So gut wie Merlin Hummel war bislang noch kein Werfer aus der Medaillen-Schmiede des UAC Kulmbach und TSV Stadtsteinach..
Hoffnungsvolle Talente hat Martin Ständner schon einige entdeckt und gefördert. Viele von ihnen führte er zu nationalen Titeln im Jugendbereich, manche auch ins Nationalteam und zu Europa- und Weltmeisterschaften. Doch immer wieder musste der Macher der Trainingsgemeinschaft UAC Kulmbach/TSV Stadtsteinach leidvoll mit ansehen, wie viele aus seiner Medaillen-Schmiede ihr Talent leichtfertig verschleuderten. Selbst ein Kai Grüner, immerhin 2008 zu Deutschlands Nachwuchs-Leichtathleten des Jahres gekürt, gab seine hoffnungsvolle Karriere von heute auf morgen auf.
Doch jetzt hat Martin Ständner wieder ein ganz heißes Eisen im Feuer, vielleicht das heißeste in seiner über 30-jährigen Trainerlaufbahn. Denn so gut wie Merlin Hummel war noch kein UAC-Athlet vor ihm. Der 17-jährige Burghaiger feierte unlängst seinen größten sportlichen Erfolg. Bei den olympischen Jugend-Spielen der Europäer in Baku (Aserbaidschan) gewann mit 81,06 Metern Silber, der zweitbesten Leistung in der Weltrangliste 2019. Damit verpasste der Kulmbacher den 22 Jahre alten deutschen U18-Rekord von Markus Esser nur um 98 Zentimenter.
Eine Leistungsexplosion
National stand Merlin Hummel stets im Schatten des gleichaltrigen Sören Hilbig, dem Sohn der ehemaligen deutschen Spitzenhammerwerfer Holger Klose und Kirsten Münchow, die einst auch von Martin Ständner trainiert wurde. Hilbig war 2018 mit 75,43 Metern bester Deutscher, Merlin folgte mit 72,85 Metern auf Rang 3. "Im vergangenen Jahr lief es nicht gut, ich wollte sogar schon aufhören", verrät Merlin Hummel.
Doch bei der deutschen Winterwurf-Meisterschaft 2019 gelang dem Burghaiger der erste Triumph über seinen Dauerrivalen. Während Sören Hilbigs Leistungen stagnierten - er war heuer erst 74,14 Meter - , schraubte Merlin seinen Hausrekord mit dem fünf Kilogramm schweren U18-Jugendhammer um fast neun Meter nach oben - eine nicht alltägliche Leistungsexplosion. Sein Trainer erklärt: "Wir haben im Herbst 2018 einiges verändert, arbeiten seitdem auch mit einem Osteopathen zusammen. Merlin ist auch als Individuum gereift und hat seit Herbst keine Trainingseinheit mehr ausfallen lassen. Er ist sehr fokussiert und investiert sehr viel in seinen Sport. Und er hat die Bereitschaft, sich zu quälen." Zur passenden Psyche bringt Merlin auch außergewöhnliche physische Qualitäten mit, wie sein Martin Ständner sagt: "Er hat einen unheimlich stabilen Knochenbau, lange Arme und eine gute Schnellkraft. Merlin kann auch die 60 Meter ganz ordentlich laufen."
Die Bizeps-Pose
Welch gesundes Selbstbewusstsein er besitzt, zeigte Merlin schon beim Einlauf ins riesige Stadion von Baku. Denn der 17-jährige UAC-Athlet ließ vor der Quali seine großen Bizeps-Muskeln spielen. Eine Pose als klare Kampfansage an die Konkurrenten, die seinem Trainer gefiel: "Mit breiter Brust an eine Aufgabe herangehen, so muss es sein!" Die Qualifikation überstand Merlin dann auch mühelos und überzeugte im Finale der besten acht Hammerwerfer mit konstanten Weltklasse-Leistungen. "Zum Saisonhöhepunkt Bestleistung werfen - was will man mehr?", meint Martin Ständner.
Die Brust des so Gelobten ist durch den Erfolg von Baku noch breiter geworden: "Das war ein geiler Moment, als die Zahl 81 auf der Anzeigentafel stand. Mein Ziel war immer, die 80 Meter zu werfen und in der Weltspitze vorne dabei sein. Nun habe ich auch das Feuer, dieses Niveau zu halten und oben zu bleiben." Deshalb werde er auch weiter "trainieren, wann immer ich kann".
Der verhinderte Deutsche Meister
Große Wettkämpfe stehen heuer für Merlin Hummel nicht mehr auf dem Programm, den Saisonhöhepunkt hat er mit Baku bereits hinter sich. Ärgerlich nur für ihn, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband die deutsche Jugendmeisterschaft zeitgleich mit den Spielen in Baku angesetzt hat. "Da wurden die besten 24 Talente Deutschlands um mögliche Titel gebracht", sagt Martin Ständner kopfschüttelnd. Sein Athlet hätte in Ulm wohl mühelos Gold geholt, reichten doch Raphael Winkelvoss läppische 70,04 Meter zum Sieg. Der verhinderte Deutsche Meister nimmt's aber gelassen: "Egal - Silber bei Jugend-Olympia war eh zehn Mal geiler."