Vom Zaun aus sprach Justin Schulz den Mann an. Es handelte sich um einen Neuenmarkter. Er hatte sich mit dem Rücken zur Einfahrtsrichtung des Zuges gesetzt und war betrunken. "Der Mann hat gesagt, dass er wegen einer Behinderung gemobbt werde", erinnert sich Schulz. "Er war seelisch aufgewühlt, das hat man schon gemerkt - und er wirkte ein bisschen gedrückt", so der 20-Jährige.
Ob der Mann wirklich mit seinem Leben abgeschlossen hatte, kann der Retter nicht sagen. Durch die direkte Ansprache war er jedenfalls so beeindruckt, dass er aufstand und aus eigenen Stücken die Gleise verließ. Das rettete ihm das Leben.
Um die Kinder gekümmert
Da sich alles um Sekunden drehte, kümmerte sich die Freundin des Eingreifers um die Gruppe Kinder, die am Zaun der Gleisanlage standen. Denn auf keinen Fall sollten die Zehn- bis 14-Jährigen mitbekommen, was unausweichlich schien. "Im Nachhinein hat meine Freundin einen richtigen Schock. Sie braucht jetzt erst mal Zeit für sich", sagt der Retter.
Als der Mann die Gleisanlagen verlassen hatte, nahm ihn die Polizei in Gewahrsam. "Der Mann hatte private Probleme. Er hatte zu viel Alkohol getrunken. Da er suizidale Absichten geäußert hatte, haben wir ihn ins Bezirkskrankenhaus gebracht", erklärte der diensthabende Beamte der Polizeiinspektion Stadtsteinach. Eigentlich wäre für den Fall die Bundespolizei zuständig gewesen. Doch die war schon abgezogen. So übernahm die Polizei in Stadtsteinach.
Der Mann wird jetzt mit einer Geldbuße rechnen müssen. Doch die fällt vergleichsweise gering aus. Denn es handelt sich bei seinem Vergehen nur um einen Verstoß gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung. Und solche Verstöße werden mit 25 Euro geahndet. Eine Gefährdung des Schienenverkehrs hat noch nicht vorgelegen, so die Polizei, die das Vorgehen des Pärchens sehr lobt. Denn Justin Schulz und seine Freundin haben sich exakt richtig verhalten. Sie haben den Mann angesprochen, ihn von den Gleisen bugsiert, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Mitgeholfen bei der Rettungsaktion haben auch noch ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn, betont die Polizei Stadtsteinach.
"Man macht sich erst im Nachhinein so richtig Gedanken, was gewesen wäre, wenn man nicht reagiert hätte", sagt Justin Schulz. Denn die Fahrdienstleiterin hätte von ihrer Position aus nicht sehen können, dass jemand auf den Gleisen sitzt. Und der Zugführer hätte nicht mehr rechtzeitig bremsen können, wenn er mit Tempo 60 auf Gleis 5 einfährt.
"Es war wirklich richtig gut, wie alle reagiert haben. Die Züge konnten in Schlömen, in der Streitmühle und in Untersteinach gestoppt werden, weil die Fahrdienstleiterin allgemeine Betriebsgefahr ausgegeben hat. Sie war sogar schneller als das Notfallmanagement", erklärt Schulz.
Eisenbahnpfeife dabei
Er hat seine ganz persönliche Lehre aus dem Vorfall gezogen: Er trägt jetzt immer eine Eisenbahnpfeife bei sich. Denn so kann er das Signal für Betriebsgefahr geben, so dass der Fahrdienstleiter noch schneller reagieren könnte.
Eigentlich wäre Justin Schulz gerne Lokführer geworden. Doch er absolviert - genau wie seine Freundin - eine Lehre zum Metallbauer bei der Firma Dörnhöfer Stahl-Metallbau. In Kürze möchte er aber seine Qualifikation zum Rangierbegleiter ablegen. Und nach dieser Ausbildung wäre Justin Schulz dann sogar dazu verpflichtet, bei Gefahr einzugreifen. Für ihn und seine Freundin war es aber schon diesmal einfach eine Selbstverständlichkeit.
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