Mit einer Zehner-Karte gehen die einen ins Schwimmbad oder fahren Bus. Johannes Steinböck ist Schwarzgurtträger und Meister im Teakwon-Do. Er mietet sich einen Gymnastiksaal - für sich alleine.
Zwölf Meter lang, sieben Meter breit. Die ganze Fläche des Raumes benötigt Johannes Steinböck nicht, aber er hat sie für sich alleine. Vor und zurück, zur Seite und hin und her braucht der Staffelsteiner doch ein paar Meter. Wenn der Taekwon-Do-Meister für eine Stunde an seinem reservierten Lieblingsplatz trainiert, nimmt er gleich zwei Rollen ein: er ist sein eigener Schüler und Lehrer.
Ein meterbreiter, meterhoher Spiegel, der Länge des Saals nach, erstreckt sich durch den Raum. Der selbständige Bad Staffelsteiner könnte seine Bewegungen in ihm verfolgen. Könnte. Aber er sieht durch ihn hindurch. Doch wer sagt ihm dann, ob seine Bewegungsabläufe korrekt waren? "Eine innere Schablone", sagt Steinböck. Er meint damit eine Intuition dafür, wann eine Bewegung richtig saß und wann nicht.
Es sind traditionelle Bewegunsabläufe, Figuren, wenn man so will, von denen der Traditionalist nicht abweichen möchte. Schwarzgurtträger ist der Mann sowieso. Das macht ihn wieder zum Schüler, denn "Mit dem schwarzen Gurt fängt das Taekwon-Do wieder an. Dann ist man Schüler bei den Meistern." Aber Meister ist Steinböck ja auch, er hat den 3. Dan. Meister und Schüler in einer Person, in einem Raum, in einer Stunde, einmal pro Woche in einem Saal eines Staffelsteiner Fitness-Studios. Alles scheint eins zu sein.
Stille statt lauter Musik Es ist still in dem Raum. Das ist nicht immer so. Eigentlich ist er für die Stille nicht direkt vorgesehen. Fitnessübungen zur Musik finden hier üblicherweise statt. Nicht wenn Steinböck da ist. Er ist dann alleine hier, Musik braucht er nicht und die Buchung des Ortes läuft über eine Zehnerkarte.
Hier im Alleinsein, sagt Steinböck, sei er disziplinierter als sonst in Bezug auf seine Trainingsziele. Er hält auch alle Respektsbezeugungen seines Sportes ein. Taekwon-Do ist koreanisch, dort hat die Verbeugung vor dem Gegner, dem Lehrer und dem Schüler eine Tradition.
Obwohl er alleine trainiert, hält der Mann an den höflichen Gepflogenheiten fest. Das hat etwas mit Respekt zu tun, sagt er und erklärt einen doppelten Respekt. "Ja, der Respekt vor sich selbst, und dann auch nicht vor dem Spiegelbild, aber vor der Kunst an sich."
Kampfsport als Kunstform Steinböck übt, lebt und erfährt an diesem Ort Respekt vor sich selbst, denn er ist es sich schuldig, seine eigene Beweglichkeit, seine Fitness, sein Können zu erhalten und zu schulen.
"Es ist ja nicht selbstverständlich, dass man sich auf dem Niveau so bewegen kann, ich will das nicht aus Nachlässigkeit schleifen lassen." Bleibt noch der Respekt vor dem Taekwon-Do. Diesen Kampfsport erachtet er als Kunstform. Seine Verbeugung gilt der Kunst.
Hyong. Hyong heißt das Vorgehen gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner, mittels der erlernten Bewegungsabläufe. Hyong steht am Ende des Trainings.
Nein, Gesichter, so sagt Steinböck, hätten seine imaginären Gegner keine. Ein ganz wertfreies Nein. Die Stunde ist vorüber, der Geist "tankt auf, der Körper lässt Kraft". Kraft, die der Bad Staffelsteiner von seinem Lieblingsplatz ins Wochenende mitnimmt. Für die Familie, für seine Kinder.