Der Brunnen in der Lichtenfelser Badgasse ist Markus Seuberts "Lieblingsplatz am Obermain". Es ist nicht nur für ihn allein ein Platz der Begegnung, an dem er seine persönlichen Freundschaften pflegt. Auch Liebende kommen gerne hierher.
Dort, wo Markus Seubert heute sein Brot verdient, hat er sich einstmals auf das Kommende mental eingeschwungen: auf der Bank neben einer Art anthrazitfarbenen und beinahe hüfthohen Steinklecks mit Kugel sitzend und die Geschäftigkeit ringsum beobachtend, die Nase in den Wind haltend, gewissermaßen. In wenigen Tagen jährt sich zum elften Mal dieses Ereignis, für das sich der Lichtenfelser einen ganzen Tag Zeit nahm: am Brunnen sitzen, in sich hinein hörend und auf diese ungewöhnliche Weise eine Standort-Analyse betreibend. Seuberts Lieblingsplatz ist der Brunnen in der Badgasse.
Der Mann führt ein Geschäft in der Straße. Ob diese Straße eine gute dafür sein würde, wollte der Friseurmeister erspüren und beobachten. Von früh bis abends, stundenlang. Es ist nicht eben ein stiller Ort, dieser Brunnen mit der Kugel und den metallenen Sitzbänken.
Davor fährt der Verkehr nach Coburg, dahinter fährt der Verkehr Richtung Bahnhof. Schwerlastverkehr mitunter. Ein Dröhnen liegt dann in der Luft. Und doch ist diese Gasse wie eine kleine Insel relativer Ruhe und dieser Brunnen das plätschernde Herzstück dessen. Ein Lärm habe ihn noch nie aufgeregt, sagt der 33-Jährige. "An dem habe ich mich nie gestört, den kann man hier gut ausblenden."
Der junge Mann ist schon so lange hier, dass er von einem "Früher" dieses Ortes sprechen kann. Früher, da gab es mal eine türkische Familie in der Straße, mit der er am Brunnen Caj getrunken habe. Er lächelt eingedenk dieser nachbarschaftlich idyllischen Szene. Mag sie auch Vergangenheit sein, so wurde sie im Laufe der Zeit durch andere freundliche Brunnen-Szenen ersetzt, beispielsweise durch die Freundschaften, die Seubert hier pflegt.
Wenn einer seiner Freunde etwas auf dem Herzen hat und ein vertrauliches Gespräch mit ihm wünscht, dann ist der Brunnen der Ort des Zuhörens, des Ratschlagens oder der Erleichterung. "Ein wichtiger Ort für die Psyche", wie der Friseur findet.
Ein "Liebesbrunnen"? Ab und an, und besonders gegen Abend, komme es vor, dass dieser Brunnen Liebende anzieht - oder schon die Liebe Probierende. Teenager, die hier küssen, oder küssen lernen. "Wir haben manchmal das Gefühl, das ist ein Liebesbrunnen", sagt Seubert schmunzelnd und fügt an: "Die knutschen hier ganz schön." Auch wenn nicht geturtelt wird und einfach nur die Sonne scheint, dann tut dieser Ort der Psyche manch anderer Menschen gut. Sie lesen hier Bücher, tanken Sonne und verbringen hier ihre Mittagspause. Und dann sind da natürlich die Kinder. Wasser und Kinder - eine unvermeidliche Kombination.
Eine große schwarze Kugel dreht sich auf dem Wasser. Es ist ihr Eigengewicht, das sie in der Kuhle des Steins hält und unstehlbar macht. Auf möglicherweise eine Tonne schätzt Markus Seubert ihr Gewicht. Die Kugel ist Bestandteil seines sommerlichen Humors. "Wenn du sie aufheben kannst, schneide ich dir umsonst die Haare", bietet er dann den spielenden Kindern an. Geschafft hat das natürlich noch keines. "Aber versucht haben es alle", feixt Seubert.