Da stimmt doch etwas nicht im System, wenn ein Schwerstbehinderter mit seiner Krankenkasse sieben Monate um einen Ersatz für seinen kaputten Rollstuhl ringen muss.
Was für eine Odyssee für Jürgen Keller aus Menchau! Der 36-Jährige ist schwerstpflegebedürftig und in allen Dingen auf fremde Hilfe angewiesen. Ein schweres Schicksal, das er sich nicht ausgesucht hat. Er wurde als Jugendlicher von einer Krankheit getroffen, die ihn zu einem Leben in Abhängigkeit verurteilt. Er kann Dinge des täglichen Lebens mit klarem Verstand entscheiden - selbst ausführen kann er sie jedoch nicht.
Sieben Monate dauert sein Kampf um einen Ersatz für seinen defekten Spezialrollstuhl. Viel zu lange. Eine ganze Reihe notwendiger und sinnvoller Funktionen fiel dabei nach und nach dem Rotstift der AOK zum Opfer, einige wenige konnte er sich mit Unterstützung seiner Ärzte und Therapeuten noch erstreiten.
Der Fall Jürgen Keller zeigt, dass etwas mit unserem System nicht stimmt: Diejenigen, die wissen, was ein Patient braucht, dürfen nicht entscheiden; diejenigen, die entscheiden, kennen die individuelle Situation nicht und bewerten oft allein nach Grundsätzen der Sparsamkeit. Die sind natürlich auch wichtig, wenn es um Leistungen der Solidargemeinschaft geht. Das alleinige Entscheidungskriterium dürfen sie jedoch nicht sein. Es geht ja nicht darum, Luxus zu finanzieren, sondern ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen, soweit das machbar ist.
Komplexe Fälle erfordern individuelle Lösungen. Und die müssen Menschen erarbeiten, die möglichst alle Details kennen. Mehr Entscheidungskompetenz vor Ort könnte die Genehmigungsverfahren der Krankenkassen deutlich vereinfachen und beschleunigen und dabei sogar Kosten sparen, die nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Die Arbeitszeit von Sachbearbeitern und Gutachtern gibt es schließlich auch nicht gratis.