Stadtsteinacher macht Karriere am Kultusministerium

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Der Ehrenbürger von Stadtsteinach erhielt 1966 anlässlich seines 90. Geburtstags aus den Händen von Bürgermeister Egid Kotschenreuther ein Ölgemälde mit Ansichten von Stadtsteinach. Repro: Siefgried Sesselmann
Der Ehrenbürger von Stadtsteinach erhielt 1966 anlässlich seines 90. Geburtstags aus den Händen von Bürgermeister Egid Kotschenreuther ein Ölgemälde mit Ansichten von Stadtsteinach. Repro: Siefgried Sesselmann
Mit Johann "Hans" Bauerschmidt leitete ein Stadtsteinacher von 1925 bis 1943 die bayerischen Gymnasien im Kultusministerium in München.
Mit Johann "Hans" Bauerschmidt leitete ein Stadtsteinacher von 1925 bis 1943 die bayerischen Gymnasien im Kultusministerium in München.
 

Hans Bauerschmidt war ein gebürtiger Stadtsteinacher, der eine bespiellose Karriere im Kultusministerium in München machte.

Da nach dem Kriegsende beabsichtigt war, Franz Josef Strauß zum stellvertretenden Landrat des Landkreises Schongau zu ernennen, sollte er wie so viele andere entnazifiziert werden. Alle Fragen nach einer Mitgliedschaft in der NSDAP beantwortete er mit "Nein".


Franz Josef Strauß beurteilt


Außerdem griff man auf eine Beurteilung eines Ministerialrates des Bayerischen Staatsministeriums zurück. Der hatte, als es 1943 um Strauß' Ernennung zum Studienrat ging, die Frage nach der Mitgliedschaft in der NSDAP ebenfalls verneint. Der damals zuständige Ministerialrat Hans Bauerschmidt, ein gebürtiger Stadtsteiinacher, war Vorsitzender der ministeriellen Prüfungskommission, die das sehr gute Erste Staatsexamen von Strauß bewertet hatte. Er schrieb: "Während seiner kurzen Zeit seiner unterrichtlichen Tätigkeit - er war vom 18.11.1940 bis 14.04.1941 vom Wehrdienst beurlaubt - hat er sich als sehr gut begabter Lehrer mit geistiger Weite und natürlichem Lehrgeschick erwiesen. Über seine politische Haltung ist nichts Nachteiliges bekannt geworden." Die Ernennung zum Studienrat für klassische Sprachen und Geschichte erfolgte zum 20. April 1943 an der Oberschule für Jungen in der Damenstiftstraße in München.

Hans Bauerschmidt brachte alle Voraussetzungen mit, um in einer beispiellosen Karriere bis zum Ministerialrat für Gymnasien im Kultusministerium in München zu gelangen.

Der Name "Pauerschmidt" taucht bereits um 1570 mehrfach in verschiedenen Berufen in Stadtsteinach auf, 1645 sogar als Bürgermeister. Der Name "Bauerschmidt" ist mit über 500 Nennungen seit 1600 wohl einer der häufigsten Namen in Stadtsteinach. Im Haus Nummer 4, heute Marktplatz 4, lebte 1770 ein Benedikt Bauerschmidt, 1825 ein Sattler Johann Adam Bauerschmidt und 1860 dessen Sohn der Sattler Johann Adam Bauerschmidt. Am 29.06.1876 kam sein Sohn Johann Bauerschmidt zur Welt, der spätere Ministerialrat. Seine Schwester Maria (geboren am 03.11.1885) heiratete 1907 den Metzgermeister Johann Hümmer aus der Hauptstraße 19.


In der Schule positiv aufgefallen


Anscheinend fiel der junge Johann (später Hans) Bauerschmidt in der Volksschule in Stadtsteinach positiv auf, weswegen sein Lehrer Johann Tittel die Eltern überredete, eine höhere Bildung für den kleinen Hans einzuschlagen. So ging er mit 10 Jahren als Aufsessianer 1895 nach Bamberg an das "Alte Gymnasium" (jetzt Kaiser-Heinrich-Gymnasium), das er mit einem hervorragenden Reifezeugnis verließ.

Sein Interessensschwerpunkt lag schon als Schüler in der Altphilosophie und so wechselte er zum Studium an die Universität Würzburg. In der Burschenschaft Germania Würzburg fand er neue Freunde, die sich untereinander "Germanen" nannten und sich gegenseitig ein Leben lang förderten. Zwar handelte es sich um eine pflichtschlagende Studentenverbindung, die aber parteipolitisch ungebunden mit dem Wahlspruch warb: Ehre, Freiheit, Vaterland. Diese Jahre prägten den jungen Hans Bauerschmidt und dauerhafte Freundschaften entstanden.


Wanderjahre nach der Doktorarbeit


Die Prüfung für die klassischen Sprachen Griechisch und Latein, für Deutsch und für Geschichte legte er 1898/99 in München ab. Es folgte das Seminarjahr am humanistischen Gymnasium Erlangen mit gleichzeitigem Bestehens seines Doktorexamens. Nach Ableistung der Dienstzeit als Einjährig-Freiwilliger 1900/01 in Bayreuth fand er im Oktober 1901 seine erste Anstellung als Gymnasialassistent am Real- und Reformrealgymnasium in Nürnberg. Seine Wanderjahre folgten und der berufliche Aufstieg war gelegt.

1904 Gymnasiallehrer in Dillingen an der Donau, 1907 Versetzung an das Realgymnasium München, 1913 Gymnasialprofessor am Königlich Bayerischen Kadettenkorps in München.

Der Erste Weltkrieg brachte eine Zäsur in seine Schulzeit. Mit 38 Jahren begann eine vierjährige Zeit als Kriegsteilnehmer, zunächst als Oberleutnant und Bataillonsadjutant, sodann als Hauptmann und stellvertretender Bataillonsführer, nach Kriegsende Major der Landwehr.


Beförderung zum Ministerialrat


Im November 1918 kehrte er an die Schule des Kadettenkorps, die sodann aufgelöst wurde. Im Jahre 1920 erfolgte seine Versetzung an das Wittelsbacher Gymnasium in München. Gleichzeitig übernahm er besondere Dienstleistungen im Auftrag des Bayerischen Unterrichts- und Kultusministeriums. So war es nicht verwunderlich, als er im Jahre 1925 vollends ins Kultusministerium berufen wurde, wo er einige Jahre später die Leitung des bayerischen Schulwesens, Abteilung Gymnasien, mit dem Titel Ministerialrat übernahm.

Bahnbrechend in pädagogischen Fragen wusste der über Bayerns Grenzen hinaus geachtete Ministerialrat, aufbauend auf dem Werk seines Vorgängers, des Bambergers Melber, das bayerische Schulwesen tatkräftig zu fördern und erwarb sich durch die Einbeziehung der staatsbürgerlichen Bildung in das gymnasiale Unterrichtsziel bleibende Verdienste. Da der aufrechte Mann bei der Durchsetzung seiner aus früherer Zeit bewährten Erziehungsziele mit den Machthabern des III. Reiches allmählich in Zwiespalt geriet, musste er 1943 aus seinem Amt ausscheiden.

Für Geschichtsbücher an Höheren Schulen war im Kultusministerium nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wie vorher der "vaterländisch-konservative" Hans Bauerschmidt zuständig. Er verlangte von sich aus weder Veränderungen in den Lehrbüchern noch Ergänzungen und suchte Verschärfungen zu umgehen. Auch Änderungen in Biologiebüchern (Rassentheorie) wurden vom standhaften Ministerialrat hinausgezögert oder gar verhindert.


Er weigerte sich, die Geschichte umzuschreiben


Er, der bis 1921 im Vorstand des Geschichtslehrerverbandes war, 1916 einen "Leitfaden für vaterländischen Unterricht" verfasste, blieb standhaft gegen Druck des Staatsrates Boepple, der nach Hans Schemms Tod 1935 das Kultusministerium leitete. Er weigerte sich vehement die Geschichte im Sinne der Nazis in der Lehre zu ändern.

Aber noch nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus stellte er in Wort und Schrift seine ungebrochene Kraft für den Neuaufbau des bayerischen Schulwesens nach 1945 zur Verfügung, setzte sich namentlich für die gute alte bayerische Ferienordnung und Schuljahrordnung ein und kämpfte für den ungeschmälerten Fortbestand des humanistischen Gymnasiums. Seine von ihm verfassten Lektürehefte wurden nach 1945 weiter verwendet, was eine hohe Anerkennung für den Autor bedeutete,


1954 erhielt er das Bundesverdienstkreuz


Dem "hochverdienten Schulmann", so die Begründung, wurde auch wegen seiner mutigen Standhaftigkeit gegen das NS-Regime im Jahre 1954 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Eine besondere Freude war für ihn im gleichen Jahr die Ernennung zum Ehrenbürger seiner geliebten Heimatstadt Stadtsteinach, die er mit Ausnahme der Kriegsjahre, jedes Jahr besuchte. Im festlich geschmückten Sitzungssaal des Rathauses überreichte der Bürgermeister Egid Kotschenreuther die Ehrenurkunde mit dem Stadtsteinacher Wappen, die seine "in langjähriger Treue und Verbundenheit um das Gemeinwohl seiner Vaterstadt" entsprechend würdigt. Anschließend lud der neue Ehrenbürger in sein früheres Elternhaus ein, der Gaststätte Hans Hümmer am Marktplatz.

Sechs Jahre später erhielt der 86-jährige Hans Bauerschmidt den Bayerischen Verdienstorden am Band im Jahre 1962.

Anlässlich seines 90. Geburtstages 1966 veranstaltete der Stadtsteinacher Stadtrat im September 1966 eine Nachfeier im Rathaus, wobei ihm ein Ölbild von Stadtsteinach übergeben wurde. Es handelte sich um eine herrliche Bildcollage mit Ansichten seines Elternhauses, des Christopherusbrunnens am Marktplatz, der Ruine Nordeck und der Pfarrkirche. Dr. Hans Bauerschmidt starb an den Folgen eines Unterschenkelhalsbruches am 25. Februar 1968 und fand seine letzte Ruhe auf dem Bogenhausener Friedhof in München.