Richter Johannes Gründel wird tätig, wenn für Menschen ein Betreuer eingesetzt werden muss. Das wäre häufig gar nicht nötig - wenn sie vorgesorgt hätten.
Ob Alter, Krankheit oder Unfall: Jeder kann ganz plötzlich in eine Situation kommen, in der andere für ihn Dinge regeln müssen. Vielleicht nur kurzfristig, vielleicht für immer. Es kann sich um eine medizinische Behandlung drehen, um eine fällige Zahlung vom eigenen Bankkonto oder auch nur um das Öffnen der Post. Viele, die nicht alleine leben, gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sich in so einem Fall der Partner kümmern wird. Der hat aber ohne eine Vollmacht keinerlei Handhabe - eigentlich nicht einmal das Recht, von einem Arzt Auskunft zu erhalten. Kinder ebenso wenig. Weil viele das nicht wissen, wird Johannes Gründel nicht müde, darauf hinzuweisen. Von Gartenbauvereinen und Kirchengemeinden war er als Referent eingeladen, demnächst wird er beim Bahnsozialwerk über das Thema sprechen. Obwohl es vielfältige Informationen hierüber gibt, herrscht seiner Beobachtung nach eine große Verunsicherung vor - und oft auch ein Unbehagen, sich mit Einschränkungen, ja mit der eigenen Endlichkeit zu befassen.
Freilich gebe es Menschen, die niemanden haben, dem sie eine Vollmacht ausstellen könnten, weiß Richter Gründel. Denn dafür sei nur eine wirkliche Vertrauensperson geeignet, jemand, von dem ich mir sicher bin, dass er seine Befugnisse in Geldangelegenheiten nicht missbraucht und für mich Entscheidungen so trifft, wie er annimmt, dass ich das selbst tun würde. Wenn man so einem Menschen eine Vollmacht zur Vorsorge ausstellen kann, sei das die sinnvollere Lösung im Vergleich zu einem vom Gericht bestimmten Betreuer. Private Regelungen hätten Vorrang vor staatlichen, betont Gründel, und ließen dem Betroffenen ein Mehr an Freiheit, beispielsweise in der Weitergabe von Vermögen. Selbstverständlich könne eine Vollmacht auch widerrufen werden. "Was ich selbst regeln kann, regele ich selbst", ist für den Richter das entscheidende Argument. Für den Arzt Klemens Lange gibt es noch ein weiteres, ganz entscheidendes: "Ich sehe im Arbeitsalltag Leid, das vermeidbar gewesen wäre, wenn man sich rechtzeitig gekümmert hätte." Lange wird nämlich als Gutachter bestellt, um festzustellen, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Betreuung vorliegen. "Solche Verfahren brauchen Zeit", weiß der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Sechs bis acht Wochen könnten vergehen, in denen nicht einmal problemlos ein Pflegedienst zu bekommen ist, wenn man keine gültige Vollmacht habe.
Eine Vollmacht ist zudem kostengünstiger. Es fallen weder die (jährlichen!) Gerichtsgebühren noch eine Aufwandsentschädigung für einen von Staats wegen eingesetzten Betreuer an. Auch wenn große Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowie der Psychiatrie die Zahlen im Landkreis Lichtenfels nach oben verschieben, findet Johannes Gründel rund 1250 laufende Betreuungsverfahren noch zu viel. Ja, die Gesellschaft ist älter und komplexer geworden. Doch ein unterstützendes Handeln für Angehörige, wie es eigentlich selbstverständlich wäre, trauten sich viele nicht mehr zu. Auf seinem Schreibtisch finden sich häufig Betreuungsanträge, die erwachsene Kinder für ihre Eltern an ihn adressiert haben. Oftmals zeige sich darin eine große Verunsicherung: Darf ich dies oder jenes überhaupt regeln, wenn Mutter oder Vater dement sind? Manchmal reicht dann schon ein Anruf, um diesen Leuten die Sorge zu nehmen. Hierbei bestehe eine enge Zusammenarbeit mit der Betreuungsstelle am Landratsamt, merkt der Richter an. In nur etwa der Hälfte aller Fälle werde eine Betreuung nötig. Die Anträge werden häufig von Einrichtungen wie Pflegeheimen und Kliniken gestellt. Und auch, wenn es zur Betreuung komme, betont Gründel, behalte der Mensch seine Rechte, müssten seine Wünsche nach Möglichkeit umgesetzt werden. Eine "Entmündigung" gibt es nicht nur vom Begriff her seit mehr als 25 Jahren nicht mehr. Zwei Drittel aller eingesetzten Betreuer sind Ehrenamtliche, davon nahezu 100 Prozent Angehörige. Und in vielen Fällen hätte eine vorsorglich ausgestellte Vollmacht das Betreuungsverfahren erübrigt. Das hat Richter Gründel übrigens auch für sich selbst schon so geregelt.
Wo gibt es Informationen?
Vorträge von Betreuungsrichtern oder Notaren werden über VHS und Vereine angeboten. Fragen können an die Betreuungsstelle des Landratsamtes (Tel. 09571/18-222) sowie Betreuungsvereine von BRK und ASB und die Diakonie gerichtet werden. Nachlesen www. justiz.bayern.de (Broschüre "Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter" sowie Vordrucke).