Die Geschichte eines jungen afghanischen Flüchtlings hat doch noch ein glückliches Ende gefunden - wenn auch mit einiger Verzögerung.
Ein verbindliches Lächeln, eine leise Stimme. Klare Sätze in gutem Deutsch, ruhig und sachlich vorgetragen.
Wie kann das sein? Ein 21-Jähriger, der seit mehr als fünf Jahren ein Leben auf Abruf führt, mehr als einmal davongelaufen ist vor Verfolgung und Gewalt? Da müssen doch Emotionen da sein? Schmerz, Angst, auch Erleichterung, dass es endlich ein glückliches Ende gibt?
Aber vielleicht ist ja die Sachlichkeit Mohammad Zakis Weg, dem Entsetzen nicht zu viel Raum zu geben. Vielleicht ist sein Satz "Das habe ich jetzt nicht verstanden" ein Signal an die Journalistin, nicht mehr weiterzufragen. Selbstschutz.
Wie geht es dir, Zaki? "Ich freue mich sehr." Vier knappe Worte müssen reichen, um das fast Unglaubliche zu beschreiben: Zaki, Flüchtling aus dem Iran mit afghanischen Wurzeln, seit dem Sommer 2015 in Kulmbach, abgelehnt, abgeschoben, diskriminiert, herumgeschoben, dann doch zurückgekehrt nach Deutschland mit der Aussicht auf Wohnung und Ausbildung.
Viele junge Männer teilen Zakis Schicksal. In Afghanistan geboren, mit der Familie vor den Taliban in den Iran geflohen, dort als Menschen zweiter Klasse behandelt und noch einmal geflohen.
Bürokratische Hemmnisse
Wenige bekommen in Deutschland problemlos Asyl. Vielen wird vorgeworfen, nicht hinreichend genug mitgewirkt zu haben bei der Feststellung ihrer Identität. Oft liegt das an der Taskira, dem afghanischen Ausweisdokument, das nicht immer den Anforderungen der deutschen Bürokratie entspricht. Auch bei Zaki war das so.
Die Taskira aktualisieren zu lassen, ist teuer. Und langwierig. Was Zaki zum Verhängnis wurde: Die Deutschen Behörden sahen seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, lehnten seinen Asylantrag ab.
Als sich Zaki im Juni 2019 pflichtgemäß wieder einmal bei der Polizeiinspektion Kulmbach meldete, wurde er festgesetzt: Abschiebung via Leipzig nach Afghanistan.
Sein Anwalt kämpfte bis zum letzten Moment. Ein Bayreuther Gericht hatte die Abschiebung noch für nicht rechts erklärt. Die Zentrale Ausländerbehörde rief die nächste Instanz an. Letztlich entschied das Bundesverfassungsgericht. Gegen Zaki.
Der Helferkreis, der Zaki bis dahin unterstützt hatte, blieb auch nach der Abschiebung mit dem jungen Mann in Kontakt, unterstützte ihn mit Geld, warb in den Medien für sein Anliegen, suchte nach einer Strategie, Zaki zurückzuholen.
In Indien, so war der Plan, sollte er ein Ausbildungsvisum beantragen, mit dem er nach Ablauf der dreijährigen Einreisesperre erneut nach Deutschland kommen könnte. Was einfach klingt, ist ein bürokratischer Marathon. "Es braucht viele Stempel", sagt Zaki dazu. Stempel, die er sich in Kabul und in Delhi besorgen musste. "Die Hoffnung war nicht groß."
Verzweiflung
Aber er kämpfte. Ertrug die wechselnden Schlafplätze, die kaum noch menschenwürdig genannt werden können. Ertrug es, diskriminiert und angegriffen zu werden: Die Volksgruppe der Hazara, der er angehört, hat in Afghanistan einen schweren Stand. Ging kilometerweit durch die Stadt, um bei Behörden vorzusprechen. Ertrug es, allein zu sein, ohne Familie, in einem Land, in das er geschickt worden war, obwohl er es kaum kannte.
Wie es ihm in dieser Zeit ging? Seinen Kulmbacher Freunden schrieb er damals, dass er oft sehr traurig sei. Was genau ihm in Kabul alles zugestoßen ist, erzählt er nach seiner Rückkehr nicht, sagt nur, dass er manchmal sehr verzweifelt gewesen ist.
Der Helferkreis warb indessen unermüdlich um Unterstützung und sammelte Spenden. "Wir machen uns große Sorgen, die Situation von Zaki ist schlimm", schilderte damals Katrin Fischer-Sandhop, eine der Unterstützerinnen. Eine Petition an den Bayerischen Landtag wurde auf den Weg gebracht (über die letztlich aber nicht mehr verhandelt wurde). Rund 30 000 Menschen hatten für Zaki unterschrieben.
Politiker setzten sich für den jungen Mann ein - unter anderem die Kulmbacher Landtagsabgeordneten Inge Aures (SPD) und Rainer Ludwig (FW). Der Bayerische Flüchtlingsrat nahm sich des Falls an und auch der Verein "Matteo - Kirche und Asyl".
Und weil letztlich auch viele Menschen einen finanziellen Beitrag leisteten, um dem Staat die Kosten für die Abschiebung zurückzuerstatten, gelang das Unglaubliche: Die Einreisesperre für Zaki wurde verkürzt, im Dezember betrat er am Flughafen Frankfurt wieder deutschen Boden.
"Wie ein Traum"
"Wie ein Traum", sagt Zaki über diesen Moment. Ein Foto, entstanden auf der Rückfahrt nach Kulmbach, zeigt ihn mit einem strahlenden Lächeln.
Fast eineinhalb Jahre war der junge Mann in Afghanistan. "Verlorene Lebenszeit", wie Rebekka Krauß vom Helferkreis sagt. Nun gibt es doch noch ein glückliches Ende. Vor seiner Abschiebung hatte Zaki Praktika in etlichen Handwerksbetrieben gemacht, mehrfach wurde ihm ein Ausbildungsplatz angeboten. Er entschied sich dafür, bei der Firma Schwender in Thurnau eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker zu machen. Alles war fix.
Firmenchef Hans Schwender steht zu seinem Wort: Offiziell ist Zaki seit dem 1. Januar Azubi in seinem Unternehmen. Ein Zimmer in einer Werkswohnung in Thurnau hat der 21-Jährige vor wenigen Tagen bezogen. Am Montag, nach der Weihnachtspause, geht es dann richtig los. Mit der Arbeit. Und mit dem neuen Leben.
Razaq soll in Kulmbach bleiben
Während der Fall Mohammad Zaki Sharifi zu einem guten Ende gekommen ist, sorgen sich die Mitglieder des Helferkreises um einen weiteren Schützling: Seit Monaten schon hofft Razaq, darauf endlich die Ausbildung zum Altenpflegehelfer zu beginnen zu dürfen.
Seit April 2020 war Razaq in einem Kulmbacher Seniorenheim als Hilfskraft tätig. In dieser Zeit hat er, so heißt es aus dem Helferkreis, ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern entwickelt und von Kollegen Respekt für seine Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit erfahren.
Razaq war aus Afghanistan geflohen, nachdem sein Vater an den Folgen eines Anschlags starb. Auch er selbst wurde direkt bedroht und musste sich bis zu seiner Flucht verstecken. Weil aber sein Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen war, entzog die Zentrale Ausländerbehörde in Bayreuth dem jungen Helfer die Arbeitserlaubnis. Seine Fluchtgründe seien nicht ausreichend und glaubwürdig genug, hieß es in der Ablehnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Nun muss Razaq fürchten, in das von Corona und von kriegerischen Auseinandersetzungen schwer gebeutelte Afghanistan abgeschoben zu werden.
Das Seniorenwohnheim und die Trägerinstitution, die Arbeiterwohlfahrt Kulmbach, haben im September eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht, in der dieser gebeten wird, die entsprechende Ausbildungserlaubnis zu erteilen. Eine Entscheidung steht noch aus.
Währenddessen fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen generellen Abschiebe-Stopp nach Afghanistan. Afghanistan sei noch vor Syrien das am wenigsten friedliche Land der Welt, zitiert Hans-Georg-Friedmann, Sprecher der örtlichen Amnesty-Gruppe, aus einer Mitteilung der Organisation.
Der seit knapp vierzig Jahren schwelende Konflikt dauere dort unvermindert an. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 habe die Hilfsmission der Vereinigten Nationen in Afghanistan 5939 zivile Opfer, darunter 2117 Tote, verzeichnet. In den letzten Monaten seien erneut Hunderte von Zivilisten getötet worden.
Dazu komme die Corona-Pandemie, die für das Land, dessen Gesundheitssystem zu einem der schlechtesten auf der Welt gehört, eine weitere lebensbedrohliche Herausforderung darstellt.red
Wer die Petition zum Verbleib von Razaq mit seiner Unterschrift und/oder finanziell unterstützen möchte, kann dies im Internet unter folgender Adresse tun: change.org/AusbildungfürRazaq