Die Bonsaifreunde Altenkunstadt und Umgebung haben sich einer besonderen Art der fernöstlichen Gartenkunst verschrieben. Der Fränkische Tag hat ihnen über die Schulter geschaut.
Wie die Gäste so nach und nach eintreffen, finden sie Aufbauten vor. Tische stehen auf Peter Schardts Terrasse und in seinem Garten. Auf den Tischen stehen Gefäße mit Pflanzen. Das ungefähr ist auch die wörtliche Übersetzung des Begriffs Bonsai: Pflanze in Schale. Der Polizeibeamte Peter Schardt ist Bonsai-Experte, deutschlandweit als Juror tätig, einer von nur zehn oder elf in der Republik.
Ein Tag im April, es ist Workshop, turnusgemäße Zusammenkunft. Sieben oder acht Vereinsmitglieder zieht es des Morgens nach Strössendorf, sieben oder acht von deutschlandweit höchstens 20 000 Menschen, die sich für diese fernöstliche meditative Art der Gartenkunst en miniature interessieren.
Viele Eingriffe sind möglich "Das Warum und Weshalb von Bonsai ... wird einem normalen Europäer sowieso eher unzugänglich bleiben", lässt Stefan
Kränzle wissen. Der Mann schrieb das auf der Webseite des Vereins, und der Mann formuliert recht launig. Auch er hat ein paar Pflanzen dabei, über die er Näheres von Schardt erfahren möchte. Wo gilt es noch abzuzwacken? In welche Richtung sollte sein Bonsai wachsen? Was empfiehlt sich als Sichtseite? Fragen wie diese treiben Bonsai-freunde um.
Beantwortung finden sie nicht selten aus dem Werkzeugkoffer. Einen solch speziellen hat jeder Bonsaifreund, und darin befinden sich Zangen in besonderer Form, Messer, Schlingen, Sägen, Schraubzwingen und vor allem Drähte, ganz viele Drähte.
Doch, hier stehen sie: jahrzehntealte Bäume, vielleicht sogar schon hundertjährig, kleinwüchsig geblieben, bewusst gestaltet und ästhetisch durchgeformt. Manche haben abgestorbene Äste, die von frischem Rindenwerk umwallt werden. Auch das lässt sich kreieren. Es lassen sich viele Eingriffe in die Natur vornehmen.
Aber sie sind auch untergebracht in Begriffen. Es lassen sich Luftschlangen formen, Äste in Kaskaden fallen, es gibt die Besenform und die ausgebreitete Wurzel.
Der, der das wohl am besten weiß, ist Schardt. Vor ihm ein mitgebrachtes Bäumchen, das er von allen Seiten begutachtet. Dann zückt er ein Werkzeug und macht sich an die "Apikaldominanz". Er greift in die Wachstumsunterdrückung von Seitentrieben durch den Haupttrieb ein. Viermal, fünfmal, sechsmal, siebenmal ist Schardt pro Jahr in Europa auf Bonsai-Ausstellungen unterwegs. Er ist vom Bonsai-Klub Deutschland als Juror ausgebildet worden, und viel von seinem Wissen hat er sich auf Bonsai-Reisen durch Japan erworben. "Es hört irgendwie nie auf", sagt der Strössendorfer wenn er von den Dingen spricht, die es noch über Bonsai in Erfahrung zu bringen gilt.
Ansonsten aber hat er keinen grünen Daumen, ist er keiner, der sich übermäßig um sonstige Pflanzen kümmert. "Schau dir den Rasen an, dann weißt du Bescheid", sagt er. Sein Rasen ist nicht gerade englisch.
Lärchen, Ahorn, Kiefern und andere Bäume stehen auf den Tischen. Manche ihrer Äste sind mit Bast umwickelt, damit der Draht nicht zu tief in die Rinde schneidet. Bei anderen wurde ein Loch durch den Stamm gebohrt, ein junger Trieb hindurchgeführt, so dass er jenseits des Stammes austrat und wie ein neuer Ast wirkt. Er wird auch zu- und anwachsen.
Es gibt auch "natürliche Bonsai" Einige dieser Bäume können durchaus im Freien stehen, übernachten, überwintern. Sie sind nicht zwangsläufig, nur weil sie klein sind, Zimmerpflanzen. Im Grunde verhält sich das in der Natur auch nicht anders, erklärt Gerhard Kunze.
Der Altenkunstadter hat sich einen Schemel mitgebracht und eine Drehscheibe, wie man sie vom Töpfern kennt. Noch so ein Werkzeug, das sich häufiger im Besitz von Bonsaifreunden zu befinden scheint. In der Natur, erklärt Kunze, gibt es auch klein gebliebene Bäume. "Natürliche Bonsai" nennt er sie. Karge Böden und dünne Hochgebirgsluft bewirken dies, da bedarf es keines Rückschnitts. Kunze sitzt auf seinem Schemel und dreht die Pflanze vor sich auf dem Teller in alle Richtungen. Er kennt Geschichten von japanischen Industriellen, die hundertprozentig in ihrer Firma aufgehen und nach Feierabend zur Entspannung den Bonsai pflegen. Kunzes Stirn runzelt sich leicht, der Blick wird kritisch. Etwas stimmt mit der Sichtseite seines Bonsais noch nicht. Sie muss frei bleiben und soll sich dem Betrachter zuneigen. Reminiszenz an ausgewählte japanische Höflichkeit.
Nein, als Manipulator, Lenker, Schöpfer, oder Erzieher eines Baumes sieht sich Kunze nicht. Es ist auch nicht nur die Pflanze, um die es bei all den Bemühungen um den Bonsai geht. Irgendetwas spielt da noch mit rein, eine Art Selbsterkenntnis. "Man will ihn (Bonsai) gesund erhalten. Dabei sagt das was über den eigenen Charakter aus. Wenn man die Pflanze sieht, sieht man sich selbst. Die Frage ist doch: Bin ich zuverlässig?" Es geht darum, zuverlässig konstant den Bonsai zu pflegen. Die Ästhetik ist nur Ausdruck einer inneren Einstellung. Bis zum 25. und 26. Mai muss die Ästhetik stimmen. Dann stellt der Verein seine die Bonsai in Seßlach aus.