Zwei Erzähler aus Leidenschaft auf dem Staffelberg

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Unter den freundlichen Augen des "Mentors" (Andreas Motschmann) erzählt Erik Berkenkamp Sagen aus hiesigen Landen. Fotos: Markus Häggberg
Unter den freundlichen Augen des "Mentors" (Andreas Motschmann) erzählt Erik Berkenkamp Sagen aus hiesigen Landen. Fotos: Markus Häggberg
Zwei, die das Erzählen verbindet: Erik Berkenkamp und Andreas Motschmann
Zwei, die das Erzählen verbindet: Erik Berkenkamp und Andreas Motschmann
 
Wohliges Zuhören: Manch einer zog sogar die Schuhe aus und machte es sich auf der Decke so richtig picknickend bequem.
Wohliges Zuhören: Manch einer zog sogar die Schuhe aus und machte es sich auf der Decke so richtig picknickend bequem.
 

Warum ein Bremer fränkische Sagen unter einer großen Kiefer erzählt und wer ihn dazu inspiriert hat.

"Uanhaaßensummadouchwiheid" - was so schon beinahe nach einer afrikanischen Sprache klingt, ist hiesiges Fränkisch und kam am Sonntagnachmittag aus dem Mund von Andreas Motschmann (60). Ein Satz, den ihm der Norddeutsche Christian Erik Berkenkamp (66) so nie nachsprechen würde. Doch bei aller Verschiedenheit ähneln sich die beiden Männer vor allem in einem: Sie sind Erzähler aus Leidenschaft.
An jedem ersten Sonntag in einem Sommermonat findet man Christian Erik Berkenkamp unter einer Kiefer unweit der Adelgundiskapelle. Es ist leicht abschüssig hier, man kann sich lauschend im Gras niederlassen und so ein wenig Schatten fällt dann auch ab. Das Fränkisch spart sich der Norddeutsche Berkenkamp, auch den Vornamen Christian führt er nie mit. Man kennt ihn am Obermain als Erik Berkenkamp, als Geschichtenerzähler und es heißt allerorts, er mache seine Sache sehr gut. Dass er nicht fränkelt, daran stört sich niemand. Doch der Bremer Bamberger mit Lehrervergangenheit an einer kalifornischen Universität hatte an diesem Sonntag Verstärkung in Andreas Motschmann, Bruder des unvergessenen Josef Motschmann.


Lebensmittelpunkt in La Paz

Noch ein Erzähler, noch einer mit ungewöhnlichen Lebensrichtungen, ein Erzieher, den es noch mit 50 vom Obermain aus zu einer beruflichen Herausforderung ins bolivianische La Paz zog, wo seit bald elf Jahren sein Lebensmittelpunkt ist. So nahmen die Männer abwechselnd erzählend den Platz unter der Kiefer ein, unter deren Schatten sich 70 Zuhörer niedergelassen hatten. Eine gute Stunde sollte währen, wozu sich die beiden Männer berufen fühlen: Sagen sagen, mündlich wiedergeben, was man sich seit Generationen erzählt, egal ob von Grimms stammend oder aus dem heimatlichen Sagenschatz.
Doch was Nachzügler, die sich mitunter mit einem Klappstuhl am Ort des Geschehens niederließen, nicht erfuhren, war, dass sich die Wege der beiden Männer schon in den 90ern kreuzten. Mehr noch: Berkenkamp sagt über Motschmann, dass dieser ihn dazu inspiriert hätte, fränkische Sagen für Franken zu erzählen. Später, im Nachgang der Veranstaltung und als auch die Sage vom Froschprinzen - nicht vom Froschkönig - erzählt worden ist, werden die beiden Männer für eine Weile im Schatten der Linden an der Adelgundiskapelle sitzen.
"Wie fühlt sich das an, der Ideengeber zu sein?", wird Motschmann gefragt. "Ich bin im Nachgang sehr froh, dass ich ihn ermuntert habe. Das darf auch ein Reingeschmeckter machen", bekräftigt Motschmann zu dem Umstand, dass Berkenkamp fränkische Sagen auf Hochdeutsch vorträgt. Er selbst, so Motschmann, veröffentliche selbst in gewissen Abständen zu hiesigem Brauchtum, sagenhaften Orten der Heimat oder Wetterregeln.
Bei alledem erhebt sich eine Frage: Hat Berkenkamp Motschmann je darüber in Kenntnis gesetzt, dass er seinen Weg seinetwegen ins Erzählerische genommen hat? Berkenkamp lächelt und blickt zwölfJahre zurück ins Jahr 2006. "Ja, ich habe ihm das damals, als er nach Bolivien ging, gesagt." Man fuhr zusammen im Auto und Motschmann habe geantwortet: "Mach das!"
Weshalb man überhaupt gemeinsam im Auto fuhr, hat eine Vorgeschichte. Die Männer begegneten einander schon Ende der 90er beim Fränkischen Sagen- und Märchenkreis (Bubenreuth). "Das war der Beginn meines Erzählens", sinniert Berkenkamp. Wer sich so lange kennt, der hat auch eine Meinung zum jeweils anderen. "So wie er auf Fränkisch erzählt, kommt das toll rüber, da bewundere ich ihn", sagt Berkenkamp anerkennend und erntet gleichfalls Lob aus berufenem Munde. "Ich finde gut, dass er den Mut hat, Geschichten auch mal anders zu erzählen. Er hat einen eigenen Stil gefunden, er hat ein lebendiges Erzählen", gibt Motschmann wider. Und er fügt an, dass es in der Erzählerkaste auch so etwas wie Dogmatiker gibt, die kein Komma, kein Wort an einer Geschichte zu verrücken bereit sind. So sind Motschmann und Berkenkamp nicht. Beim nächsten Mal wird Berkenkamp wieder alleine auf dem Staffelberg sein. Motschmann wird dann in La Paz sein. Nicht auf einem Berg, aber doch 3000 Meter höher gelegen als Berkenkamp.