Der Vortrag von Günter Dippold am Dienstagabend im Stadtmuseum stieß auf riesiges Interesse. Die bereitgestellten Stühle reichten nicht aus.
Es sollte mit Verspätung beginnen, denn immer wieder musste nachbestuhlt werden und von einem pünktlichen Lesungsbeginn konnte keine Rede sein. Dass sein Vortrag zum "Aufstieg der NSDAP im Bezirksamt Staffelstein" auf so viele offene Ohren stoßen könnte, damit hatte wohl auch Bezirksheimatpfleger Günter Dippold nicht gerechnet. Mehr Zuhörer als Sitzgelegenheiten waren am Dienstagabend im Stadtmuseum.
Was sich unter den Augen der am Flügel beim Pult stehenden Hl. Kunigunde abspielte, war die reine Neugierde. Oder besser gesagt das Interesse von wohl 140 Besuchern an der Konfrontation mit lokalen Aspekten zum Aufstieg der NSDAP, während im Nebenraum noch die Ausstellung "Nationalsozialismus am Obermain und seine Folgen" stattfindet. Während Stadtarchivarin und Gastgeberin Adelheid Waschka ob des Anblicks von Überwältigung sprach, witzelte Dippold zum Fenster deutend: "In Notfällen Rettungsgasse bilden - ich hüpfe da raus."
Auf Einladung des Arbeitskreises Stadtgeschichte der KIS (Kultur Initiative Staffelstein) und des CHW (Colloquium Historicum Wirsbergense) sollte sich der Bezirksheimatpfleger durch zehn Seiten Text referieren, lokale Gegebenheiten zum Großen und Ganzen nach Hitlers Machtergreifung ins Auge fassend. Kurios dabei: Dippold setzte auf allerneueste Recherchen. "Sie hören heute Dinge, die ich am Nachmittag noch nicht gewusst habe."
Unterstützung und Widerstand
Die Augen, derer er sich bediente, gehörten nicht selten Georg Herpich, Oberregierungsrat und Leiter des Bezirksamts Staffelstein, kurzzeitiger Bürgermeister und Vorsitzender der Spruchkammer, geboren 1872 und gestorben 1968. Was dieser Mann erlebte, sah und in Notizen hinterließ, flocht Dippold nicht selten in seinen Vortrag ein. Er zeichnete dabei ein Bild vom Aufstieg der Nazis im nordbayerischen Raum, unter Bekanntmachung mit mancher lokalen oder regionalen Gestalt, die dem Aufstieg auf ihre Weise zum Erfolg verhalf, oder sich diesem entgegenzustellen versuchte. Da wäre beispielsweise Andrea Ellendt gewesen, eine Figur, die zur Frühzeit des Nationalsozialismus in Franken und besonders auch in Staffelstein in Erscheinung trat.
Rätselhafte Agitatorin
1890 in Mexiko geboren, rührte sie bis 1924 die Werbetrommel für die NSDAP, besonders im Maindreieck. "Schlank, gutaussehend, mit einem Gummimantel bekleidet, auf dem Kopf einen Hut in Form eines Stahlhelms, (...) zog sie die Zuhörer in ihren Bann, besonders junge Männer", so Dippold einen Menschen beschreibend, der bald wieder spurlos verschwand. Ihren Bezug zu Staffelstein nannte er auch: die Patenschaft des Sohnes von Amtsrichter Rudolf Zipperlein. Auch er lokal dunkel schillernd bei der Wegbereitung der Katastrophe. Mehr noch: An seiner Person demonstrierte Dippold die Abstufungen, welche die Siegermächte vornahmen, um den Grad der Schuld der Deutschen zu bestimmen. Eben jener Zipperlein galt nach 1945 als "Belasteter". Und: "Darüber gab es nur noch die Hauptschuldigen."
Saalschlachten in Schney 1929 bei einer Gauleiter-Rede, kirchliche Attacken gegen Nationalsozialisten, kirchliches Einverständnis zu Nationalsozialisten, die Lage der SPD am Vorabend der Machtergreifung und manch lokaler Steigbügelhalter dazu - Dippold zeichnete gut nachvollziehbar das Bild einer auch am Obermain bewegten Zeit, in der sich Menschen dem Kommenden dienlich machten oder sich entgegenstellten. Dabei sollte sich herausstellen, dass es nicht selten geachtete und gläubige Bürger waren, die der NSDAP am Obermain zum Durchbruch verhalfen. Das Interesse am Thema war hoch, was sich nicht nur durch die Anzahl der Gekommenen zeigte. Auch das Bedürfnis, noch Fragen an den Bezirksheimatpfleger zu richten, war hoch. Dann ging ein erschöpfender Abend zu Ende.