Manches, was Rita ihrem Enkel Steffen von früher erzählt, kann er sich gar nicht vorstellen. Ein Gespräch über die Frage, was das Alter über einen aussagt.
Enkel Steffen interviewt seine Oma Rita:
Was nervt dich am Älterwerden am meisten?
Dass ich nicht mehr so kann wie früher. Zum Beispiel Vorhänge aufhängen. Ich möchte noch genauso schnell sein wie früher. Das hab' ich auch noch drin, aber es geht einfach nicht mehr. Du willst es, aber du kannst nicht mehr.
Was war die schönste Zeit für dich?
Wie die Enkelkinder auf die Welt gekommen sind. Dann hab ich sie mit in die Kirche genommen und alle haben immer gesagt: "Der Bu' kann schön singen."
Wärst du gern nochmal jung?
Ja, ich würde vielleicht manches anders machen. Vielleicht wäre ich mit meinem Mann nach Frankfurt gezogen ... Heute würde man sagen: Wenn es uns nicht gefällt, kommen wir zurück. Heutzutage sind die mit 20 viel gescheiter.
Aber musstet ihr nicht viel früher erwachsen sein als wir heute?
Wir waren schon selbstständig. Ich habe einen Haushalt geführt, ich hab für vier Mannsbilder Hemden waschen und bügeln müssen. Ich hab auf jeden Fall genug gearbeitet in meinem Leben. Aber ich sag auch: Wenn ich jetzt nichts mehr arbeite, dann bin ich wirklich alt.
Worauf freust du dich im Alter?
Ich freue mich jetzt auf die Urenkela. Andere sind schon drei Mal Uroma. Ich hab' früher immer gesagt, wenn ich mal nicht mehr arbeite, dann schlafe ich bis Mittag. Aber noch kein einziges Mal hab ich solange geschlafen. Ich könnt nicht mal bis zehn Uhr schlafen, weil ich denke, dann ist ja schon der halbe Tag rum. Wenn man des so drin hat, auch mit der Arbeit, dann ist das so. Ich war des Arbeiten gewöhnt.
Musstet ihr nicht viel zu viel arbeiten?
Freilich, wir haben viel gearbeitet. Wenn man heimgekommen ist von der Arbeit, dann ging es im Haushalt weiter. Früher haben sie schwer gearbeitet, aber es war nicht so stressig wie heute. Wie viele Hemden ich umgenäht hab. Heiliges, da könnte man erzählen von früher ...
Was ist heute einfacher als früher?
Besser ist, dass man eine Waschmaschine hat. Hab' ich mich mit einem Haufen Wäsche geplagt. Wir mussten das Wasser in Eimern von dem Brunnen im Nachbarhof holen. Heute hat man eine Waschmaschine, Telefon, Staubsauger ...
Macht man sich im Alter noch Gedanken über das Aussehen?
Ja, schon. Meine Haare müssen immer schön sein.
Und wird man im Alter gelassener?
Ich bin ruhiger geworden. Wir haben früher viel gesungen, aber ich war immer nervös. Heute macht mir das nichts mehr aus.
Findest du, die Jugend heutzutage ist verwöhnt?
Schon. Gerade beim Essen. Wir haben jede Zwetschge unter dem Baum aufgelesen. Die jungen Leute heute würden da gar nicht mehr hingehen. Man hat nichts weggeschmissen. Aber was haben wir denn auch früher gehabt im Krieg? Vom Pfarrer oder Lehrer hat man manchmal vielleicht ein Plätzla bekommen oder ein Bonbon. Wer würde das heute noch machen?
Wie sehr hat dich der Krieg geprägt?
Ich war zwölf, als die Amis gekommen sind. Wir haben manchmal im Keller geschlafen, weil auf der anderen Straßenseite ein Panzer gestanden hat. Dann haben wir gebetet, dass sie nicht schießen. Und in Nürnberg waren wir einmal, als ein Luftangriff war ... (Anm. d. Red.: All die Geschichten, die jetzt folgen, würden einen eigenen Artikel füllen.)
Nervt es dich, von früher zu erzählen?
Nein, ich könnte den ganzen Tag von früher erzählen.
Und bei all den Erinnerungen, würdest du sagen, es lohnt sich, alt zu werden?
Wenn man gesund ist, dann lohnt es sich auf jeden Fall. Wenn ich so gesund bleibe, dann möchte ich schon 90 werden und noch zwei, drei mal Uroma ... Solange ich kann, mache ich auch!
Oma Rita interviewt ihren Enkel Steffen:Was nervt dich am Jungsein am meisten?
Eigentlich nervt mich nix.Ich finde das ein schönes Alter. Man hat noch alle Chancen, seine Träume zu erfüllen. Ich habe ja noch nicht so viele Lebensabschnitte zum Vergleich. Jetzt ist es auf jeden Fall schön.
Wie alt würdest du gerne werden?
Das kommt auf die Gesundheit und die körperliche Fitness an. Wenn ich mal so fit bleibe wie du, Oma, dann würde ich schon gerne alt werden.
Hast du Angst, alt zu werden?
Eigentlich nicht.
Was gefällt dir am Jungsein am besten? Freiheit?!
Wenn man gesund bleibt und so Gott will, hat man noch viel vor sich. Man darf träumen und kann sich überlegen, was man im Leben erreichen möchte und das anstreben ...vorausgesetzt, dass man gesund bleibt! Als man so 15 war, da waren aus der jugendlichen Sicht die 30-Jährigen die Alten. Jetzt fühlt man sich irgendwie gar nicht so alt.
Würdest du sagen, deine Generation wehrt sich gegen das Älterwerden?
Ich würde nicht von wehren sprechen. Ich glaube, dass es allgemein so ist, dass man von außen betrachtet - wenn man als junger Mensch zu älteren hoch schaut - sieht, die sind älter. Wenn man selbst in dem Lebensabschnitt angekommen ist, dann ist es einfach so. Wenn ich dich, Oma, so anschaue, finde ich es bewundernswert, wie du dich fit hältst, das ist eine Einstellungssache gegenüber dem Leben. Du lässt dich nicht hängen, sondern legst das Motto an den Tag: Jetzt erst recht.
Immer wieder fällt von Älteren der Ausspruch "früher war alles besser". Fällt dir dazu was ein?
Jetzt ist das Leben schnelllebig.
Gerade durch die neuen Kommunikationsmedien, man ist immer erreichbar, kann überall E-Mails lesen. Früher gab es ja nicht mal ein Telefon ... das alles gehört zur Entwicklung. Nur habe ich den Eindruck, dass es in meiner Generation extrem ist. Heute kann man es sich gar nicht mehr vorstellen, dass man ohne Handy das Haus verlässt. Aber: Wie haben das unsere Eltern, unsere Großeltern gemacht?! Ich glaube, dass man durch die Möglichkeiten heute viel mehr plant. Früher hat man öfter aus Erfahrung gehandelt, jetzt kann man vor jedem Restaurantbesuch recherchieren, wo es am besten schmeckt - man profitiert von ganz vielen Erfahrungen. Ich glaube, dadurch packt man mehr in einen Tag. Das war früher anders.
Wenn man älter wird, geht die Zeit schneller rum.
Ja, das merke ich. Erst dauert es gefühlt ewig, bis man mal erwachsen ist, aber wenn man dann mal die 20, die 25 erreicht hat, will man erst mal gar nicht älter werden, weil es ja gerade schön ist ... doch es geht umso schneller.
Früher hat man sich vor allem um seine Familie Sorgen gemacht. Da war der Krieg, der einem einen Strich durch die Lebensplanung hätte machen können ... Um was machst du dir Sorgen?
Man macht sich um das Weltgeschehen Sorgen. Vielleicht sogar mehr als früher, weil man mehr mitbekommt und gefühlt näher dran ist. Egal wo etwas passiert, man bekommt es mit. Es gibt immer noch so viele Kriege. So wie wir aufgewachsen sind, kann man es sich ja gar nicht mehr vorstellen, dass Krieg herrscht - obwohl so viel gar nicht fehlt. Das ist schon schockierend. Ich glaube, dass sich unsere Generation darüber viel mehr Gedanken macht, schlicht, weil man durch die Informationen gar nicht anders kann. Wir jammern oft auf einem hohen Niveau, wenn man sich die Welt anschaut. Wenn man sieht, wie in Syrien Familien bombardiert werden, fragt man sich manchmal, was habe ich eigentlich für Probleme?! Ich glaube, es ging uns noch nie besser. Vielleicht ist es aber auch gerade so: Je besser es einem geht, desto mehr Angst hat man davor, dass man fällt.
Hast du Vorstellungen fürs hohe Alter?
Ich hoffe, dass ich alt werde, es kann ja auch alles immer schnell vorbei sein. Aber ich würde mir schon wünschen, dass ich so alt wie du werde, dass ich auch mal Enkelkinder bekomme. Aber da mache ich mir im Detail keine Gedanken. Man weiß eh nicht, wie es kommt.
sd