Altenkunstadter Radsportler Janorschke zieht Bilanz

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Bei der "Deutschen" in Baunatal stand Grischa Janorschke (links) vor einem großen Coup, als er mit Tony Martin (Team Omega Pharma Quickstep) kurz vor Ende in Führung lag. Doch die beiden wurden noch vom Feld geschluckt, sodass nichts aus dem möglichen Sieg wurde. Foto: H. A. Roth
Bei der "Deutschen" in Baunatal stand Grischa Janorschke (links) vor einem großen Coup, als er mit Tony Martin (Team Omega Pharma Quickstep) kurz vor Ende in Führung lag. Doch die beiden wurden noch vom Feld geschluckt, sodass nichts aus dem möglichen Sieg wurde.  Foto: H. A. Roth

Der Altenkunstadter Radprofi Grischa Janorschke redet über die vergangene Saison, seinen neuen Blick auf Erfolge, seine Gesundheit, die Rennerfahrung als 27-Jähriger und über seine und die Zukunft des Radsports in Deutschland.

Die Erleichterung ist in seinen Worten förmlich zu spüren. Eine Saison ohne große Verletzung oder Operation - daran kann sich Grischa Janorschke nach Jahren mit vielen Stürzen fast gar nicht mehr erinnern.

Und auch mit seinen Resultaten ist der 27-Jährige aus Altenkunstadt sehr zufrieden. Mit dem Wechsel zu einem österreichischen Rennstall, dem Team Vorarlberg, hat Janorschke zur Saison 2014 neues Terrain betreten. In seinen bisherigen sieben Jahren als Profi trat er stets für deutsche Teams in die Pedale.

Doch nach der Auflösung der Kontinental-Mannschaft Nutrixxion-Abus musste eine Lösung her. "Die Rahmenbedingungen beim Team Vorarlberg sind professionell und das Rennprogramm sehr gut", lobt der Oberfranke die Österreicher um Teamchef Thomas Kofler.
Dass die Vorarlberger als drittklassiges Kontinental-Team nicht bei den ganz großen Rennen am Start sind, ist klar, doch Einladungen zu Rennen der ersten Kategorie wie in Berlin, der China-Rundfahrt, dem Münsterland-Giro oder vergangene Woche bei Paris-Bourges zeugen davon, dass die Equipe einen guten Namen hat.

Teamchef schätzt Erfahrung

Hinzu kommt eine gute Mischung der Fahrer, die aus Österreich, der Schweiz, Frankreich und eben Deutschland kommen. An seinem deutschen Fahrer Grischa Janorschke schätzt Teamchef Kofler vor allem seine Erfahrung. "Grischa kann die jungen Fahrer gut führen und hat Vorbildcharakter. Er ist ein Meinungsbilder - einfach ein Supertyp. Wir wollten ihn unbedingt halten und haben früh mit ihm verlängert. Er hat mit Fabian Schnaidt ein super Sprintduo gebildet, das wir nächstes Jahr wieder ins Rennen schicken wollen."

Janorschke kann sich nach sieben Jahren Erfahrung bei internationalen Rennen und einem Jahr beim Pro-Kontinental-Team Net-App, das in diesem Jahr sogar bei der Tour de France am Start war, ganz gut selbst einschätzen. "Ich bin mit der Vorgeschichte der letzten drei Jahre viel ruhiger geworden. Bei mir hat ein Umdenken eingesetzt. In diesem Jahr habe ich oft für meinen Teamkollegen Fabian Schnaidt den Sprint angezogen und für die Mannschaft gearbeitet. Das Jahr zuvor war ich bei Nutrixxion fast alleine für die Platzierungen verantwortlich. Ich bin ein Fahrer, der einen recht langen Sprint fahren kann, habe aber keinen so brutalen Kickdown wie Fabian. Insoweit haben wir uns gut ergänzt", analysiert Janorschke, der Schnaidt von seinem Hinterrad zu fünf Siegen geführt hat.

"Auch wenn mein Name dann nicht vorn in der Siegerliste steht, ist es dann doch ein Erfolg von mir und eine Bestätigung für mich, wenn wir die großen Teams ärgern können." Ein großes Plus sieht der 27-Jährige in der Erfahrung. Bei einem Massensprint wisse er nun, wie die anderen Fahrer ticken. "Über die Jahre weiß ich, was der und der Fahrer in einem meist sehr chaotischen Finale so macht, und gehe ganz anders an die Sache ran als ein Neuling."

Janorschkes Verdienste für das Team wurden bereits im August honoriert. Nicht nur mit dem Etappensieg bei der Tour of China, sondern auch mit der Vertragsunterzeichnung für das Jahr 2015 kurz zuvor. "Ich habe so früh wie noch nie einen Vertrag für das Folgejahr unterschrieben. Das sehe ich auch als Wertschätzung für den Job, den ich zuvor für Fabian Schnaidt gemacht habe."

Fluchtaktionen erregen Aufsehen

Mit Fluchtaktionen machte Janorschke auch bei großen Rennen immer wieder auf sich und das Team Vorarlberg aufmerksam. So etwa bei der deutschen Meisterschaft, als der Altenkunstadter lange in einer Fluchtgruppe war, ehe der mehrfache Zeitfahrweltmeister Tony Martin nach vorn fuhr und die Gruppe zerlegte. Nur Janorschke bekam er nicht los. Dass das Duo kurz vor Schluss noch vom Feld geschluckt wurde, war bitter.

Eine ähnliche Aktion gelang Janorschke auch beim Münsterland-Giro am 3. Oktober. "Natürlich geht es immer ums Gewinnen. Wenn man mit Greipel, Kittel und Degenkolb am Start steht und die kommen mit dem Hauptfeld ans Ziel, dann weiß die ganze Welt, einer der drei gewinnt. Bei der Tour mischen ein, zwei andere noch mit, doch bei Eintagesrennen ohne große Berge kann ich mithalten. Natürlich könnte ich hinten im Feld sitzen bleiben, doch mit Fluchtaktionen habe ich mir inzwischen einen Namen und Werbung für mein Team gemacht, damit wir Einladungen zu großen Rennen bekommen. Hier sehe ich meine Chance. Vielleicht klappt's irgendwann und ich komm' durch, so wie letzte Woche ein relativ unbekannter Belgier, der Paris - Tours gewann. Ich probiere es jedenfalls immer wieder und prügle ein aufs Glück und deshalb schaffe ich es auch öfters, wegzukommen. Manchmal probiert man es zehnmal in einem Rennen, manchmal funktioniert es beim ersten Mal wie bei der ,Deutschen'."

Pro-Tour-Team hat angeklopft

Wegen seiner Leistungsfähigkeit und Angriffslust hat Janorschke im Sommer sogar einen Anruf eines Pro-Tour-Teams erhalten, das sich seine Dienste als Sprint-Anfahrer sichern wollte. Doch die Verpflichtung des Sprinters zerschlug sich und damit war auch der Sprung für Janorschke ins große Geschäft passé. Der Franke gibt aber nicht auf und hofft weiterhin, als Helfer mit Erfahrung in der Karriereleiter weiter nach oben zu klettern, zumal sich der Ruf des Radsports in Deutschland verbessert hat. Mit dem Shampoo-Hersteller Alpecin unterstützt seit langer Zeit wieder einmal ein deutscher Sponsor ein Profitteam.

Damit steigen auch wieder die Chancen, als deutscher Helfer in einem Team unterzukommen. "Bei einem Team in Belgien, Holland oder Frankreich werden die Helfer natürlich auch nach lokalen Aspekten verpflichtet. Als Deutscher dort unterkommen ist doppelt schwierig, sodass ich hoffe, dass es wieder einmal ein deutsches Profiteam gibt. Dass Greipel Kapitän einer belgischen Mannschaft ist, ist schon die absolute Ausnahme", kann Janorschke seine Chancen realistisch einschätzen. Dass er nun schon auf dem Zettel einiger Entscheider steht, stimmt den 27-Jährigen hoffnungsfroh, dass sich für ihn nach Jahren des Wartens noch einmal ein Türchen bei einem großen Team öffnet.

Gedanken, mit dem Radsport aufzuhören, einem "normalen" Beruf nachzugehen und ein normales Leben zu führen, hatte der Altenkunstadter auch. Zurzeit schreibt er seine Bachelor-Arbeit an der Hochschule Ansbach für internationales Management und ist neben dem Radsport noch für den Nahrungsergänzungsmittelhersteller Nutrixxion in Süddeutschland und Österreich unterwegs. "Das ergänzt sich gut, wenn ich zum Treffpunkt in Vorarlberg oder München fahre."

Abhängig vom Radsport ist Janorschke jedenfalls nicht und legt auch Wert darauf, ein zweites Standbein zu haben, denn "im Kontinental-Bereich gibt es in Deutschland keine Mannschaft, die finanziell über die Runden kommt". "Junge Fahrer leben einen Traum, trainieren wie verrückt, um im Profigeschäft unterzukommen. Über diesen Punkt bin ich zum Glück schon ziemlich lange hinaus. Klar sehe ich mich als Profi und muss mich finanzieren, nicht nur um eine Rechtfertigung für mich zu haben. Nur wegen des Geldes kann man Sport und besonders den Radsport allerdings nicht betreiben", weiß Janorschke.

Druck aus seinem direktem Umfeld, ob Familie oder Freundin, bekommt der Radprofi nicht. "Die fiebern von zu Hause immer noch voll mit und freuen sich, wenn ich gesund zurück komme. Doch den Spruch, ,Bub, mach mal was Gscheit's', den habe ich noch nicht gehört." Der 27-Jährige, so betont er, betreibt den Sport immer noch aus eigenem Antrieb. "Wenn dich dein Umfeld unterstützt und du solche Rennen wie bei der deutschen Meisterschaft ablieferst, ist das Motivation genug."

Das Ansehen des Radsports ist in Deutschland auch angesichts der nachlassenden Dopingfälle wieder gestiegen. Der Altenkunstadter weiß, dass es im Hochleistungssport nirgends sauber zugeht. Durch die ständigen Kontrollen im Radsport, so der 27-Jährige, habe man aber schon gesehen, dass es sauberer wird. Ein Indiz ist es etwa, dass die Fahrer die Berge bei einer Tour de France in den letzten Jahren nicht mehr so schnell hochfahren, wie die, die sie vor zehn, 15 Jahren erklommen haben, obwohl das Material besser geworden ist.

Nahrungsergänzungsmittel werden nur aus europäischer Produktion verwendet. "Der Sportler, der ein Produkt aus Amerika oder Asien zu sich nimmt, ist dämlich. Im Bayerischen Radsportverband wird schon den 15-Jährigen gesagt, nimm das nicht, wenn du nicht weißt, was drin ist. Als Spitzensportler ist man dafür sensibilisiert. Wenn ich nach Asien fahre, weiß ich, dass ich dort Fleisch nicht essen kann, weil Clenbuterol in der Kälbermast verwendet wird. Wir nehmen uns zum Beispiel Thunfisch-Konserven mit und essen die."

Den Fall der Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle kann Janorschke nicht verstehen. "Unglaublich. Dummheit muss bestraft werden", sagt der Radsportler dazu nur.