Im Maintal sind derzeit wieder Archäologen im Einsatz. Was sie finden, liefert Erkenntnisse über die Kultur der Menschen vor tausenden von Jahren.
Es wird wieder gegraben im Maintal. Wie schon vor Monaten bei der Großbaustelle von Concept Laser nahe der Autobahn in Seubelsdorf verrichten auch jetzt in Reundorf Archäologen mühevolle Arbeit im Untergrund. Was gefunden wird, gehört übrigens dem Grundstücksbesitzer, wie der zuständige Gebietsleiter des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Andreas Büttner, erläutert. Das ist eine Sonderregelung in Bayern. In allen anderen Bundesländern gehen archäologische Funde automatisch in das Eigentum des Staates über. Doch auch im Freistaat wird Grabungsmaterial zumeist überlassen, denn: "Als Grundstückseigentümer hat man nicht wirklich etwas davon", sagt Büttner. Die Funde haben in aller Regel keinen materiellen Wert. Und es bestehe die Verpflichtung zu sachgerechter Lagerung und Zurverfügungstellung für Untersuchungen. Viele Kisten mit Scherben und Kleinkram - "für den Laien ist das nichts". Dieses Material habe nur eine wissenschaftliche Bedeutung. Grabungsergebnisse aus ganz Ober- und Unterfranken sind im Hochregallager des Landesamtes in Schloss Seehof deponiert. Wie mit denen aus Seubelsdorf verfahren wird, werden die in naher Zukunft geplanten Gespräche zeigen.
Entnervte wie Begeisterte
Weil ein Glockenbecher Geschichte erzählen kann, lässt das Amt schöne Stücke restaurieren - "um die Akzeptanz der Bodendenkmalpflege und Archäologie zu erhöhen", wie Büttner erläutert.
Die Wenigsten haben einen Bezug zu diesem Thema, das erlebt der Experte immer wieder. Aber Grabungen sind nichts Seltenes. Im Moment laufen über 40 in Ober- und Unterfranken. Wo sich Bodendenkmäler befinden, sei bekannt und öffentlich einsehbar, sagt Büttner. Das könne jeder für sein Grundstück binnen Sekunden im Internet tun. Je früher man als Betroffener bei einem Bauvorhaben mit dem Landesamt ins Gespräch kommt, desto weniger Probleme gibt es beim Ablauf, weil die Archäologie schon abgearbeitet sei, bis der rechtsgültige Bebauungsplan vorliegt. Trotzdem erlebt der Referatsleiter manche Bauherren entnervt. Andere dagegen lassen sich begeistern und wollen sogar mitmachen. In Seubelsdorf habe sich eine ganze Reihe interessierter Bürger bei den Grabungsarbeiten umgeschaut - obwohl das aus verständlichen Gründen nicht groß publik gemacht wurde.
Bei Concept Laser gab es wegen des straffen Zeitplans für den Neubau natürlich einen enormen Druck, den die Denkmalpfleger auch gespürt haben. Büttner zeigt Verständnis: "Da geht es um viele Arbeitsplätze, da ist die Politik sehr dahinterher." Hand in Hand hätten alle zusammengearbeitet, um den Baufortschritt nicht zu verzögern.
In Reundorf, wo das neue Baugebiet "Maintal" erschlossen werden soll, ist derzeit wieder die selbe Grabungsfirma tätig. "Das ist eigentlich das gleiche Bodendenkmal, das sich dort fortsetzt", erklärt Büttner, "das bedeutendste urnenfelderzeitliche Gräberfeld in Oberfranken". Schon in den 1980er-Jahren und 2002/03 im Rahmen des Autobahnbaues gab es Grabungen. Und über die Auswertung eine Buchveröffentlichung, ein Geschichtsdokument für Lichtenfels und Bad Staffelstein.
Die Erkenntnis, dass es zusätzlich zu diesem bereits bekannten "Gräberfeld Grundfeld" weitere Bestattungsstätten im näheren Bereich gibt, ist für Andreas Büttner "sehr, sehr spannend".
Die Erforschung stehe hier noch am Anfang. Auffällig ist, dass die Gräber in Gruppen angelegt wurden - möglicherweise nach Familienclans. Dazwischen lagen durchaus mehrere hundert Meter. "Da sind noch viele Fragen offen." Auch wenn es sich bei den Funden also um eher unansehnliches Material handelt, birgt es für den Experten doch ein Aha-Erlebnis. Anhand der daraus resultierenden Dokumentationen können noch Jahre später Auswertungen erfolgen. Im Grunde geht es um Geschichtsschreibung. Weil es aus jener Zeit keine Schrift gibt, könne nur die Archäologie Beiträge liefern. Die Schlüsse, die man beispielsweise aus alten Tonscherben ziehen kann, sind wertvoller als das Objekt selbst: Kultur verbreitete sich durch ständige Zuflüsse und Veränderungen in der Bevölkerung - durch Einwanderer.
Wann war das?2005: Buchveröffentlichung von Markus Ullrich: "Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Grundfeld/Reundorf, Landkreis Lichtenfels, Oberfranken", Verlag Michael Lassleben
Juli 2017-Januar 2018: Grabungsarbeiten in Lichtenfels-Seubelsdorf auf dem Areal, auf dem Concept Laser/GE seinen 3-D-Campus errichtet.
Urnenfelderzeit: ungefähr 1200 bis 800 v. Chr. In der Region Beginn der Siedlungstätigkeit auf dem Staffelberg.
Bronzezeit: in Mitteleuropa etwa von 2200 bis 800 v. Chr.
Glockenbecher: Keramikgefäß, das für eine Kultur in weiten Teilen Europas vom Übergang der Jungsteinzeit zur Bronzezeit (etwa 2600 bis 2200 vor Christus) steht.