dank einer großen Energieleistung in der Relegation den Aufstieg geschafft - auch wegen der hohen Physis, der enormen Laufbereitschaft und der Aggressivität des Teams." Ruthenbeck: "Ich stimme der Einschätzung zu. Hollerbach hat zudem technisch tolle Spieler und beweist bei Transfers ein gutes Händchen, wie etwa bei Stürmer Elia Soriano."
Kam für die Kickers der Aufstieg zu früh, Herr Hollerbach? Hollerbach: "Das, was in den vergangenen zwei Jahren alles passiert ist, kannst du nicht planen. Wir konnten wirklich nicht davon ausgehen, dass wir in der Relegation einen arrivierten Zweitligisten wie Duisburg ausschalten. Doch wir sind jetzt froh, das alles gepackt zu haben. Nun wollen wir unsere neue Sensation schaffen: die Klasse in Liga zwei zu halten.
Dabei steht bei uns immer die Mannschaft im Mittelpunkt."
Wie eine Fan-Umfrage (siehe auch nebenstehenden Artikel) ergab, gehen die Fußball-Anhänger davon aus, dass der Club am Ende der Saison auf Platz zwei landet. Fürth erwarten die eigenen Fans auf den fünften Platz, der Rest dagegen auf Rang zehn. Würzburg landet nach der Einschätzung der Kickers-Anhänger auf dem Relegationsplatz 16 oder sogar nur auf dem letzten Rang, wenn es nach den Schätzungen der anderen Fans geht. Was sagen Sie dazu? Schwartz (lächelnd): "Ich wurde während meiner Zeit als Trainer in Sandhausen stets als Tabellenletzter gehandelt. Und dennoch schafften wir immer den Klassenerhalt. Ich hoffe natürlich darauf, dass wir eine gute Saison spielen werden.
Oft entscheiden in Spielen wirklich nur Kleinigkeiten, die für oder gegen dich laufen, oder auch mal Schiedsrichter-Entscheidungen. Ich gehe davon aus, dass acht Vereine um den Aufstieg spielen werden und der Rest sich nach unten orientieren muss." Ruthenbeck: "Unsere Kleeblatt-Fans sind ein wenig verwöhnt durch die Erfolge der letzten Jahre. Wir müssen aber sehen, was gerade bei der finanzstärkeren Konkurrenz passiert. Ich denke da zum Beispiel an 1860 München. Unser Ziel in diesem Jahr sind mindestens 49 Punkte und damit der erste Platz in der ewigen Zweitligatabelle. Wie eng die Mannschaften beieinander sind, zeigte sich in der letzten Saison in unserem Heimspiel gegen Kaiserslautern. In der ersten Halbzeit führten wir 2:0, bekamen Standing Ovations, verpassten es aber, den Vorsprung zu erhöhen. Letztendlich verloren wir noch 2:4. Danach folgte ein Negativ-Lauf in den folgenden Begegnungen.
Wir müssen eben immer wieder unser Glück erzwingen." Hollerbach: "Von den letzten 72 Spielen haben die Kickers nur acht verloren. Wir werden sehen, wie der Beginn dieser Saison läuft, wir wollen weiterhin ein unangenehmer Gegner bleiben. Es geht für alle im Verein nur um eines: den Klassenerhalt. Und ich bin davon überzeugt, dass wir die Punkte dafür auch holen werden."
Wie lauten Ihre Aufstiegsfavoriten? Schwartz: "Wenn ich jemanden dafür auf das Schild hebe, dann sind das rein vom Budget her die beiden Bundesligaabsteiger Stuttgart und Hannover.
Die haben einfach die viel besseren finanziellen Möglichkeiten." Ruthenbeck: "Nachdem ich die mögliche erste Elf von Hannover im Kicker gesehen habe, muss ich sagen: Respekt. Der VfB hat ebenfalls eine hohe Qualität, wie im Übrigen auch die Löwen." Hollerbach: "Es gibt viele Favoriten in der zweiten Liga. Eines kann ich auf jeden Fall sagen: Wir gehören nicht dazu."
Zählen die Begegnungen mit den Kickers schon als Derby? Hollerbach: "Ja, wobei das echte Derby Nürnberg gegen Fürth heißt. Das Tolle daran ist vor allem die kurze Anfahrt. Ich, als einziger Franke in dieser Runde, freue mich natürlich ganz besonders auf diese Spiele. Und auch unsere Fans sind heiß." Ruthenbeck: "Das werden Klasse-Spiele.
Die Derbys gegen den Club sind einfach nur der Hammer. Ich bin schon gespannt auf das neue Duell gegen Würzburg. Es wird heiß hergehen." Schwartz: "Ich habe mir einmal ein Derby zwischen Fürth und dem Club angesehen. Leider war es damals die 1:5-Niederlage für den FCN. Das war schon besonders. Es knistert anders, als wenn man gegen St. Pauli oder Düsseldorf kickt. Genauso muss das sein."
Haben Sie sich schon gut in Nürnberg eingelebt, Herr Schwartz? Schwartz: "Ja. Viele haben mir von Anfang an geholfen und mich toll empfangen. Die Fans haben sofort gesagt, da kommt "unser Trainer", es ist ein einzigartiges Umfeld beim 1. FC Nürnberg. Ich fühle mich sehr wohl. Leider hatte ich noch nicht die Zeit, um mich intensiv in der Stadt umzusehen oder mich kulinarisch auf die Region einzustimmen.
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Haben Sie als gebürtiger Unterfranke einen Tipp für Ihren Kollegen? Hollerbach (grinst): "Ich könnte Schäufele empfehlen."
Ein Kölner als Trainer in Fürth. Wie kommen Sie mit der fränkischen Mentalität klar, Herr Ruthenbeck? Ruthenbeck: "Schäufele ist schon mal überragend, das kann ich sagen. Ich wohne in Fürth und meine Familie kommt oft am Donnerstag und bleibt übers Wochenende. Fürth hat ein wunderbares Flair."
Wie groß war die Umstellung vom eher beschaulichen Sandhausen zum Club nach Nürnberg, Herr Schwartz? Schwartz: "Bei Sandhausen hatte ich das wohl kleinste Büro in der zweiten Liga - nur zehn Quadratmeter groß für vier Mann, inklusive Dusche.
Jetzt bei Nürnberg besitze ich ein deutlich größeres. Ohnehin ist beim Club alles etwas größer: Es gibt mehr Fußball-Plätze, alle in einem satten golf-grün. Die Arbeit in Sandhausen hat mir aber immer Spaß gebracht. Ich habe Spieler aus der dritten oder vierten Liga geholt und es war immer schön für mich zu verfolgen, wie sie sich weiterentwickeln. Beim Club ist die Erwartungshaltung komplett anders und auch sehr hoch."
Wie ärgerlich ist es, wenn Saison für Saison die besten Spieler ihrer Mannschaften verkauft werden, um durch die Transfereinnahmen Geld zu verdienen? Schwartz: "Genau dieses Modell lebt ja Fürth schon länger vor.
Präsident Helmut Hack hat schon immer Spieler ausgebildet und dann mit Gewinn weiter verkauft. Es ist eben schlichtweg nicht möglich, dass Vereine wie Nürnberg sich nur aus den TV-Einnahmen finanzieren können." Ruthenbeck: "Wenn man Trainer bei der SpVgg Greuther Fürth ist, weiß man das. Das ist eben nun mal die Philosophie unseres Vereins. Und genau das wird auch von mir gefordert: Spieler ausbilden und sie weiter entwickeln. Auf der anderen Seite heißt es immer, wir würden die Spieler abgeben. Aber oft ist es doch auch so, dass die Profis auf den Verein zukommen und uns mitteilen, dass sie weg wollen."
Die Fan-Gewalt in den Stadien steigt. Kann man etwas dagegen tun? Schwartz: "Wir müssen immer auch an die Vernunft appellieren. Der Verein wird nicht müde, dies zu tun und gerade derzeit zu intensivieren.
Was Prügeleien mit Fankultur zu tun haben, erschließt sich mir nicht." Ruthenbeck: "Das ist der Wahnsinn, was hier teilweise geschieht, glücklicherweise nicht bei uns in Fürth." Hollerbach: "Wir hatten schon viele Hochsicherheitsspiele in der Drittliga-Saison, aber glücklicherweise verliefen die ohne Gewalt im Stadion, wir hatten keinen Zwischenfall. Ich hoffe, dass wir von solchen Vorfällen verschont bleiben. Ich denke, dass England die Fan-Gewalt dank der Verhängung von lebenslangen Stadionverboten erfolgreich verringert hat."
Wie ist die Stimmung in Würzburg kurz vor dem Ligastart? Hollerbach: "Zu Beginn kamen zu uns vielleicht 300 Zuschauer, jetzt wird unser Stadion immer pickepackevoll sein.
Eine Region mit einem Einzugsbereich von 1,8 Millionen Menschen ist plötzlich wieder in den Fokus von Fußball-Deutschland gerückt. Das ist überragend, die Euphorie unglaublich. Ich weiß natürlich, dass es auch andersherum laufen kann. Wir müssen daher demütig bleiben. Die größten Fehler werden im Erfolg gemacht, wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen. Wir müssen uns mit jungen Spielern verstärken, sie ausbilden und rasch integrieren. Vertrauen und Organisation sind wichtig. Fußball ist ein Mannschaftssport. Wir können über das Team viel erreichen."
Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die ersten Spiele? Hollerbach: "Auf uns wartet mit Braunschweig auswärts ein sehr guter Gegner.
Ich hoffe, dass sich meine Spieler schnell anpassen. Wir haben eine große Chance und ich glaube an das Team. Jeder muss marschieren und Gas geben." Ruthenbeck: "Wir bekommen es mit 1860 München daheim zu tun. Es ist eigentlich egal, wer da am ersten Spieltag kommt. Wir werden alles raushauen und voll auf Sieg spielen, das machen wir immer. Aber wir zollen natürlich dem Gegner den nötigen Respekt. Jeder unserer Spieler will sich wieder zeigen und am besten mit drei Punkten starten." Schwartz: "Wir haben mit dem Spiel beim Aufsteiger in Dresden eine schwere Aufgabe. Dort werden 30 000 Fans ihr Team nach vorne peitschen. Ich kenne die Atmosphäre und da kommt Einiges auf uns zu. Aber es ist eine schöne Aufgabe, auf die wir uns freuen."
Das Gespräch führten Benjamin Kemmer, Christian Pack, Peter Groscurth, Alexander Kroh, Pia Schmitt und Lasse Basdorf.