Nach dem Busunfall auf der A9 bei Münchberg läuft die Debatte über die Rettungsgasse. Warum wird sie oft nicht gebildet? Sind höhere Bußgelder die Lösung?
"Das Nichtbeachten der Rettungsgasse nimmt nicht zu", sagt Jörg Garzke, der seit 30 Jahren Fahrlehrer ist. "Das hat noch nie geklappt." Über die Gründe spekuliert er schon lange. Vielleicht, so der Ausbilder der Kulmbacher Fahrschule Lang, ist eine Grundhaltung Schuld. Ein ungarischer Lkw-Fahrer habe ihm einmal gesagt, dass Deutsche liebe Menschen seien, bis sie sich ins Auto setzten. Garzke: "Da ist oft etwas dran. Autofahrer denken nur an sich selbst." Weiterhin könne die Neugier ein Faktor sein. "Wenn man weiter vor fährt, um gut zu sehen, was passiert, ist es für die Gasse schon zu spät."
Umfassendes Ausbildungsthema
An der Ausbildung der Fahranfänger indes liege es nicht. "Mehr kann man nicht machen", sagt Garzke, der in seinen Theoriestunden zunächst Arbeitsblätter zur Rettungsgasse verteilt, anschließend Lehrfilme zeigt und danach die Schüler das Gesehene an die Tafel malen lässt.
Um das Bilden der Rettungsgasse zu verbessern, plädiert der Fahrlehrer für härtere Strafen. "Auf Einsicht zu hoffen, bringt nichts. Wer mit dem Handy filmt statt eine Gasse zu bilden, dem hilft nur ein halbes Jahr ohne Führerschein."
Aufklärung das Wichtigste
Einen anderen Ansatz vertritt Günther Ott, Fahrschul-Inhaber aus Stadtsteinach. "Aufklärung, Aufklärung und immer wieder Aufklärung. Das ist das einzige, was hilft", sagt der 66-Jährige, der sein Wissen gerne weitergibt und in der Reservistenkameradschaft oder im VdK schon zu Verkehrsthemen referiert hat. "Diese Vorträge kann man überall halten", appelliert Ott an seine Kollegen.
Denn seiner Meinung nach bereiten nicht die jungen Fahrer Probleme. "Die Fahrschüler sind besser als ihr Ruf", meint Ott, der in den Theoriestunden des Blocks "Unfall/Unfallerkennung" ausführlich erklärt, wie die Rettungsgasse funktioniert. Eher, sagt er, hätten manche Ältere vergessen, wie es geht.
Generell aber lobt Ott die Autofahrer im Raum Kulmbach. Das Vorbeilassen der Rettungsdienste klappe im Allgemeinen gut, in Ballungszentren werde aggressiver gefahren.
Kampf gegen das Überhören
Dass es viele Vernünftige gebe, bestätigt auch Michael Martin, Rettungsdienstleiter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Aber eben auch Uneinsichtige, die keine Rettungsgasse bilden oder in Einzelfällen sogar dreist hinter den Rettern durch die Gasse fahren. "Dann melden wir das Kennzeichen der Polizei."
Doch nicht nur auf der Autobahn, auch auf Landstraßen würden BRK-Fahrzeuge trotz Blaulicht und Martinshorn übersehen und überhört. Zum Beispiel, als vor einem BRK-Fahrzeug gleich vier Autos angehalten hätten, das Fünfte die anderen vier jedoch überholt habe anstatt ebenfalls zu bremsen. Martin: "Deshalb haben wir an den neuen Fahrzeugen die lauteren Martin-Presslufthörner."
Im Kampf gegen die Uneinsichtigen setzt der Rettungsdienst-Chef ebenfalls auf höhere Strafen und fordert mehr Kontrollen. "Wo im Ausland mehr gezahlt werden muss, gibt es auch weniger Behinderungen. Nur was im Geldbeutel weh tut, merken die Leute."
Zwar könne er nur für die Landstraßen sprechen, gefühlt hätten die Behinderungen von Einsatzfahrzeugen aber auch hier zugenommen, sagt Alexander Horn, stellvertretender Dienststellenleiter der Kulmbacher Polizei. Als einen wichtigen Faktor nennt er das Handy. "Fahrer sind viel öfter abgelenkt, auch wenn sie nur mal schnell drauf schauen", meint Horn, der sich wünschen würde, Straf- und Kontrollmöglichkeiten auch in diesem Punkt zu erhöhen.
Kontrollen oft nicht möglich
Für die Autobahnen der Region ist die Verkehrspolizei Bayreuth zuständig. Deren stellvertretender Leiter Bruno Albl gibt zu bedenken, dass oftmals Behinderer gar nicht kontrolliert werden könnten. "Wenn wir in einem Notfall vor den Rettungsfahrzeugen durch die Gasse fahren, können wir nicht anhalten und Personalien aufnehmen."
Vor allem bei ausländischen Behinderern sei das aber notwendig. "Die Bußgeldstellen kommen ohne Sicherheitsleistung nicht ans Geld. Wir können aber nicht zehn Minuten die Rettungsgasse zur Personalienfeststellung blockieren."
Für die Fälle, in denen die Polizei bei längeren Sperrungen den Tätern nachgehe, wünscht sich auch der Verkehrspolizist höhere Sanktionsmöglichkeiten. "Unser Aufwand muss sich auch rentieren", sagt Albl, der sich immer wieder fragt, warum Fahrzeuglenker die Rettungskräfte eigentlich behindern.
"Denken sie, dass sich der Stau schneller auflöst, wenn Feuerwehr und Abschleppdienst nicht durchkommen?" fragt er verständnislos.
Erster Schritt zur Erhöhung der Sicherheit im Auto: Einbau eines Störsenders. Handynutzung ist ausschließlich mit ausgeschaltetem Motor möglich. Zweiter Schritt: Begrenzung der Lautstärke von Radios, damit auch die Umwelt wahrgenommen wird. Dritter Schritt: konsequentes Verfolgen von Gassenblockierern und Gaffern und Führerscheinentzug für mindestens einen Monat. Man hat das Gefühl, dass viele zum Denken gezwungen werden müssen.
nachdem die Vernunft der Autofahrer immer weiter zu schwinden droht (Handy-Telefonieren am Steuer ist üblich, Blinken braucht's auch nicht mehr, zu dicht auffahren und Nichteinhalten der Geschwindigkeit sind normal, geparkt wird ohne Rücksicht etc.), scheint es nur mit drastischen Strafen zu gehen. Bin mal gespannt, wann der erste seinen Führerschein verliert, wenn er beim Telefonieren erwischt wird. Sogar Radio Plassenburg fordert ja immer wieder auf: "wenn Sie einen Blitzer oder einen Stau sehen, rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine WhatsApp". Unglaublich!