Der Untersteinacher Gemeinderat behandelt am Montag den Wunsch von Tobias und Gerda Eichner, die Sitzungen in den barrierefreien Bürgersaal zu verlegen.
Ein in der Öffentlichkeit bereits viel diskutiertes Thema steht am Montag auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung in Untersteinach. Es geht um den Antrag von Tobias Eichner und seiner auf den Rollstuhl angewiesenen Mutter Gerda, die erreichen möchten, dass die Tagungen der Ratsmitglieder künftig nicht mehr im Obergeschoss des Rathauses stattfinden, sondern im ebenerdigen Bürgersaal.
Für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist das Sitzungszimmer im Amtsgebäude ohne fremde Hilfe unerreichbar. Tobias Eichner hatte sich deshalb bereits in der Vergangenheit für einen barrierefreien Umbau des Rathauses stark gemacht, was von der Verwaltungsgemeinschaft Untersteinach als Hausherrin allerdings abgelehnt worden war.
"Ersten Dämpfer erhalten"
Eichner, der mit seiner Mutter für den Bürgerantrag 53 Unterschriften gesammelt ("Wir hätten diese Zahl locker
verdoppeln können.") und diese Bürgermeister Volker Schmiechen (SPD) überreicht hat, bedauert im Vorfeld der Ratssitzung, "dass wir leider seitens der Gemeinde bereits den ersten Dämpfer erhalten haben". Seine Bitte, bereits am Montag im Gemeindesaal zu tagen, um seiner Mutter und Mitinitiatorin den Besuch zu ermöglichen, sei rigoros abgelehnt worden. "Es wurde mit einem - wie ich es nenne - Verhinderungsangebot gekontert." Damit meint Eichner eine E-Mail vom Geschäftsstellenleiter der Verwaltungsgemeinschaft, Martin Betz.
"Den von Ihnen geäußerten Wunsch auf Teilnahmemöglichkeit von ,betroffenen Personen' haben wir zur Kenntnis genommen. Die Gemeinde Untersteinach bietet daher mit Unterstützung des Malteser Hilfsdienstes Ihrer Mutter bzw.
sonstigen mobilitätseingeschränkten Personen an, an der Sitzung im Dachgeschoss des Rathauses Untersteinach teilzunehmen", heißt es in dem Schreiben.
Der 38-jährige EDV-Berater will das nicht akzeptieren. Mehr noch: Er spricht sogar von schlechtem Stil: "Sowohl Herr Betz als auch Bürgermeister Schmiechen wissen, dass sich meine Mutter nicht vor versammelter Mannschaft die Treppe hinauftragen lassen wird. Sich vorführen zu lassen wie ein kleines Kind - das ist eine Demütigung. Zum anderen: Würde sie das Angebot annehmen, müsste sie sich im Nachhinein wohl anhören: Na, Frau Eichner, es geht doch." Er habe den Eindruck gewonnen, so Eichner, "als wollte man uns so viele Steine wie möglich in den Weg legen".
7500 Euro teure Geräte
Die Kritik ist für Michael Lorenz von der Fahrbereitschaft des Malteser Hilfsdienstes (MHD) in Kulmbach nicht nachvollziehbar.
"Was soll daran menschenunwürdig sein", fragt Lorenz, der am Montag während der gesamten Dauer der öffentlichen Ratssitzung in Untersteinach vor Ort sein wird, um gehbehinderten Bürgern die Teilnahme zu ermöglichen.
Für die Bayerische Rundschau demonstrierten Lorenz und sein Kollege Kurt Valentin die Funktionsweise der 7500 Euro teuren Geräte, von denen der MHD zwei Stück besitzt - die einzigen im Landkreis Kulmbach. Der Rollstuhlfahrer wird am Beginn der Treppe einfach umgesetzt, dann kann man den Treppensteiger mit der Kraft seines Elektromotors hochfahren lassen.
Täglich im Einsatz
Die Hilfsmittel, für deren Benutzung die beiden MHD-Mitarbeiter geschult sind, werden täglich benutzt: Für Patienten, deren Ärzte ihre Praxis nicht im Erdgeschoss haben oder die selbst im ersten oder zweiten Stock wohnen.
Die frühere Kulmbacher Bürgermeisterin Inge Aures habe sogar einen Treppensteiger gesponsert, weiß Michael Lorenz. Damals war im Rathaus noch kein Aufzug installiert. Die Geräte des MHD seien beide durch Spenden von Ärzten und Bürgern finanziert worden.
Auch Volker Schmiechen ("menschenunwürdig ist das bei weitem nicht") versteht Tobias Eichners Vorwürfe nicht. Der Bürgermeister weist im Übrigen darauf hin, dass er die Entscheidung, die Sitzung am Montag mit dem MHD-Angebot im Rathaus stattfinden zu lassen, nicht alleine getroffen hat. "Das Thema wurde mit allen Fraktionssprechern diskutiert."
Der Entscheidung des Untersteinacher Gemeinderats über den Bürgerantrag will Schmiechen nicht vorgreifen: "Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ich hoffe jedenfalls auf eine faire und sachliche Diskussion."
Der am 18.Mai 2016 seitens Familie Eichner entsprechend Artikel 18b der Bayerischen Gemeindeordnung rechtmäßig eingereichte Bürgerantrag hat zum Ziel, die Sitzungen des Untersteinacher Gemeinderats, die derzeit gewohnheitsmäßig (noch) im 2. Stockwerk des Untersteinacher Rathauses stattfinden, bis zu dessen vollständigem barrierefreien Zugang in dem ebenerdig zugänglichen Gemeindesaal bei der Untersteinacher Schule abzuhalten … – … und zwar gemäß der Bayerischen Gemeindeordnung:
Art. 52 Öffentlichkeit […]
(4) Die Sitzungen haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden.
Bereits bei der Übergabe des o. g. Bürgerantrags am 18.5.2016 hatte Frau Eichner klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht:
„Ich würde mich aber nicht die Treppe rauftragen lassen. Das ist nicht gut", sagte Gerda Eichner.
Gegen besseres Wissen bringt also nunmehr die Untersteinacher Gemeinde-Verwaltung (- Bgm. Volker Schmiechen, SPD, und seine Fraktions-Vorsitzenden -) den ’Malteser Hilfsdienst’ in Stellung, obgleich von vorneherein klar ist, dass dieser ’Hilfsdienst’ von Frau Gerda Eichner gar nicht beansprucht werden wird, weil diese (Zitat) „auf die menschenunwürdige Zurschaustellung - Hinauftragenlassen im Rollstuhl vor Dutzenden Zuschauern - verzichtet.“
Was also will die Gemeindeverwaltung mit dieser gewiss nicht kostenlosen ’Mobilmachung’ des Malteser Hilfsdienstes bezwecken, wenn nicht mittels einer fragwürdigen und fadenscheinigen ’Schaufenster-Action’ die Familie Eichner und ihren Bürgerantrag zum barrierefreien Zugang zu den Untersteinacher GR-Sitzungen zu desavouieren?
Es bleibt noch festzuhalten:
Wer einer Gemeinderats-Sitzung als Zuhörer/in beiwohnen will, muss sich hierfür nicht tagelang vorher entscheiden und sich bei der Gemeindeverwaltung anmelden:
Vielmehr kann er diese Entscheidung kurzfristig treffen, sogar wenn eine GR-Sitzung bereits begonnen hat!
Und man kann eine GR-Sitzung auch jederzeit wieder verlassen: also auch während die GR-Sitzung noch
Es ist schade, daß sich die Malteser als Statisten für diese lokalpolitische Auseinandersetzung haben rekrutieren lassen, dafür ist ihre Arbeit eigentlich zu wichtig.
Nun, diese Inszenierung trägt jedenfalls nicht gerade zu einem sachlichen Diskurs zum Thema bei, wie Bürgermeister Volker Schmiechen eigentlich ausdrücklich betonte. Oder werden die Malteser zukünftig etwa bei jeder Gemeinderatssitzung in Untersteinach unaufgefordert anrücken ?
Der von uns initiierte Bürgerantrag ist dennoch richtig und wichtig - und ich hoffe inständig, daß sich die Mitglieder des Untersteinacher Gemeinderats von unseren Argumenten überzeugen lassen und allen Menschen - ob behindert oder nicht - die unkomplizierte Teilnahme an Gemeinderatssitzungen ermöglichen werden.
Tobias Eichner
Bürgerinitiative untersteinach-transparent.de