Es geht nicht nur um den Effekt, es geht darum, was dahinter steht. Rüdiger Hackenberg gibt Kurse zum Thema Hypnose. Und trifft dabei oft auf falsche Vorstellungen der Teilnehmer.
Die meisten Menschen glauben, eine ungefähre Vorstellung von Hypnose zu besitzen. Manche bringen mit ihr sogar Scientology in Verbindung, wie Rüdiger Hackenberg erzählt. Er nennt sich als Show-Hypnotiseur auch Garry Moon und betreibt im Ortsteil Unterwallenstadt ein Hypnose-Ausbildungscenter. So kommt's, dass sich Anwohner zu ihm verlaufen. Aus Neugierde und eben auch mit völlig falschen Vorstellungen.
Adam ist 36 Jahre alt und glaubt nicht an Engel. Er ist kein "Esoteriker". Er glaubt nur an das, was man sehen kann. An Hypnose glaubt er schon, die Erfolge seien unbestreitbar. Neben ihm sitzt Gabriela aus Hamburg, eine diplomierte Kommunikationswirtin. Ihr gegenüber sitzt ein Webseitengestalter und links von diesem eine langjährige Intensivschwester aus dem Odenwald. Eine Dame aus Lübeck ist auch noch da und ein Mann, der Führungskräfte in Unternehmen darin schult, zu wissen was sie wollen und wohin sie wollen.
Jeder der Seminaristen hat seinen Grund hier zu sein. Auf dem Stundenplan: Tiefenkommunikation und die damit verbundene Frage: Wie teile ich jemandem mit, was ich von ihm will oder erwarte, wenn dieser Jemand absolut nicht auf meiner Wellenlänge liegt?
Das klingt mehr nach Psychologie und Rhetorik und weniger nach Hypnose. Genau, würde Hackenberg sagen. Hypnose sei mehr als nur Show-Hypnose, bei der wer in Trance wegkippt, weil vor ihm ein Pendel wackelt. "Der Mensch begibt sich täglich (selbst) mehrmals in Hypnose", erklärt der 47-Jährige die seiner Ansicht nach missverständliche Natürlichkeit von hypnotischen Momenten. Ein Beispiel: Ein Mensch sitzt behaglich am Feuer, lauscht dem Knistern und sein Blick geht in die Ferne. Zweifelsfrei "ein hypnotischer Zustand", so Hackenberg. Er trete auch dann ein, wenn man die Kühlschranktür öffnet und die vor einem stehende Milch glatt übersieht. Ein Klassiker.
Hackenberg ist deutschlandweit unterwegs. Als Show-Hypnotiseur und auch als jemand, der Seminare anbietet, Phobien oder Unarten angeht. Flugangst, Klaustrophobie, Tabaksucht u. a. Beim Versuch, Hypnose zu erklären, lautet seine Formel: Umgehung des kritischen Faktors und Etablieren von akzeptierendem, selektivem Denken, eine Technik zum Herbeiführen eines Trancezustands.
Ein Hypnotiseur kann Menschen nahe kommen, es besteht ein Vertrauensverhältnis seitens des Hypnotisierten, der sich dem Hypnotiseur überlässt. Der muss, wie ein Arzt, schweigen können. Das gebietet die Schicklichkeit, aber zertifizierbar sind Hypnotiseure an manchen Fachinstituten auch. Beispielsweise bei dem Verein, der von Rüdiger Hackenberg gegründet wurde: Fachinstitut für angewandte Hypnose e.V. Zweck des e.V.
ist laut Satzung die Information über Möglichkeiten und Gefahren von Hypnose.
Neben dem vielen Stoff zum Thema selbst, hat sich Hackenberg auch psychologischen Lehrgängen unterzogen. Zu Bereichen wie Psychopathologische Symptome, Anamneseerhebung, Affektive Störungen, Neurosen, Somatoforme Störungen, Gesetzeskunde, Dissoziative Störungen oder Aufbau und Funktion des Nervensystems. "Ich sehe die Akzeptanz für Hypnose ständig wachsen", meint er. Der Eindruck vermittelt sich auch, wenn man Webseiten von Hypnoseverbänden besucht. Beispielsweise die der DGAHT (Deutsche Gesellschaft für ärztliche Hypnose und autogenes Training).
Tiefenkommunikation, anwendbar im Alltag Grundbedingung dieser Gesellschaft für einen Beitritt scheint eine wissenschaftliche Ausrichtung zu sein und wer sich die Mühe macht, die Mitgliederseite zu durchforsten, stellt
fest, dass 40 Prozent der Aufgelisteten aus reinen Medizinern besteht. Die restlichen 60 Prozent sind Psychologen und Therapeuten.
Einer der Mediziner, die in Deutschland eine Vorreiterrolle beim Brechen der Lanze für Hypnose gespielt haben dürften, ist Dirk Hermes, Professor mit zweifachem Doktortitel in Bad Schwartau. Als erster Mediziner führte er an einer Hochschule eine Hypnosesprechstunde ein. "Meine Erfahrungen sind gut, Hypnose bietet ein gutes zusätzliches Verfahren an, um Behandlungskomfort deutlich zu erhöhen und Behandlungen angstfrei über sich ergehen zu lassen", so der Mann gegenüber dem FT. In seiner Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie wende er Hypnose bei seinen Patienten an.
Aber was sagt ein anderer Schulmediziner dazu? Hypnose ohne medizinische Befähigung - Herbert Mädl, Oberarzt am Klinikum in Kulmbach, ist skeptisch.
Bei einigen klar definierten Erkrankungsformen sei die Hypnose eine anerkannte Therapie, die dann aber von Psychiatern und Psychotherapeuten angewandt werde. Medizinischen Laien, die sich in der alternativen Heil methode versuchen, stehe die Schulmedizin kritisch gegenüber. Diese würden auch nur "Befindlichkeiten" therapieren. Mädl dazu: "Bei Patienten hilft da auch schon oft ein beruhigendes Wort."Mit medizinischer Hypnose hat Hackenberg nichts zu tun. Ihm geht es mehr um die Ausbildung von Hypnotiseuren und darum, aus seiner Warte heraus psychologische Zusammenhänge zu erklären. Sein Ausbildungscenter sei, so schätzt er, eine von fünf solchen Stätten deutschlandweit.
Das bringt mit sich, dass Interessenten quer durch die Republik fahren, um sich einzubuchen. So wie Ursula Kohlmann aus dem Odenwald, früher Krankenschwester auf Intensivstation, jetzt Heilpraktikerin.
Sie möchte lernen, mit welcher Sprache, welchen sprachlichen Bildern sie die Klienten erreicht, die so anders gestrickt sind als sie selbst. "Hypnose ist das Schaffen von Akzeptanz", das geht auch durch den Gebrauch von Wörtern, die unmerklich etwas bekräftigen. Ganz ohne das klischeehafte Pendel. An diesem Tag geht es um Tiefenkommunikation, anwendbar im Alltag. Dabei fällt auf, dass Wert auf konkrete Sprache gelegt wird. Begriffe wie "eigentlich" oder "man sollte doch" werden von Moon sofort hinterfragt.
Das Schaffen von Akzeptanz für ihr berufliches Fortkommen sucht auch Eva aus Lübeck, Sozialpädagogin und im Personalmanagement lange tätige Betriebswirtin. Im Falle ihrer Seminarteilnahme geht es um Aspekte zur Mitarbeiterführung, aber auch um Entspannung und den Gewinn neuer Blickwinkel. Der Hypnosezustand "öffnet Schleusen, er schafft einen wirklich anderen Zugang, Probleme durch einen Entspannungszustand zu lösen", sagt sie. Ihr Anreiseweg betrug 560 Kilometer.