"Tante Anna" allein mit 35 Kindern

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1952: "Tante Anna" (hinten rechts) unternahm mit ihren Schützlingen einen unbekümmerten Sommerspaziergang, als die Sonne noch unbedenklich war. Foto: Karin Horter
1952: "Tante Anna" (hinten rechts) unternahm mit ihren Schützlingen einen unbekümmerten Sommerspaziergang, als die Sonne noch unbedenklich war. Foto: Karin Horter
Anna Hübner feiert ihren 90. Geburtstag.
Anna Hübner feiert ihren 90. Geburtstag.
 

Die Leiterin des ersten Trebgaster Kindergartens, Anna Hübner, wird heute 90 Jahre alt. Ihre soziale Einstellung und Liebe zu den Mädchen und Jungen sind unvergessen. Durch ihre Initiative ist auch der Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt gegründet worden.

Fragt man in Trebgast nach Anna Hübner, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man eine zufrieden stellende Antwort bekommt. Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich jedoch um ein Vielfaches, wenn man sich nach "Tante Anna" erkundigt. Und die kann heute ihren 90. Geburtstag feiern.

Geboren und konfirmiert wurde Anna Hübner in Neudrossenfeld, wo sie auch die Schule besuchte. Mit 16 Jahren kam sie nach Trebgast. "Es war ja Krieg. Ich entschied mich für eine Ausbildung zur Kindergärtnerin", schildert sie die damalige Zeit. "Dazu musste ich in die Oberpfalz. Über Schwandorf und Kallmünz, wo evakuierte Hamburger Kinder betreut wurden, kam ich 1942 nach Glashütten. Gewohnt habe ich da bei der Köchin, die im Kindergarten die Mittagsverpflegung zubereitete."

Elternhaus brennt zur Hochzeit

Ihre Hochzeit 1944 wird sie nie vergessen. "In einer sprichwörtlich ‚heißen‘ Hochzeitsnacht brannte das Elternhaus ab, in dem wir zuvor noch gefeiert hatten. Ich stand wieder vor dem Nichts und musste nach Ende des Krieges mit meinem Mann Hans ganz von vorne anfangen."

Nach der Geburt von Sohn Dieter (1945) und Tochter Gisela (1947) folgte Anfang der fünfziger Jahre auch ein beruflicher Neubeginn. "1952 initiierten 50 Frauen eine Unterschriftenaktion und forderten die Gemeinde auf, eine Betreuung für ihre Kinder anzubieten. Daraufhin richtete der damalige Bürgermeister Kurt Held in einer Werkstatt in einem Hinterhof in der Bayreuther Straße (heute Anwesen König) den ersten gemeindlichen Kindergarten ein", erzählt Anna Hübner, die sich daraufhin bewarb und am 1. Juni des gleichen Jahres die Leitung übernahm.

100 Mark Gehalt im Monat

Auch was sie damals verdiente, weiß die Jubilarin noch genau: "Mein monatliches Gehalt betrug 100 Mark."
Ende 1955 siedelte der Kindergarten in das neu errichtete Schulhaus über. Bis 1972 betreute "Tante Anna" dort, größtenteils alleine, durchschnittlich etwa 35 Kinder.

Ludwig Linhardt, der 1963 als Lehrer nach Trebgast versetzt wurde und die Schule ab 1970 leitete, erinnert sich noch gut: "Trotz der schwierigen räumlichen Verhältnisse war es ein harmonisches Miteinander von Lehrern und der allseits beliebten, von Eltern und Kindern gleichermaßen hochgeschätzten ‚Tante Anna‘ als alleiniger Erzieherin und Leiterin." Er könne sich nicht an eine einzige Dissonanz erinnern. Wohl aber an ihre hervorragende Erziehungsarbeit in dem einen Raum, in dem mittags die Kinder ihre Liegen aufklappten und sich mit einer Geschichte in einen kurzen Schlaf versetzen ließen.

Altbürgermeister Siegfried Küspert zählte zu Anna Hübners ersten "Klienten" in Trebgast. "Tante Anna war für Trebgast ein Glücksfall. Sie verstand es hervorragend, uns auf die Schule und den Ernst des beginnenden Lebens vorzubereiten. Wir lernten, sowohl uns unterzuordnen, als uns in der Gruppe zu behaupten. Sie vermittelte uns mit ihrem gesunden Menschenverstand, ihrer überaus großen sozialen Einstellung und Liebe zu den Kindern die ersten Werte des menschlichen Zusammenseins." Die Badestunden in der Trebgast hinter dem damaligen Sägewerk Küfner oder das "Schlafen müssen" auf den Bast-Liegen seien heute noch Gesprächsthemen der inzwischen auch schon in die Jahre gekommenen Kindergartenkinder der damaligen Zeit.

Ihre soziale Einstellung prägte auch das Handeln von Anna Hübner nach Beendigung ihrer Berufszeit. Sie gründete den "Kleinen Chor", der in der Kirche zu Hochzeiten und Beerdigungen sang. Unter ihrer Regie wurden die erste Erntekrone für die Kirche gebunden und zum Erntedankfest der Altar geschmückt. Sie gab Flötenunterricht für Schüler und veranstaltete, nicht nur in der vorweihnachtlichen Zeit, Bastel- und Singstunden.

Großes soziales Engagement

Als die damalige kirchliche Gemeindeschwester Babette nicht mehr tätig war und keine nachfolgte, sorgte Anna Hübner bei der Awo-Kreisgeschäftsstelle dafür, dass Kulmbacher Schwestern die Betreuung und medizinische Hilfestellung für Trebgaster Bürger mit übernahmen. Sie suchte sich gleichgesinnte Frauen, die sie bei ihrem sozialen Engagement, der Erledigung häuslicher Arbeiten bei Pflegebedürftigen, unterstützten. Auf ihre Initiative wurde am 24. November 1979 mit Hilfe des damaligen Landtagsabgeordneten Heiner Stenglein, Oskar Schmidt und Werner Grampp der Arbeiterwohlfahrt-Ortsverein mit 38 Mitgliedern aus der Taufe gehoben. Bereits ein Jahr darauf gründete und leitete Anna Hübner das Herzstück des Awo-Ortsvereins, die Frauentanzgruppe, der damals etwa 20 Frauen angehörten und die heute noch aktiv ist. Bei der Umrahmung der vielfältigsten Veranstaltungen in der Folgezeit, bei Festen, Feiern, Organisation von Kinder- und Seniorenerholungen, Ausflügen, und Besuchen von Awo-Einrichtungen, war sie als Motor immer an vorderster Front dabei.

Zum Ehrenmitglied ernannt

Ehrenzeichen der Awo, der Hans-Weinberger-Akademie (Weinberger war Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt von 1948 bis 1969) und die Ernennung zum Ehrenmitglied blieben dadurch nicht aus.
Trotz altersbedingter körperlicher Einschränkungen - die Beine spielen nicht mehr so richtig mit - kommt sie bisher noch zuhause in ihrer gewohnten Umgebung zurecht. Gratulanten sind heute ab 15 Uhr am Lettenweg 6 (bei Tochter Gisela) willkommen.