"Der Moment, in dem ein Tier nach monate-, manchmal jahrelanger Vorbereitung ausgewildert wird, gehört zu den absoluten Höhepunkten unserer Artenschutzarbeit", sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens. "Dass wir innerhalb von zwei Jahren drei Luchse auswildern konnten und mit den anderen Jungtieren im Rahmen des EEPs zum Arterhalt beitragen können, ist ein großer Erfolg für den Tiergarten."
Die Luchs-Anlage im Nürnberger Tiergarten hat mit Blick auf Auswilderungsprojekte entscheidende Vorteile: Sie umfasst eine Fläche von rund 1.850 Quadratmetern, ist reich strukturiert und bewaldet. Damit bietet sie den Tieren viele Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten.
Während der Aufzucht in Nürnberg bekommen die Luchse Rehe als Futter, die natürliche Hauptbeute. So kommt es nicht zu einer Fehlprägung auf andere Beutetiere. Die Rehe stammen vom Forstbetrieb Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten. Sie werden bei der regulären, nachhaltigen Jagdausübung im Nürnberger Reichswald erlegt und dienen so als hochwertiges Futter.
Zucht in Zoos und Projekte im Lebensraum der Tiere verbinden
Der Tiergarten engagiert sich seit vielen Jahren für den Erhalt und Schutz des Karpatenluchses. Er ist Mitglied im beratenden Gremium des EEPs, dem sogenannten Species Committee, und Mitglied bei "Linking Lynx": Das internationale Netzwerk beschäftigt sich mit der Erhaltung, dem Monitoring und dem Management des Karpatenluchses.
Ziel ist es, Vorkommen zu stützen, zu gründen und miteinander zu verbinden. 2024 wurde das Zuchtbuch für Karpatenluchse in ein EEP überführt. Dies war ein entscheidender Schritt, um die Zuchtbemühungen in Zoos mit Projekten im Lebensraum der Tiere (sogenannte In-situ-Projekte) zu verbinden.
"Jeder Nachwuchs – wie auch die diesjährigen Jungtiere im Tiergarten Nürnberg – ist ein wertvoller Beitrag zum langfristigen Erhalt der Art", sagt Dina Gebhardt, zuständige EEP-Koordinatorin und Kuratorin im Tierpark Bern. "Der Tiergarten erfüllt alle Anforderungen an die Auswilderungszucht und zeigt eindrucksvoll, wie wissenschaftlich geführte Zoos aktiv am Schutz bedrohter Arten mitwirken. Durch die enge Zusammenarbeit im europäischen Expertennetzwerk 'Linking Lynx' können wir sicherstellen, dass genetisch geeignete Luchse perspektivisch in eines der Wiederansiedlungsprojekte in Deutschland integriert werden – und so der Karpatenluchs dauerhaft in unsere Wälder zurückkehrt."
Dr. Alexander Sliwa, Leiter der EAZA-Fachgruppe für Katzen (EAZA Felid Taxon Advisory Group) und Kurator im Zoo Köln, sagt: "Das EEP für Karpatenluchse ermöglicht eine bisher einmalige Zusammenarbeit der Halter dieser größten Katzenart in Zentraleuropa nach wissenschaftlichen Maßstäben. Wir hoffen, dass die Zusammenarbeit über die kommenden Jahrzehnte weiter gestärkt wird, denn nur durch ein gutes Netzwerk von Partnern haben solche ambitionierte und auf längere Zeiträume ausgelegte Projekte Aussicht auf nachhaltigen Erfolg – der Etablierung selbsterhaltender Bestände des Luchs, hier der Unterart Karpatenluchs, in Mitteleuropa."
Ausgestorben und wiederangesiedelt
Wegen seiner weiten Verbreitung, die sich bis nach Nordostasien erstreckt, stuft die Weltnaturschutzunion den Eurasischen Luchs (Lynx lynx) aktuell als global "nicht gefährdet" ein. Er gilt allerdings in weiten Teilen Europas als ausgestorben und konnte nur lokal wiederangesiedelt werden. In Deutschland galt er bis ins späte 20. Jahrhundert hinein als ausgestorben. Ende 2020 gab es laut Bundesamt für Naturschutz wieder rund 190 wildlebende Eurasische Luchse in Deutschland.
Das größte Vorkommen liegt im Harz und erstreckt sich bis Nordhessen. Die Population geht auf eine Auswilderung von 24 Luchsen aus Zoos und Wildparks Anfang der 2000er Jahre zurück. Der Luchs ist die größte Katze Europas und zählt mit dem Wolf und dem Bären zu den drei großen, landlebenden Beutegreifern der mitteleuropäischen Tierwelt.
Luchse leben hauptsächlich in Wäldern und sind dämmerungs- und nachtaktiv. Charakteristisch sind die Haarpinsel an den spitzen Ohren und der kurze Schwanz.
Bei diesem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung.
Vorschaubild: © Tiergarten Nürnberg / Tom Burger