Der 46-Jährige feiert zweimal Geburtstag. Er hat der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, die am Mittwoch den Tag der Lebensspende begeht, seinem Bruder Horst und den Ärzten in Essen viel zu verdanken.
Die Diagnose kommt für Reiner Schwarz völlig überraschend: Primäre Myelofibrose (PMF). "Mein Arzt hat es mir so erklärt, dass das Knochenmark keine roten Blutkörperchen mehr produziert", sagt der 46-Jährige. "Es ist eine seltene Krankheit, die in Leukämie übergehen kann." Lebenserwartung noch drei bis fünf Jahre. Niederschmetternd.
"Wie ein Sechser im Lotto" Das ist im Juli vor drei Jahren gewesen. Die einzige Chance des Schimmendorfers ("Ich war erkältet und bin nicht mehr gesund geworden"): eine Stammzellen- oder Knochenmark spende. Sein Glück ist es, dass es einen für die Transplantation notwendigen genetischen Zwilling gibt. Und der ist schnell gefunden: Reiner Schwarz' Bruder Horst (49). Beide haben sich vor 18 Jahren als Knochenmarkspender typisieren lassen, ihre Daten sind bei der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) gespeichert.
"Es war wie ein Sechser im Lotto, dass der Horst in der Datenbank war", sagt Reiner Schwarz. Andernfalls hätte man unter den nahen Verwandten suchen müssen - mit der Ungewissheit, ob es einen Spender gibt.
Für den Bruder ist klar, dass er zur Verfügung steht. Der Eingriff soll in Essen durchgeführt werden: "Das ist d i e führende Klinik in Deutschland für Knochenmark- und Stammzellenübertragung und die Nummer 2 auf der Welt hinter Sidney", weiß Reiner Schwarz.
Nach den Voruntersuchungen in Essen bekommt Horst Schwarz einen hormonähnlichen Stoff, den er sich an fünf Tagen selbst spritzen muss, um die Stammzellenproduktion anzuregen. "Das ist sehr schmerzhaft.
Ich hatte Gelenkschmerzen, und es hat sich angefühlt, als ob einer mit einem Messer in die Wirbelsäule sticht", so der 49-jährige Metzger, der mit Hilfe von Schmerzmitteln trotzdem zur Arbeit geht.
Zwischenzeitlich ist auch sein Bruder in Essen eingetroffen. Zur Chemotherapie. "In einer Woche wurde mein Immunsystem auf null gebracht und das Knochenmark zerstört", sagt der Schimmendorfer.
Hätte das Todesurteil sein können Dann kommt der Tag null, der Tag der Stammzellenübertragung: der 15. Februar 2012, ein richtiger Wintertag, der noch dramatisch wird. Ehefrau Tanja Schwarz und ihr Schwager Horst fahren nachts um 2 Uhr los nach Essen, um 8 Uhr in der Früh soll der Spender da sein. "Es war ein richtiger Schneesturm, 20 Zentimeter Schnee auf der Autobahn", erinnert sich Horst Schwarz.
"Wenn da ein Unfall passiert wäre - das hätte das Todesurteil für meinen Bruder sein können."
Um so ein Risiko auszuschließen, führen andere Kliniken die Abnahme vorher durch und frieren die Stammzellen ein. Doch es geht alles gut. Drei Stunden dauert die Prozedur. "Es ist wie bei der Dialyse, auf der einen Seite wird das Blut abgezapft, auf der anderen Seite geht's wieder rein", sagt Horst Schwarz, der am nächsten Tag auch keine Schmerzen mehr hat.
Die Spende ist überaus erfolgreich, einen halben Liter Flüssigkeit haben die Ärzte gewonnen - mit 90 000 Stammzellen, 45 000 wären benötigt worden. Das kommt alles dem kranken Bruder zugute, der in einem speziellen Zimmer mit Überdrucksystem isoliert ist. Jegliche Krankheitskeime müssen draußen bleiben - Reiner Schwarz hat keinerlei Abwehrkräfte.
Die Stammzellen, die er wie eine Bluttransfusion bekommt, brauchen drei Wochen, bis sie in ihrer neuen Umgebung aktiv werden, berichtet der Patient, dem es in den fünf Wochen in Essen sehr schlecht geht. Total geschwächt, kann er fast nur schlafen: "Ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte."
500 Kilometer enfernt gehofft und gebangt Was für die Familie freilich kein Trost ist. 500 Kilometer entfernt, leidet vor allem die damals fünfjährige Tochter Anna mit dem Papa mit. "Wir haben gehofft und gebangt, dass es funktioniert. So etwas kann man nur mit Hilfe der ganzen Familie überstehen", sagt die Ehefrau, die an den Wochenenden nach Essen gefahren ist. Ihr Mann kann kaum etwas essen. Er verträgt nur Zwieback und Milchreis und wird künstlich ernährt.
Die Behandlung liegt jetzt fast zweieinhalb Jahre zurück.
Ganz geheilt ist Reiner Schwarz noch nicht: "Ich kämpfe immer noch mit den Folgen - aber ich lebe." Da tut es gut, wenn man einen Arbeitgeber wie die Spedition Emons in Himmelkron hat, der zu einem hält: "Wenn ich gesund bin, kann ich dort wieder im Büro arbeiten."
Wann das sein wird, kann derzeit keiner sagen. Sieben bis acht Jahre dauert es, bis man weiß, ob die Therapie erfolgreich gewesen ist. Aber Reiner Schwarz feiert seither immer zweimal Geburtstag: "Am 3. Januar normal und am 15. Februar mit meinem Bruder Horst." Das ist der Tag, an dem er sein zweites Leben bekommen hat.