Stadtsteinacher war Ludwig Thomas Kartelbruder

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Glückliche Tage in Oderding (von rechts): Ehefrau Kathinka, Christof Schramm, Schwiegermutter Mathilde Pauli und Schwägerin Elisabeth Pauli, die als erste weibliche Ärztin Münchens Geschichte schrieb.
Glückliche Tage in Oderding (von rechts): Ehefrau Kathinka, Christof Schramm, Schwiegermutter Mathilde Pauli und Schwägerin Elisabeth Pauli, die als erste weibliche Ärztin Münchens Geschichte schrieb.
In einem kleinen Haus in der "Woschdsuppengass" wurde "des Stofela" geboren. Reproduktionen: Siegfried Sesselmann
In einem kleinen Haus in der "Woschdsuppengass" wurde "des Stofela" geboren.  Reproduktionen: Siegfried Sesselmann
 
Christof Schramm im Alter von 90 Jahren.
Christof Schramm im Alter von 90 Jahren.
 

Der Stadtsteinacher Christof Schramm (1871-1966) hat als hoch angesehener Jurist in München Karriere gemacht.

Ein wohl jeder kennt die Lausbubengeschichten des Heimatdichters, Rechtsanwaltes und Tegernseers Ludwig Thoma (1867-1921). In diesem Stück, das etwa in der Zeit um 1886 spielt, ruft der Patenonkel, der Landtagsabgeordnete Josef Filser, einem unfähigen Beamten zu: "Zur Strafe werden Sie versetzt - nach Oberfranken!" Und dann sucht sich dieser satirische Schriftsteller, der sich nie mit beißender Kritik an Gesellschaft, Kirche und Staat zurück hielt, ausgerechnet einen Berufskollegen aus Oberfranken, um mit ihm Karten zu spielen: den in Stadtsteinach geborenen Justizrat Dr. Christof Schramm.

Der Vater von Christof Schramm war Michael Schramm, der Sohn des Müllers Johann Schramm, der die Müllerswitwe Josepha Dittwar in der Hammermühle ehelichte. Die Mutter war eine Katharina Schott. Sie brachte wahrscheinlich den Hausnamen mit, der bis heute noch existiert.

Als Christof am 29.
April 1871 als viertes Kind geboren wurde, waren seine Eltern kleine, ärmliche Bauern. Sie wohnten im Burggraben, der bei den Einheimischen als "Woschdsuppengass" bezeichnet wurde, alle nannten den kleinen Christof liebevoll "Stofela".

Freiplatz im Aufseesianum

In der Schule fiel der Junge besonders im Fach Rechnen auf, wenn er den Lehrer beredete, weil der sich an der Tafel verrechnet hatte. So wurden Schulleiter und Kaplan eingeschaltet, um den gewieften Schüler ins Gymnasium zu bringen - natürlich in der Hoffnung, dass er später Pfarrer werden würde. Die Eltern waren zwar stolz darüber, aber ängstlich. Nachdem der Kaplan einen Freiplatz im Aufseesianum im Bamberg besorgt hatte, waren die weiteren Weichen gestellt. Da er gleich in die Quarta kam (entspricht heute der 7. Klasse), verblieb er nur von 1883 bis 1890 dort.

Um sein Taschengeld aufzubessern, unterrichtete Christof Schramm nebenbei einen Schüler namens Balduin Pauli, dessen begüterte Eltern aus Nordheim (Bad Kissingen) stammten. Diese Begegnung sollte für den jungen Stadtsteinacher noch von besonderer Bedeutung sein - und das in mehrfacher Hinsicht.

In München an der Universität schnupperte er in die Bereiche Mathematik, Medizin und Philosophie, um letztendlich bei der Juristei zu bleiben. Das bayerische Kultusministerium gewährte ihm Zuwendungen aus dem Fond des Maximilianeums, was eine hohe Ehre darstellte, denn nur wenige Hochbegabte kamen in diesen Genuss.

Nun spielte wieder der Zufall Schicksal: Die Familie seines ehemaligen Nachhilfeschülers Balduin Pauli zog nach München. Bei ihr fand er freie Unterkunft und Verpflegung. Den Sohn des Hauses unterrichtete er weiter.
Die finanzielle Situation schien gerettet. Christof Schramm beendete sein Jurastudium 1894. Drei Jahre später legte er sein Staatsexamen ab und landete auf einem hervorragenden Platz in den Gesamtnoten.

Die große Liebe Kathinka

Und der junge Stadtsteinacher sollte sogar die Liebe finden - in Gestalt der Schwester von Balduin im Hause Pauli. 1898 heiratete er Kathinka Pauli.

So lief alles wie am Schnürchen. Christof Schramm knüpfte als herausragender Rechtsanwalt Kontakte zu Kollegen und deren Klientel. In dem Advokaten Max Danzer fand er einen besonderen Fürsprecher, dessen Klient wiederum sein Schwiegervater Pauli war. So wuchs er in seine Spezialgebiete, nämlich das Patentrecht und den gewerblichen Rechtsschutz und später das Baurecht. Sein Sohn Dr. Carl Schramm baute als Anwalt diese Sparte weiter aus.

Durch seinen wohlhabenden Schwiegervater Pauli, der in Schwabing viele Grundstücke besaß, wurde Christof Schramm in Sachen Grundstücks- und Baurecht eine Koryphäe, so dass er nun ein gefragter Sachverständiger bei Gericht in ganz Oberbayern wurde.

Aber die Energie Schramms reichte noch weiter: Er wurde Aufsichtsratsmitglied bei der Bayern Boden AG, Mitglied und fünf Jahre Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, war im Aufsichtsrat der Firma Hösch, der Firma Franz Kathreiner (zwölf Jahre Vorstand) und der Bierbrauerei Pschorr. Alle zusätzlichen Posten Schramms zu erwähnen, das würde den Rahmen sprengen. Sie zeigen jedoch die große Bedeutung des Stadtsteinachers in der Stadt München. Viele suchten seine Kompetenz und seinen juristischen Rat - auch in höchsten Kreisen.

Der "Anwaltsbettler"

Sein soziales Engagement zeigte er in der Rechtsanwaltskammer, wo er sich um die Witwen und Waisen verstorbener Anwälte kümmerte und so von seinen Kollegen oft liebevoll der "Anwaltsbettler" genannt wurde.

Im Jahre 1920 gründete Christof Schramm den Münchner Anwaltsverein. Er war Vorsitzender der Anwaltskammer am Oberlandesgericht München und bekam vom bayerischen Justizminister den Verdienstorden 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Mit 83 Jahren ging Justizrat Dr. Christof Schramm noch zu Gericht und war als Anwalt bei seinem Sohn tätig. Er starb am 15. Februar 1966 kurz vor seinem 95. Geburtstag.

Christof Schramms Wurzeln waren bäuerlich geprägt. Diesem Stand eng verbunden, kaufte er 1911 einen Bauernhof in Oderding bei Weilheim, den über 1400 Jahre alten Salabauer-Hof. Einige seiner Nachfahren leben heute noch in Oderding.

Dass Christof Schramm noch Zeit und Muse fand, mit dem Heimatdichter Ludwig Thoma Karten zu spielen, ist bewundernswert, zeugt aber auch von großer Wertschätzung und einer herausragenden Persönlichkeit, die im Münchner Raum enorme Anerkennung fand.

Die Nachfahren seines Bruders, des Holzhändlers und Fuhrmanns Johann Schramm (1863-1928), sind über Christoph Schramm (1900-1965) zu Otto Schramm und Adolf Schramm noch in Stadtsteinach zu finden‚ ferner über seine Nichte Dorothea Schramm (1897-1993), verehelichte Behrschmidt, zu den Familien Memmert und Kotschenreuther.