Die letzte Reform gab es 2003: Wegen explodierender Kosten führte der Bund damals Fallpauschalen ein, DRG ("diagnosis related groups") genannt. Grob gesprochen: Für jede Diagnose und die entsprechende Therapie bekommen Kliniken Pauschalzahlungen, unabhängig davon, wie lang ein Patient bleibt. Das sollte Krankenhausaufenthalte verkürzen und die Wirtschaftlichkeit steigern.
Experten gehen ohne Krankenhausreform von Insolvenz weiterer Kliniken aus
Kliniken haben seither einen finanziellen Anreiz, möglichst viele Patienten zu behandeln und zu operieren. 1991 verbrachte ein Patient im Schnitt zwei Wochen im Krankenhaus, 2022 war es laut Statistischem Bundesamt nur noch halb so lang.
Die Zahl der Krankenhausbetten ist seit 1991 um über ein Viertel auf 480.000 geschrumpft, aber die jährliche "Fallzahl" der Patientinnen und Patienten stieg von 1991 bis 2019 von 14,5 auf über 19 Millionen. Die Pandemie brachte dann einen Einbruch auf unter 17 Millionen, der die Geldnot erheblich verschärft hat.
Krankenkassen werfen den Kliniken seit Jahren vor, zu viele und zum Teil unnötige Operationen anzusetzen. Nun will die Bundesregierung das System unter dem Stichwort "Entökonomisierung" erneut ändern. Die Kliniken sollen 60 Prozent ihrer Etats als "Vorhaltevergütung" bekommen, ohne Verknüpfung mit Operationen und Behandlungen.
Krankenkassen werfen Kliniken unnötige Operationen vor
Doch in vielen Kliniken grassiert die Existenzangst. "Wenn sich an den Eckpunkten nichts ändert, rutschen ungefähr 400 bis 500 Kliniken in die sogenannte Stufe der Polikliniken oder Ambulanzzentren", sagt DKG-Vizepräsident Lemke. "Weitere 300 bis 400 Kliniken werden in ihren Versorgungsstufen herabgesetzt und stehen dann vor dem Aus", warnt er. "Entscheidend dafür, wie viele Krankenhäuser in Deutschland überleben, ist die Frage, wie in der Krankenhausreform die Leistungsgruppen und Strukturmerkmale definiert werden."
Anstelle der "Entökonomisierung" fürchtet die DKG das Gegenteil: "Vierzig Prozent der Erlöse sollen weiter über das DRG-System erwirtschaftet werden", sagt Lemke. Allerdings werde der Anteil der über die DRGs verteilten Gelder sinken und damit die einzelne Leistung weniger wert sein. "Die kleinen und mittleren Krankenhäuser auf dem Land, die wir eigentlich schützen wollen, müssen also im Hamsterrad noch schneller rennen, um zu überleben."
Ländliche Kliniken bieten häufig ein kleineres und weniger einträgliches Leistungsspektrum an als größere städtische Häuser. Als "Maximalversorger" eingestufte Krankenhäuser in den Städten oder Unikliniken würden mit dem neuen Finanzierungssystem einen überproportionalen Anteil der Mittel bekommen, prophezeit DKG-Vize Lemke. "Am Ende des Tages wird das in eine faktische Rationierung hineinführen, das ist die Logik."
Vorhaltevergütung soll wirtschaftlichen Druck auf Kliniken senken
Das Gesundheitsministerium weist diesen Vorwurf explizit zurück: "Die Vorhaltevergütung senkt den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser, Leistungen zu erbringen", erklärt ein Sprecher. Minister Karl Lauterbach wiederum zeigt auf die Bundesländer. "Die Länder haben in den letzten zehn Jahren unstrittigerweise 30 Milliarden an Investitionskosten nicht bezahlt", sagte der SPD-Politiker kürzlich im Bundestag. Sicher scheint derzeit nur, dass weitere Insolvenzen folgen werden.
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Eine Möglichkeit wäre die völlig überflüssige "Kassenärztliche Vereinigung" aufzulösen und das Geld das dort "verbraten" wird, den Krankenhäusern und Ärzten zu überlassen.