"In der Summe seid ihr nicht nur ein Eckpfeiler des oberfränkischen Schützenwesens, sondern für mich die beste Gesellschaft der Region." Mit diesen Worten erfreute Bezirksschützenmeister Volker Gottfried die Mitglieder der Königlich-privilegierten Scharfschützengesellschaft Lichtenfels zum 600-jährigen Bestehen.
Sein Lob resultiere aus mehreren Besonderheiten der Lichtenfelser Schützen, sagte Gottfried beim Festkommers. Einige Gesellschaften in Oberfranken seien alt, sehr alt: "Ihr gehört zu den ältesten", sagte Gottfried. Manche seien groß und hätten viele Mitglieder: "Ihr gehört zu den größten und seid der drittgrößte im Schützenbezirk", setzte er seine Laudatio fort. Moderne Schießanlagen und großer Immobilienbesitz gehörten dazu. "Ihr habt eine der größten und modernsten Schießanlagen in Oberfranken, ja in ganz Bayern, und ein nahezu komplettes Sportangebot", stellte Gottfried fest.
Zu den Besonderheiten der Königlich-privilegierten Scharfschützengesellschaft zählte die zweitgrößte Jugendgruppe in Oberfranken und eine äußerst engagierte Vereinsführung mit Mitarbeitern, die sich auch im Schützengau Oberfranken Nord und im Schützenbezirk Oberfranken einsetzten. Gottfried erwähnte die gesunde finanzielle Lage der Gesellschaft, die auch durch das überdurchschnittliche Engagement ehrenamtlicher Helfer entstanden sei.
Schützenmeister Siegfried Jäkel sah sich der Tradition aber auch dem Fortschritt verpflichtet. Trotz der technischen Entwicklung und der modernen Sportgewehre und Pistolen wolle man wieder zu den alten Waffen zurückkehren. Er erinnerte an das kürzliche Ordonanz- und Feuerstutzenschießen mit Waffen aus den Anfangszeiten sportlichen Schießens. Jäkel kündigte an, dieses Potenzial erweitern zu wollen. Sein Dank galt Spendern, die das Jubiläumsjahr finanziell unterstützen. Die Mitgliederbeiträge reichten dafür nicht aus. Dankbar war er auch Hauseigentümern, die Schaufenster leerer Geschäfte für Präsentationen der Schützen zur Verfügung stellten. Man wolle auch der sozialen Verantwortung gerecht werden, sagte Jäkel und kündigte eine Spendenaktion für Menschen an, die am Rande der Gesellschaft leben.
Bürgermeisterin Bianca Fischer lobte die Aktionen der Schützen im Jubiläumsjahr. Sie feierten das 600-jährige Bestehen nicht in elitärer Abgeschiedenheit, sondern mit allen Bürgern.
Der Stellvertreter des Landrates, Helmut Fischer (CSU), unterstrich die offene und ehrliche Art des Schützenmeisters und gratulierte auch im Namen der Schwürbitzer Schützen, die an diesem Wochenende ihr Jubiläum feierten.
Gauschützenmeister Klaus Jensch überreichte ein Fahnenband, und die Präsidentin des Bundes Bayerischer Schützen (BBS), Sigrid Schuh, einen Erinnerungsteller. Christine Leikeim von der gleichnamigen Brauerei lobte in Versen die Verbundenheit der Schützen mit ihrem Hause. Ihr Geburtstagsgeschenk war die finanzielle Unterstützung für einen Bildband "600 Jahre Schützen in Lichtenfels".
Viele befreundete Vereine gratulierten und überreichten Geschenke Bezirksheimatpfleger Günter Dippold machte das Schützenwesen vom Mittelalter bis in die Neuzeit transparent und erläuterte die Gründung der Lichtenfelser Gesellschaft. Die Schützen entstanden einst aus den so genannten Schutzgilden, die zur Erhaltung der allgemeinen Sicherheit gebildet wurden. Der Ursprung der Schützengilden fällt mit der Entwicklung von Ansiedlungen zu Städten und damit verbunden des Entstehens eines freien Bürgertums zusammen. Es waren bewaffnete Bürgerverbindungen, denen der Schutz der Städte oblag.
Die bewaffneten Bürger waren aber nicht nur die Verteidiger ihrer Stadt im Kriegsfall; die Bedeutung dieser Aufgabe schwand zunehmend. Waffendienst blieb eine fortdauernde Aufgabe der Bürgerschaft. In Waffen stehende Bürger sicherten den Frieden bei den Jahrmärkten, und bewaffnete Bürger zogen aus, um das Recht ihrer Stadt zu behaupten. Etwa wenn es ums Braurecht ging und um die Befugnis der Stadt, die Dörfer der Umgebung mit Bier zu versorgen. Als der Banzer Abt 1722 in Nedensdorf eine Brauerei einrichten ließ, beschwerten sich die Staffelsteiner darüber. Der Bamberger Fürstbischof als Landesherr erließ darauf den Befehl zur Vernichtung der Brauerei, was auch mit Hilfe der Lichtenfelser Bürgerschaft geschah. Dippold führte noch weitere Begebenheiten an, bei denen die Lichtenfelser Bürgerwehr eingesetzt wurde.
Erst 1810/11, nachdem die Bürger- oder Landwehren aufgelöst worden waren, entstand in Lichtenfels eine Schützengesellschaft, die das Frei- oder Vogelschießen wieder zu Leben erweckte. Zum Vogelschießen in Lichtenfels mit Volksbelustigung, Ballnacht und Feuerwerk kamen das Volk und Honoratioren aus der ganzen Region. 1834 wurde das heutige Schützenhaus gebaut, 1863 und 1903 erweitert. Das Haus wurde zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Einen nicht unerheblichen Teil steuerten die jüdischen Einwohner dazu bei. Katholische, evangelische und jüdische Schützen zeigten sich in großer Eintracht. In der Neuzeit gewann das Schützenfest immer mehr an Beliebtheit.
Auch die Schießanlagen wurden stets erweitert. Waren es früher offene Stände, wurde 1004 eine neue Schießhalle errichtet. 1927 kam ein Kleinkaliberschießstand hinzu. Einen außerordentlichen Kraftakt bewältigte die Gesellschaft mit dem Bau der jetzigen Schießanlage, die im Jahr 2000 fertiggestellt wurde. Nicht nur die technischen Einrichtungen wurden modernisiert, auch neue Felder des Schießsports wurden erschlossen. 1906 wurde die Zimmerstutzenabteilung gegründet, 1961 entstand die Pistolenabteilung, und seit 1974 wurde mit Vorderladern geschossen. Zuletzt kam 2008 die Westernabteilung "Lightrock Cowboys" hinzu und 2009 das Bogenschießen mit dem Übungsgelände am Wasserturm.
Dippold schloss seinen Festvortrag mit den Worten: "Die Königlich-privilegierte Scharfschützengesellschaft Lichtenfels ist mehr als ein Sportverein. Sie ist ein Kristallisationspunkt für bürgerschaftliche Gesinnung in Lichtenfels. Gewiss, der Schießsport steht im Vordergrund, aber die Menschen, die sich hier zusammengefunden haben, sie nehmen zugleich gesellschaftliche Verantwortung wahr für das Gemeinwesen. Sie tun das, mit kurzen Unterbrechungen, seit 200 Jahren." Dafür gebühre ihnen höchste Anerkennung. Sie seien Vorbild für alle Organisationen der Stadt, für jedermann.