Corona treibt seltsame Blüten in Gärtnereien im Landkreis Lichtenfels

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Nachdem das eigene Ladengeschäft geschlossen ist, stellt Stefan Nemmert eine Pflanzensendung für Steinberg zusammen. Dort dürfen die Pflanzen verkauft werden. Fotos: Klaus Gagel
Nachdem das eigene Ladengeschäft geschlossen ist, stellt Stefan Nemmert eine Pflanzensendung für Steinberg zusammen. Dort dürfen die Pflanzen verkauft werden. Fotos: Klaus Gagel
Noch hat der Michelauer Gärtnermeister Karl Nemmert jede Menge zu tun, zählt ein Teil der Familiengärtnerei doch als landwirtschaftlicher Betrieb. An der Maschine werden Jungpflanzen eingetopft.
Noch hat der Michelauer Gärtnermeister Karl Nemmert jede Menge zu tun, zählt ein Teil der Familiengärtnerei doch als landwirtschaftlicher Betrieb. An der Maschine werden Jungpflanzen eingetopft.
 
Blühende Begonien, so weit das Auge reicht. Noch bildet Thüringen den Absatzmarkt für die Gärtnerei Nemmert. Sollte Thüringen "dicht machen", dann würden diese Pflanzen auf den Kompost wandern.
Blühende Begonien, so weit das Auge reicht. Noch bildet Thüringen den Absatzmarkt für die Gärtnerei Nemmert. Sollte Thüringen "dicht machen", dann würden diese Pflanzen auf den Kompost wandern.
 

Gärtnereien im Landkreis Lichtenfels haben es momentan nicht leicht. Warum Thüringen für manche der Rettungsanker ist.

Tausende Geschäfte und Händler in Europa haben zurzeit geschlossen - wegen des Coronavirus. Das trifft die Tulpenproduktion in den Niederlanden ebenso wie die Gärtnereien in unserem Landkreis. Ein Blick hinter die Kulissen der Fachbetriebe zeigt: Die Coronakrise treibt teilweise sehr merkwürdige Blüten.

"Wir kämpfen weiter!", meint entschlossen der Gärtnermeister Karl Nemmert von der gleichnamigen Gärtnerei in Michelau. Er kennt die Branche. Viele Jahre war er Innungsmeister. Er bewirtschaftet eine der großen Gärtnereien im Landkreis. Wie seine Mitbewerber hofft er, dass die Beschränkungen bald aufgehoben werden. Es geht um das Geschäft mit den Beet- und Balkonpflanzen. Nach den Eisheiligen wird es für die Gärtnereien schwierig. Dann ist das Hauptgeschäft gelaufen.

Die Verluste liegen bei den einzelnen Gärtnereien in unserer Region im vier- bis fünfstelligen Eurobereich. Um Millionenbeträge geht es dagegen für die Tulpenproduzenten in den Niederlanden. Dort vernichten große Gärtnereien mit einer Fläche von 20 000 bis 40 000 Quadratmetern zurzeit tonnenweise blühende Pflanzen aus der aktuellen Tulpenernte. Die Versteigerungen in Holland und am Niederrhein in Herongen (Deutschland) wurden geschlossen, weil dort die Bieter wie im Kino dicht an dicht nebeneinander sitzen. Dort werden an einem normalen Versteigerungstag zwischen zehn- und zwanzigtausend Container mit Pflanzen versteigert. Die Ware geht in alle Länder Europas.

Auch die Gärtnerei Nemmert gehört zu den Kunden. Diese Pflanzen fehlen nun natürlich im Ladengeschäft. Bei der Gärtnerei Nemmert bleibt der Blumenladen aktuell ohnehin geschlossen. Jeder Direktverkauf an die Kunden ist zurzeit verboten. Das ergeht den andern Gärtnern ebenso. Die "Notlösung", die Ware mit einer Kasse für den Geldeinwurf vor den Laden zu stellen, wurde durch eine Entscheidung des Landratsamtes verboten. Die Gärtnereien dürfen ihre Ware zwar ausliefern, aber nur mit Rechnung, so dass der Kunde das Geld dann überweisen muss. Der Aufwand rechnet sich aber bei einem kleinen Blumenstrauß nicht.

Einkaufsmärkte im Vorteil

Karl Nemmert würde hier keine Kritik üben, wenn es sich um eine einheitliche Lösung handeln würde. Die Verluste sind zwar schmerzlich, würden aber alle Beteiligten gleichermaßen treffen. Eigenartigerweise dürfen aber Einkaufsmärkte im Rahmen ihres Gesamtangebots Pflanzen und Blumen verkaufen, obwohl dort oft auch eine Floristin beschäftigt ist, die die Sträuße dem Kundenwunsch entsprechend bindet. Das gleiche gilt auch für die Ackerflächen im Landkreis. Unter dem Motto "Blumen selber schneiden" kann sich der Kunde dort bedienen. Das Geld wirft er in die bereitgestellte Kasse.

Die Entscheidungskompetenz liegt hier bei den einzelnen Landratsämtern und fällt regional sehr unterschiedlich aus. In Wunsiedel dürfen die Gärtner verkaufen, in Marktredwitz und Hof nicht. Enttäuscht zeigt sich Karl Nemmert in diesem Zusammenhang vom Verband, dass dieser nichts Entscheidendes gegen diese ungleiche Regelung unternommen hat.

Etliche Betriebe werden auf der Strecke bleiben, vermutet er. Skeptisch ist er auch, was die zugesagten Soforthilfen des Bundes angeht. Er befürchtet, dass es hier zu Betrügereien kommt, dass die Antragstellung und die Auszahlung sehr schleppend vor sich gehen werden. Die Soforthilfe von 5000 Euro reicht in vielen Fällen nicht einmal, um die Löhne zu bezahlen. Für große Betriebe mit vielen Beschäftigten ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Doch Karl Nemmert will nicht nur jammern. "Bisher sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen." Das liegt zum einen daran, dass das Frühjahrsgeschäft einigermaßen normal abgewickelt werden konnte, bevor die Einschränkungen wirksam wurden.

Zum anderen ist die Gärtnerei Nemmert untergliedert in das Ladengeschäft und eine landwirtschaftliche Gärtnerei, ein Produktionsbetrieb, der seine Waren an Wiederverkäufer liefert. Andere Gärtnereien produzieren zwar auch eigene Pflanzen, aber nur für den Endverkauf direkt an die Kunden.

Im Gegensatz dazu profitieren die Wiederverkaufs-Gärtnereien zumindest indirekt von den Einkaufsmärkten, da sie diese mit einer geringen Gewinn-Marge mit Waren beliefern. Seit Jahren liefert die Gärtnerei Nemmert ihre Waren vor allem in den Südthüringer Raum. Dort gibt es diese Beschränkungen, die in Bayern gelten, aktuell nicht. Die Michelauer Gärtnerei ist damit in der glücklichen Situation, dass sie nach Thüringen (Hildburghausen, Sonneberg) liefern kann.

Im Gegensatz zum Ladengeschäft darf in der landwirtschaftlichen Gärtnerei gearbeitet werden. Ein Direktverkauf innerhalb des Betriebs ist nicht erlaubt, aber die Betriebe dürfen ausliefern, was sie schon immer gemacht haben. Die Gärtnereien und Blumengeschäfte im näheren Bereich fallen momentan als Kunden natürlich weg.

Thüringen der Rettungsanker

Der "Export" nach Thüringen ist zurzeit der Rettungsanker für die Michelauer Gärtnerei. Falls Thüringen "dicht machen" würde, dann würde das für die Gärtnerei Nemmert einen Riesenverlust bedeuten.

Doch gerade hier zeigt sich, wie paradox die Situation ist. Fränkische Gärtnereien fahren ihre Waren nach Thüringen. Dort kaufen dann wieder Kunden aus Franken ein und holen sich die Ware aus dem anderen Bundesland zurück. In den Baumarkt in Heldburg kommen viele Kunden aus Bamberg. Der gleiche Baumarkt hat in Ebern geschlossen.