Im Frauenhaus geht es beengt zu

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Das Frauenhaus ist Zufluchtsort für Frauen, denen Gewalt widerfahren ist. Die Mitarbeiterinnen, hier Natalie Mozzo, zeigen Wege auf. Foto: Frauenhaus Coburg
Das Frauenhaus ist Zufluchtsort für Frauen, denen Gewalt widerfahren ist. Die Mitarbeiterinnen, hier Natalie Mozzo, zeigen Wege auf. Foto: Frauenhaus Coburg

Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses Coburg gibt Einblicke in den Alltag der Einrichtung, die auch für den Landkreis Lichtenfels da ist.

Das Frauenhaus ist ein Zufluchtsort, doch es stößt an seine Grenzen. Im Sommer hat Natalie Mozzo, Sozialpädagogin aus dem Mitarbeiterinnenteam, den Coburger Sozialsenat mit der Überbelegung des Frauenhauses konfrontiert. Wir sprachen mit ihr. Wie ist die Situation heute?Natalie Mozzo: Gerade sind vier Frauen mit sieben Kindern da. Wir hätten also sogar noch etwas frei, aber das kann sich täglich ändern. Im Durchschnitt haben wir jedes Jahr 40 Frauen und 40 Kinder hier. Immer wieder mal verzeichnen wir für einzelne Monate eine Voll- bis Überbelegung. Wie sieht es in anderen Häusern aus, beispielsweise in Bamberg?Genauso schlecht. Es ist selten, dass ein Platz in nächster Nähe zur Verfügung steht. Dabei sah es bei uns vor allem im Vergleich zu Ballungsräumen immer noch besser aus, so dass sogar Frauen aus Nürnberg oder München an uns verwiesen wurden. Wie können Sie Frauen weiterhelfen, wenn bei Ihnen voll ist?Wir verweisen an Häuser, die unserer Auskunft nach Platz hätten. Aber das ist so schwierig! Es ist auch nicht dienlich, einer Frau, die hier ihr soziales Umfeld hat, das sie unterstützen könnte, einen Platz in Rosenheim anzubieten. Sind die Häuser vernetzt?Ja. Seit neuestem haben wir online Zugriff darauf, zu sehen, wo ein Platz ist. Es handelt sich um ein Ampel-System. In der Regel ist da aber alles rot. Sie haben in Ihrem Bericht dargelegt, dass die Situation im Frauenhaus durch die Lage auf dem Wohnungsmarkt verschärft wird. Richtig. Früher war es lang, wenn jemand ein halbes Jahr bei uns war. Inzwischen haben wir mehrere Frauen schon seit fast einem ganzen Jahr hier. Das ist für unsere Klientinnen total frustrierend. Sie kommen einfach nicht zu einer Wohnung - weder auf dem freien Markt, noch über die Wohnbaugesellschaften. Vor allem in den Stadtgebieten, egal ob Coburg, Kronach oder Lichtenfels, ist es schwierig. Manche Vermieter legen direkt wieder auf, wenn sie hören: alleinstehend, Kind, Hartz IV. Treten Sie da als Fürsprecher auf? Wir klappern alle Wohnbaugesellschaften ab, füllen Anträge samt Einkommensnachweis aus, schauen auf den etablierten Onlineportalen nach und gucken die Zeitung durch. Aber es ist sehr mühselig. Die Vermieter können auswählen, und das ist in der Regel zum Nachteil unserer Frauen. Welche Alternative gibt es, wenn das Frauenhaus voll ist?Seit ein paar Jahren gibt es ja das sogenannte Gewaltschutzgesetz, das bedeutet, ganz salopp: Der, der schlägt, muss gehen - egal wer die Wohnung bezahlt oder im Mietvertrag steht. Man kann beim zuständigen Amtsgericht einen Beschluss über ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirken. Das geht im Eilverfahren. Der Haken ist, dass man da natürlich in der Beweispflicht ist. Und oftmals sprechen wir hier von psychischer Gewalt: beschimpfen, bedrohen, beleidigen. Oder von Übergriffen, wo am Ende Aussage gegen Aussage steht. Manche Frauen wollen auch nicht in der Wohnung bleiben, weil sie wissen, dass sie dort keinen Frieden finden werden. Weil zum Beispiel Angehörige oder Freunde des Mannes im Haus oder in der Nachbarschaft wohnen. Und es gibt auch den Fall, dass sich ein Mann schlicht und einfach nicht an das Kontaktverbot hält und der Frau auflauert. Dann muss man auf Abstand gehen und Distanz schaffen. Wie kommen Frauen zu Ihnen?Der einzige Weg ist ein Anruf unter der Telefonnummer 09561/861796. Es kommt vor, dass sich andere Stellen melden, etwa das Jugendamt, wenn die Situation für die Kinder nicht mehr tragbar ist. Manchmal auch die Migrationsberatung, weil Frauen, die kein Deutsch sprechen, sich dorthin wenden. Es ist ganz verschieden, aber in der Regel melden sie sich selbst. Es gibt auch den Einsatz mit Blaulicht und Polizei, wenn es einen akuten Übergriff gab. Dann stehen die Frauen mit nichts da, mit dem was sie am Leib tragen und drei Kindern. Und wir müssen sehen, wie wir an Dokumente, Kleidung oder Schulsachen kommen. Das machen wir nur mit der Polizei zusammen. Kommt es da erneut zu Eskalationen?In der Regel nicht. Es läuft so, dass die Polizeibeamten klingeln, den Mann darüber informieren, dass die Frau jetzt gerne wichtige Dinge herausholen würde, dass er bitte keinen Stress machen und mit ihnen an der Wohnungstür warten soll. Die Frau hat dann eine Viertelstunde, um das Wichtigste für sich und die Kinder zusammenzupacken. Über den Privatklageweg wäre es auch möglich, aber das ist langwierig. Gibt es auch Frauen, die aus dem Frauenhaus zurückgehen zu ihrem Partner?Ja, die gibt's. Aus verschiedenen Gründen. Die einen, weil sie's noch mal probieren wollen. Manchmal bleiben wir noch in Kontakt. Von anderen hören wir nie mehr etwas. Einige kommen auch wieder. Es gibt Frauen, die sich durch äußere Umstände verpflichtet fühlen, zurückzugehen. Oder Frauen, die sagen, ich kann dem Kind den Papa nicht wegnehmen, das halte ich nicht aus, es fragt ständig nach ihm. Jeder Fall ist anders. Wie ist denn die Altersstruktur?Zwischen 18 und 70 Jahren. Zu uns kommen auch immer wieder mal Rentnerinnen. Manchmal kommen sehr junge Frauen, die vor den Eltern flüchten, manchmal alte Frauen, die vor den eigenen Kindern flüchten. Wir hatten auch schon Frauen, da ging die Bedrohung von einem Nachbarn im selben Wohnhaus aus. Die breite Masse sind aber die, die vorm Partner flüchten. Ist im Frauenhaus immer jemand aus Ihrem Team vor Ort?Nein, wir sind kein Heim, die Frauen leben hier, wie in einer eigenen Wohnung. Sie müssen dafür auch etwas bezahlen, waschen, einkaufen und kochen selbst. Wir haben unser Büro neben dem Wohnzimmer der Frauen und stehen dort werktags als Ansprechpartner zur Verfügung. Wir wollen keine Betreuer sein, denn es ist oftmals für die Frauen die erste Chance, unabhängig zu leben. Manche eröffnen mit über vierzig das erste Mal ein eigenes Konto. Wir unterstützen in vielerlei Hinsicht. Was wir machen, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Die offizielle Adresse des Frauenhauses ist eine Postfachadresse. Sie dürfen selbst einer Freundin nicht erzählen, wo sich Ihre Arbeitsstelle befindet? Es passiert mir oft, wenn ich sage, ich arbeite im Frauenhaus, dass mein Gegenüber sagt: Echt? Wo ist das denn? Dann erkläre ich, dass das zum Schutz der Klientinnen geheim gehalten wird. Das verstehen die dann auch. Ist denn in Bezug auf die Räume eine Verbesserung in Sicht?Es bemühen sich viele, uns zu helfen, aber es ist schwierig, eine passende Immobilie zu finden. Unser Anspruch ist es, dass eine Frau mit ihren Kindern ein eigenes Badezimmer mit Toilette hat. Optimal wäre es, wenn auch jede eine eigene Kochnische hätte. Momentan rennt eine Frau nachts, um ein Fläschchen fürs Baby zu machen, durch ein großes Treppenhaus, womöglich über zwei Etagen ins Erdgeschoss. Bis sie zurück ist, ist von dem weinenden Kind das ganze Haus wach. Es geht also nicht um mehr Plätze, sondern einen anderen Zuschnitt? Wir würden bestimmt auch ein Haus mit zehn Zimmern voll kriegen, aber wir kommen ja mit unserem Personalschlüssel nicht nach. Wir sind drei Teilzeitkräfte, eine Stelle wurde in diesem Jahr sogar um zehn Stunden aufgestockt. Das ist gut. Aber es ist trotzdem knapp. Wir bräuchten für unsere Arbeit auch extra Räume, in denen wir vertrauliche Gespräche führen können. Wie sind Sie finanziell aufgestellt?Die kommunalen Geldgeber lassen uns nie im Regen stehen. Aber es ist nicht viel Zusätzliches drin. Wir sind auf Spenden angewiesen. Darauf weisen wir gerade jetzt vor Weihnachten gerne hin.

Kontakt

Frauenhaus: 09561/861796 Frauennotruf: 09561/90155 Spendenkonto "Keine Gewalt gegen Frauen e.V." IBAN: DE39 7835 0000 0092 015700