Mit einer Modell- und Lehrpraxis sollen junge Mediziner aufs Land gelockt werden. Zuerst sind aber die bereits niedergelassenen Kollegen gefragt.
Immer weniger junge Ärzte lassen sich auf dem Land nieder. Die bereits angesiedelten Ärzte gehen langsam aber sicher in Rente - woraufhin die Praxen geschlossen werden, weil Nachfolger fehlen. Das Patientenaufkommen steigt im Umkehrschluss stetig an.
Thomas Kühlein, Allgemeinmediziner und Leiter des Instituts Allgemeinmedizin an der Universität Erlangen, vergleicht die aktuelle Situation der Hausärzte "wie Boris Becker am Netz mit einer wild gewordenen Ballwerfmaschine." Man hoffe, alles abzufangen, habe aber kein konkretes Ziel mehr und wisse auch gar nicht genau, was einem durch die Lappen geht. Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (CSU) warf im Landratsamt Lichtenfels daher zu Recht die Fragen auf: "Wie geht es mit unserer medizinischen Versorgung weiter? Wie kann man sich eine Praxis der Zukunft vorstellen?"
Vision der Modell- und Lehrpraxis
Thomas Kühlein präsentierte den geladenen Ärzten und Politikern seine Lösung: Eine Modell- und Lehrpraxis. Junge Ärzte sollen in einer Praxis im Landkreis unter Aufsicht eines Facharztes arbeiten und gemeinsam neue Möglichkeiten der Versorgung entwickeln. "Wir müssen jetzt nicht nur den Landarzt retten, sondern haben auch die Chance, neue Modelle zu entwickeln", erklärt er. Denn: "Der Arztmangel ist völlig unvermeidlich - der Zug ist längst abgefahren." Allerdings könne man die Arbeitskraft effizienter einsetzen. Und bestenfalls gefällt es dem Nachwuchs auf dem Land so sehr, dass er sich freiwillig in der Region niederlässt.
Er selbst arbeitete zehn Jahre lang in einer Gemeinschaftspraxis in Bad Staffelstein und kennt die Vorurteile. "Ich wurde damals häufig gefragt, wie ich es denn so weit draußen auf dem Land aushalte." Dabei habe der Landkreis ja viele Einkaufsmöglichkeiten und eine sehr gute Infrastruktur zu bieten. Genau das müsse man dem Nachwuchs zeigen. Nur zu sagen, wie schön es auf dem Land ist, nütze nichts. "Wir müssen ihnen zeigen, dass wir uns um sie kümmern und hier etwas Neues gemacht wird." Er möchte zwischen Arztpraxis und Universität vermitteln und dafür sorgen, dass regelmäßig angehende Mediziner in die Region kommen. Das Interesse der Studenten sei da, erklärt er. Eine größere Herausforderung sehe er darin, niedergelassene Ärzte zu finden, die mitmachen.
Suche nach bereitwilligen Ärzten
Doch wie sieht so eine Praxis konkret aus? Diese Frage stellten sich einige der anwesenden Ärzte. Bisher stehe nur fest, dass die Lehr- und Modellpraxis mit einer effizienteren Software ausstattet wird, die eine genaue Dokumentation ermöglicht. Für eine konkrete Ausarbeitung brauche der Initiator einen Arzt oder eine Gemeinschaft "die bereit ist, ein solches Abenteuer einzugehen." Emmi Zeulner bestätigt dies: "Wie konkret eine solche Praxis gestaltet werden kann, steht noch offen. Wir brauchen zuerst einen Anker - und das ist so ein Arzt, der sich dafür bereitstellt."
Auf Bundestagsebene werden solche Ideen gefördert. "Die Politik begrüßt solche neuen Ideen und Modelle", erklärt die Bundestagsabgeordnete. 500 000 Euro für Personalkosten seien für das Projekt vorgesehen. Auch auf kommunaler Ebene würden Räumlichkeiten bereitgestellt werden. "Wir haben die Chance, dass uns die Städtebauförderung zur Verfügung steht", erklärt sie. Sie hat ein ganz bestimmtes Gebäude im Auge: Das Lichtenfelser Stadtmuseum. Die neue Praxis würde an prominenter Stelle stehen, was nicht nur den Studenten optisch zusage, sondern auch ein Aushängeschild für die Stadt wäre.
Das ganze Projekt steht und fällt mit der Zusage eines Arztes. Umso wichtig sei es, neue Lösungen gemeinsam zu finden. Zwar gebe es nicht die eine rettende Lösung, allerdings ist seine Vision der Schritt in die richtige Richtung: "Man darf nie aufhören, sich die Welt vorzustellen, wie sie am vernünftigsten wäre. Ob wir das erreichen, weiß ich nicht - aber wir können damit anfangen."