Mütter machen der Stadt Druck

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Julia Hatter, Nadja Fischer und Veronika Janitor (von links) suchen verzweifelt Krippenplätze für ihre Kleinen. In der Paul-Gerhardt-Kita hat es nicht geklappt.
Julia Hatter, Nadja Fischer und Veronika Janitor (von links) suchen verzweifelt Krippenplätze für ihre Kleinen. In der Paul-Gerhardt-Kita hat es nicht geklappt.
Dagmar Besand

Familien auf der Suche nach einem Krippenplatz gehen in Kulmbach oft leer aus. Einige berufstätige Frauen sind nicht bereit, das hinzunehmen. Das Recht ist auf ihrer Seite.

Sie sind frustriert und mit ihrem Latein am Ende: Mehrere Kulmbacher Familien haben sich mit einem Brief an Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) und die Stadtratsfraktionen sowie auch an die Redaktion der Bayerischen Rundschau gewandt: Sie brauchen Krippenplätze für die Betreuung ihrer Jüngsten, doch wo sie sich auch angemeldet, gefragt und und gebeten haben - es gab nur Absagen. Die Mütter wollen wieder arbeiten und sind auch finanziell darauf angewiesen. Doch wohin in dieser Zeit mit dem Nachwuchs?

Seit 2013 gibt es für Kinder ab einem Jahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Erfüllt werden kann dieses Versprechen oft nicht, wie das Beispiel von Nadja Fischer, Veronika Janitor und Julia Hatter zeigt.

"Wir wollen unser Recht nicht einklagen, aber wir wollen drauf aufmerksam machen, dass dringend etwas passieren muss", sagt Veronika Janitor. "Was nutzt uns das Recht auf einen Betreuungsplatz, wenn es den nicht gibt?"

Die 36-Jährige hat einen vierjährigen Sohn im Paul-Gerhardt-Kindergarten, doch weder dort noch in einer anderen Kita kann sie einen Krippenplatz für ihren kleinen Johan finden, der jetzt neun Monate alt ist. Im Herbst muss die Ärztin wieder ihren Dienst im Klinikum antreten. "Ich will und muss wieder arbeiten, mein Mann ist selbstständig, und ich habe keine Angehörigen in der Nähe, mit denen ich die Zeit überbrücken könnte."

So wie Veronika Janitor geht es vielen Müttern: Für Nadja Fischer hagelte es Absagen. Auch sie kann Töchterchen Ida, knapp neun Monate alt, nicht im Paul-Gerhardt-Kindergarten unterbringen, den ihr älterer Sohn besucht. Erst vor ein paar Tagen wurde die Krankenschwester von ihrer Sorge erlöst: Sie hat über die Warteliste einen Platz in einer Awo-Einrichtung bekommen. "Ich bin sehr erleichtert. Aber das Grundproblem bleibt." Für Julia Hatter zum Beispiel. Auch die Physiotherapeutin muss ab Oktober wieder arbeiten, sobald die Elternzeit vorbei und Töchterchen Elea ein Jahr alt ist. "Ich suche auch schon in anderen Gemeinden, bisher vergeblich."

Die drei Frauen stehen stellvertretend für viele, die gut ausgebildet sind, in ihren Berufen dringend gebraucht werden. Doch selbst, wenn das nicht so wäre, gilt der Rechtsanspruch. Der ist allerdings weniger wert als man denken möchte. Er wäre auch erfüllt, wenn irgendwo im Landkreis ein Platz gefunden werden kann, im Extremfall die Geschwisterkinder auf verschiedenen Gemeinden verteilt würden. "Sowas ist in der Praxis für keine Familie organisierbar", sagt Nadja Fischer.

Ist die Situation so dramatisch, wie von den Müttern beschrieben? Ja, sagt Elke Wuthe, Fachbereichsleitung der Die Kita gGmbH vom Diakonie-Verbund, die Träger von 13 Kitas in Stadt und Landkreis Kulmbach ist - davon zehn mit Krippengruppen. "Wir kriegen den Ärger ab, wenn wir Absagen verschicken müssen. Aber so gerne wir jeder Familie helfen möchten: Wenn unsere Kapazitätsgrenze erreicht ist, dann können wir niemanden mehr aufnehmen."

132 Krippenplätze gibt es in Wuthes Zuständigkeitsbereich. Richtig eng ist es aber nur in der Stadt Kulmbach. In den Landkreisgemeinden entspreche das Angebot in etwa dem Bedarf, "aber in der Stadt Kulmbach habe ich für unsere Einrichtungen 90 Absagen verschicken müssen". Auch bei anderen Trägern sind die Einrichtungen voll, die Wartelisten lang.

Zu wenig Eltern werden laut

Schwierig ist die Situation nicht nur im genannten Paul-Gerhardt-Kindergarten, sondern auch in Ziegelhütten, in der Blaich und in Burghaig. Die Vergabe der Plätze richtet sich bei den Einrichtungen der Diakonie unter anderem nach dem Alter des Kindes und der Zugehörigkeit zum Sprengel und berücksichtigt, ob die Mutter alleinerziehend oder berufstätig ist. Eltern, die den Mangel nicht hinnehmen wollen, sprechen Elke Wuthe aus dem Herzen: "Ich bedaure, dass so wenig Eltern laut werden."

Diakonie-Geschäftsführer Karl-Heinz Kuch findet klare Worte zur Situation: "Was uns in Kulmbach fehlt, ist eine Sozialraumplanung. Wie wollen wir unsere Stadt entwickeln, was brauchen wir dafür? Wir haben ein Klinikum, das Mitarbeiter von außen anwirbt, den Campus, der Mitarbeiter mit ihren Familien nach Kulmbach zieht, wachsende Wohngebiete mit Häusern und und Bauplätzen für junge Familien." Das müsse in die Planung der Kinderbetreuung einfließen."

"Wir sind im Gespräch über einen Ersatz-Neubau für den Kindergarten Goethestraße", so Kuch. "Noch gibt es dort nur zwei Gruppen, wir planen drei Kindergartengruppen mit 75 Plätzen und zwei Krippengruppen mit 24 Plätzen." Doch viele Fragen seien noch ungeklärt, allen voran die des Standorts.

Wenn die Kindergarten- und Krippenplätze nicht ausreichen, ist die Kommune in der Pflicht, Angebote zu schaffen. Ihr gegenüber haben die Eltern den Rechtsanspruch. "Die Brisanz ist uns bewusst, und wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an Lösungen, um zeitnah neue Kinderbetreuungsplätze schaffen zu können", sagt Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) auf unsere Nachfrage. Der OB verweist darauf, dass die Stadt Kulmbach im Bereich der Kindergartenplätze eine Betreuungsquote von 91 Prozent erreiche, beziehe man nur die in Kulmbach wohnhaften Kinder in die Berechnung ein.

Wie kurzfristig Abhilfe geschaffen werden kann, dazu gibt es seitens der Stadt noch keine Auskunft. "Es werden derzeit mehrere Lösungsansätze geprüft. Darunter befindet sich auch die Möglichkeit einer Container-Lösung", so Pressesprecher Jonas Gleich. Wer trotz dringenden Betreuungsbedarfes keinen Krippenplatz findet, könne sich an die Stadtverwaltung wenden (Telefon 09221/940-261, lisa.pietsch@stadt-kulmbach.de). "Wir sind zwar nicht Träger einer eigenen Einrichtung, versuchen aber, eine Lösung zu finden."

Im Kreis ist die Lage insgesamt nicht schlecht: Für 3356 Kinder zwischen 0 und 5 Jahren (Stand 31. Dezember 2020) gibt es 2846 Plätze in Kindergärten und Krippen, davon 604 reine Krippenplätze, so Bernhard Rief, Abteilungsleiter Soziales, Jugend, Familie und Senioren im Landratsamt. Dazu kommen noch 30 Plätze bei den Kulmbacher "Netz für Kinder"-Einrichtungen "Heinzelmännchen" und "Lummerland".