Ein Investor will die ehemalige Petzbräu komplett abreißen. Einzig der Darrturm steht ihm noch im Weg, und der ist denkmalgeschützt. Eine Entscheidung steht kurz bevor.
Jetzt soll die Kulmbacher Petzbräu komplett plattgemacht werden. Der Investor aus Rosenheim, der in der Pestalozzistraße einen Komplex mit 157 Wohnungen bauen will, beantragte bei der Stadt auch den Abbruch des denkmalgeschützten Darrturms. Bauexperten sind entsetzt.
"Ein Frevel", sagt der Münchner Architekt Klaus J. Schulz, der als Gutachter am Kommunalen Denkmalkonzept für Kulmbach arbeitet. Die historische DNA der Bierstadt werde zerstört. Schulz zählt die Backsteingebäude zu den "Pretiosen von Kulmbach". Auch das Landesamt für Denkmalpflege spricht sich klar gegen den Abriss aus.
Stadtrat kann roten Turm retten
Retten kann den roten Turm in der Pestalozzistraße nur der Stadtrat, der nächsten Donnerstag über den Antrag des Investors Drösel entscheidet. Die Stadträte bekommen zur Sitzung eine Vorlage ihrer Fachleute von der Bauverwaltung: Darin wird die Ablehnung des Antrags empfohlen, der Turm soll stehenbleiben und saniert werden, wie 2019 beschlossen.
Wie kaum ein anderes Thema bewegte das Megaprojekt vor zwei Jahren die Kulmbacher Öffentlichkeit. Gegen die Stimme von Thomas Nagel (FDP) genehmigte der Stadtrat den Abriss der stadtgeschichtlich bedeutsamen Gebäude. Ausgenommen davon: der siebengeschossige Backsteinturm von 1910 gehört zur Identität der Stadt. Damals brach ein Sturm der Entrüstung los. Viele Kulmbacher machten in Leserbriefen, im Internet, bei Unterschriftensammlungen und einer Demo ihrem Ärger Luft. Sie empfanden es als Skandal, wie Kulmbach mit seinem städtebaulichen Erbe umgeht. Die Backsteingebäude seien Teil des Stadtbilds und der Identität Kulmbachs als Stadt der Brauereien und Mälzereien. Durch den Abriss werde Stadtgeschichte zerstört.
Auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) war die Petzbräu und nachmalige Mälzerei Müller als erhaltenswert eingestuft. Am ISEK beteiligt war das Kulmbacher Büro H2M. Die Architekten sprachen in ihrer Analyse von einer "beeindruckenden Backsteinfassade". Das Ensemble solle saniert werden. Die Position vertritt Architekt Stephan Häublein nach wie vor. "Die heute leerstehenden Industriebrachen prägen als Teil der historischen Stadtentwicklung die Identität unserer Städte", erklärt er. Deren Umnutzung schreibe die Geschichte der Stadt nachvollziehbar fort.
In Rosenheim sieht man die Sachlage völlig anders. Firmenchef Jürgen Drösel erläutert persönlich am Telefon seine Vorstellungen. Der Darrtum sei nicht mehr standfest. "Wir haben ihn untersuchen lassen, er ist innen faul", so der Investor. Er plant, einen neuen Turm hinzustellen, "genauso groß". Dort sollen Treppenhaus, Lift, Wasch- und Trockenräume, Stellplätze für Fahrräder sowie zwei Wohnungen untergebracht werden. "Wir sind in der Werkplanung ziemlich weit. Im Spätherbst oder Anfang nächsten Jahres soll es losgehen", sagt Drösel. Er rechne mit der Genehmigung des Antrages.
Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Das Landesamt für Denkmalpflege versagt seine Zustimmung. Der Darrturm habe als Einzeldenkmal eine Sonderstellung und eine herausragende Funktion als Wahrzeichen. "Das ortsbildprägende Einzeldenkmal weist durch den langen Leerstand und durch Wassereintritt nachweislich Schädigungen auf, welche allerdings unter denkmalfachlichen Gesichtspunkten und substanzbewahrend zu sanieren wären", heißt es.
Bauamt schaut nach
Stephan Schelter vom Stadtbauamt hat sich den Turm selbst angeschaut. Ja, sagt er, der Sanierungsaufwand sei groß - aber machbar. Das Gebäude sei "städtebaulich wichtig". Wirtschaftliche Gründe hält Schelter für vorgeschoben. Deswegen stimme die Untere Denkmalbehörde dem Abriss nicht zu.
Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) geht mit der ablehnenden Vorlage in die Sitzung. Er spricht von einer "Salamitaktik" und wundert sich: "Erst wird der Bauantrag mit der Auflage genehmigt, den Darrturm zu erhalten. Warum soll er jetzt plötzlich weg?" Inzwischen zeige sich, dass es ein Fehler war, das Projekt schnell-schnell durchzuziehen. Lehmann: "Damals wurde der Zustand der Gebäude überhaupt nicht untersucht. Das war politisch nicht gewollt. Vielleicht wäre herausgekommen, dass noch viel mehr erhaltenswert ist."