Ab 2020 müssen Hebammen ein Studium vorweisen können. In Kulmbach diskutierten Vertreter aus Politik und Praxis , wie das aussehen könnte.
Deutschland ist der einzige weiße Fleck auf der Landkarte, die Yvonne Bovermann vom Deutschen Hebammenverband zur Podiumsdiskussion nach
Kulmbach mitgebracht hat. Alle Länder der europäischen Union der EU haben den Hebammenberuf bereits akademisiert. Nur in Deutschland wird er noch an Schulen via Ausbildung erlernt.
Ausbildung auch an Kliniken?
Doch bis zum 18. Januar 2020 soll auch in Deutschland die Akademisierung vollzogen sein. Das ist ein Thema, das der Politik und den Berufsvertretern auf den Nägeln brennt. Denn bislang gibt es weder Professoren noch Hochschulen. "Ich setze mich dafür ein, dass es Bayern zwei Hochschule geben soll und dass alle Kliniken ausbilden dürfen", erklärte CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner, die die Diskussion in der Kommunbräu initiiert hatte.
Gleichzeitig müsse es jedoch gelingen, die Betreuung auch während der Ausbildungsumstellung sicherzustellen. Zeulner machte sich dafür stark, dass nicht nur an sogenannten Level-1-Kliniken mit Perinatalzentrum und Spezialausstattung Hebammen ausgebildet werden können, sondern auch in Landkrankenhäusern. Aus diesem Grund müsse es Praxisanleiterinnen geben.
Doch die Qualifikation zur Praxisanleiterin sei nicht so einfach zu bewerkstelligen, merkte die freiberuflich arbeitende Hebamme Kathrin Reich aus Bayreuth an. Denn die Zeit für eine zusätzliche Qualifikation fehle.
Modell-Uni in Bochum
Nicola H. Bauer ist Professorin für Hebammenwissenschaft an einer Modellhochschule in Bochum. Bereits ab Ende des ersten Semesters würden die Hebammen dort praxisnah ausgebildet. Insgesamt umfasse das Studium 4360 Theoriestunden. Die Studentinnen sollten an mindestens zwei Kliniken arbeiten und zwölf Wochen freiberuflich tätig seien. Im siebten Semester, so Bauer, werde das staatliche Examen abgenommen, im achten Semester stehe die Bachelor-Arbeit an.
Tatsächlich ist die Umstellung auch angesichts des akuten Hebammenmangels in Bayern eine Herausforderung. "Aber die Akademisierung des Berufs steigert auch den Wert des Berufs. Wenn Hebamme ein Männerberuf wäre, wäre er längst akademisiert", so Bauer.
Übergangsfrist nötig
Nur 2700 freiberufliche und 731 festangestellte Hebammen gibt es. Nach einer neuen Studie werden pro Jahr in ganz Bayern gerade einmal 100 Hebammen ausgebildet. Aus diesem Grund müsse es auch eine mittel- oder langfristige Übergangsfrist für Frauen geben, die seit vielen Jahren diesen Beruf ausüben, geben, forderte Emmi Zeulner.
"Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Wir sind im Landkreis Lichtenfels zu viert - bei 500 Geburten im Jahr", sagte Elisabeth Zipfel. Sie ist Kreissprecherin der freiberuflichen Hebammen in Lichtenfels und Kronach. "Bei mir rufen Frauen schon an, wenn sie einen positiven Schwangerschaftstest haben. Nur so kann die Versorgung gewährleistet werden."
Bedarfsplanung fehlt
Auch im Landkreis Kulmbach könnte es mehr Hebammen geben, erklärte die Kreissprecherin Anja Maier. Die Krux an der Situation sei jedoch, dass es keine Bedarfsplanung gibt.
Bei einer Analyse der Zahlen wird klar, dass die Umstellung der Ausbildung nicht zwangsläufig mit einem Rückgang verbunden sein müsste. Schon jetzt haben 90 Prozent der Hebammen eine Zugangsberechtigung für Hochschulen, also zwölf Jahre Schule mit Abitur oder Fachabitur als Abschluss.
Bei der Diskussion waren auch Vertreter der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Coburg vertreten. Die Vorsitzende des Bayerischen Hebammenlandesverbands, Astrid Giesen, machte sich für eine zügige Bekanntgabe der Hochschulstandorte stark.
Sehr engagiert trat auch Yvonne Bovermann vom Deutschen Hebammenverband auf. Sie forderte ein Entgelt für die Praxis. "Krankenhäuser könnten eventuell einen Verbund bilden, so dass sie sich eine Praxisanleiterin teilen könnten", so Bovermann. Sie erhofft sich von der Akademisierung der Ausbildung einen lebendigen und reflektierten Austausch. "Sogar Luxemburg, Estland und Lettland sind an uns vorbeigezogen. Es gibt keinen anderen Beruf, der mit mittlerer Reife und einer dreijährigen Ausbildung derart viel Verantwortung trägt."
Bedarf steigt ständig
Der Bedarf an Hebammen ist trotz rückläufiger Geburtenzahlen gestiegen. Denn sie betreuen die Mütter nicht nur bei der Geburt, sondern auch während der Wochenbettzeit, manchmal sogar bis zum Ende der Stillzeit.
"Wenn ich höre, dass manche Hebammen vier Frauen betreuen, kann ich nur lachen. Ich habe 16 Frauen im Monat. Ich hatte keinen freien Tag seit sechs Wochen", so Elisabeth Zipfel.