Von Jahr zu Jahr erstrahlen im Landkreis Lichtenfels Vorgärten, Balkone und Giebelfronten bereits zur Vorweihnachtszeit in hellerem Lichterglanz. Die dunkle Jahreszeit animiert Menschen offenbar dazu, Lichter zu entzünden, die gegen Depressionen wirken.
Doch warum ist das so, warum suchen die Menschen so sehr nach Licht in dieser Zeit der düsteren Tage und langen Nächte? Können Lichterketten, von innen leuchtende Nikoläuse oder Rentierherden mit Leuchtschläuchen die Intensität eines sonnigen Sommerabends ersetzen? Helfen künstliche Lichter gegen Melancholie und gar Depression? Der FT befragte dazu den evangelischen Pfarrer Matthias Hagen, den Franziskaner-Pater Christoph Kreitmeir und den Psychotherapeuten Thomas Schelbert.
Keinen Wettbewerb veranstalten „Sicherlich ist das oft grenzwertig“, sagt der Staffelsteiner Pfarrer Matthias Hagen. Gerade die in verschiedenen Frequenzen geschalteten Fenstersterne empfinde er „als am Rande der Körperverletzung“. Und wenn es sich zu einem Wettbewerb um das hellste Adventsilluminations-Design entwickle, mit dem Ziel, andere zu übertrumpfen, dann sei das abzulehnen.
„Aber Vorsicht“, warnt er, „die Wege oder wenigstens Spuren, den Advent und Weihnachten in einer Zeit der Patchwork-Religionen neu zu entdecken, sind manchmal anders, als gerade Kirchen sich das vorstellen und allzu theoretisch predigen und als Kritikaster aus Prinzip Jahr für Jahr verkündigen“.
Hoher Stromverbrauch Pater Christoph Kreitmeir aus Vierzehnheiligen hält wenig vom Lichterzauber: „Ich kann zwar verstehen, dass man das Dunkel dieser Jahreszeit etwas erhellen möchte“, aber einige Menschen übertreiben damit; das entspreche dem Zeitgeist. Auch aus ökologischen Gründen, weil der Stromverbrauch aufs ganze Land gerechnet sehr hoch sei, halte er das Ganze für überflüssig.
Thomas Schelbert aus Bad Staffelstein meint: „Glücklich ist der, der sein Kinderherz bewahrt und sich an leuchtenden Nikoläusen oder galoppierenden Rentierherden erfreuen kann. Denken Sie nur an die begeisterten Augen von Kindern, wenn etwas leuchtet und glitzert. Warum sollten sich nicht auch Erwachsene sich daran erfreuen können?“
Menschen nicht ratlos zurücklassen Matthias Hagen sagt, er sei in den vergangenen Jahren etwas nachdenklicher und versöhnlicher geworden, was das leichtfertige Abqualifizieren des Lichterzaubers betrifft. Die Kritik komme manchmal etwas inquisitorisch daher und oft aus der manchmal etwas arroganten Sichtweise des Bildungsbürgertums. Kritiker, gerade aus dem Raum der Kirche müssten da sehr vorsichtig sein, um nicht völlig neben den Menschen zu stehen. Es komme darauf an, die Menschen nicht ratlos zurück zu lassen, sondern ihnen Advent und Weihnachten auf unkonventionelle Weise zu erklären. Advent und Weihnachten wurzelten ganz tief in einer wie auch immer sich äußernden Ursehnsucht des Menschen nach Heilsein, nach Frieden, Ruhe, Harmonie. Weihnachten sei für viele Menschen vielleicht die wunderbare Entdeckung, dass es ja noch etwas anders gibt als „schaffe, schaffe“, nämlich Gefühl, Sehnsucht, Geborgenheit, Zauber, Geheimnis oder einfach Anders-Sein.
Dahinter steckt ein bewusstes Zeichen Pater Christoph ist der Ansicht, mit Brauchtum oder christlichem Glauben habe der Lichterzauber nichts zu tun, denn der christliche Glaube halte in dieser besonderen Zeit bewusst das Dunkel aus und arbeite im Brauchtum mit wenig Licht. Das zunehmende Licht des Adventskranzes und dann am Weihnachtsfest – und nicht schon Wochen vorher –, der leuchtende Christbaum, seien bewusste Zeichen. Die Bedeutung dahinter: Das Licht wird trotz aller Dunkelheit immer stärker und zwar durch die Geburt des Gottessohnes Jesus Christus.
„Als Larifari würde ich es trotzdem nicht abtun“, fährt er fort. „Ähnlich wie bei Halloween gehen viele Menschen leider recht unreflektiert mit diesen modernen Möglichkeiten um und übersehen dabei, dass das mit unserem Glauben nicht mehr viel zu tun hat – eher mit Geschäftemacherei der Anbieter solcher Dinge.“
Viel im Freien unterwegs sein Die langen Dunkelphasen, so Matthias Hagen, machten vielen Menschen nachgewiesenermaßen etwas aus, „mir geht es genauso“. Ihm helfen jedoch keine gewaltigen Illuminationen, er halte sich möglichst viel im Freien auf und versuche, die Räume hell zu machen.
„Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit oder Müdigkeit können Symptome einer saisonal abhängigen Depression (SAD) sein“, sagt Thomas Schelbert. Hauptursache dieser Form der Depression sei Lichtmangel. In dunklen Wintermonaten werde vermehrt der Botenstoff Melatonin produziert, der eher schlapp, müde und schläfrig macht. Unter Einfluss von Licht produziere der Körper dagegen verstärkt das Glückshormon Endorphin. „Mein Fazit: Menschen sollten sich in diesen eher dunklen Tagen viel Lichtzauber gönnen.“
Menschen mit Lux-Brillen Es gelte aber, so Matthias Hagen, ernsthafte und chronische Beschwerden untersuchen und behandeln zu lassen. Doch nicht hinter jeder Verstimmung stecke eine schlimme physische oder psychische Erkrankung. Man stelle sich einmal vor, wie witzig es wäre, wenn in den Geschäften und Straßen zur Vorweihnachtszeit nur noch Menschen mit Lux-Brillen wandeln würden.
„Viele Menschen“, so Pater Christoph, „leiden in der dunklen Jahreszeit vermehrt unter Depressionen.“ In der Tat gebe es neben der Volksmedizin andere Hilfsmittel, die einem da helfen können: Schokolade, Litiumtherapie und spezielle Lampen, die über den Fachmarkt zu erhalten sind. „Es gilt aber auch hier: Wenn möglich, sollte man an die Luft gehen, sich bewegen“, denn das setze Glückshormone frei.
Fünf Tipps gegen Depressionen 1. Körperliche Aktivität im Freien
2. Urlaub im Süden
3. Eine ausgewogene Ernährung
4. Aktivsein gegen die Einsamkeit
5. Lichttherapie
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Winterdepression