Kulmbacher Helfer von Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz berichten, was sie in den Hochwasser- gebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erlebt haben.
Florian Schneider (38) ist einer der Kulmbacher, die mit dem Technischen Hilfswerk im Hochwassergebiet in Mayschoß in Rheinland-Pfalz im Einsatz waren. "Es war wie im Krieg", sagt er, wenn er nach seinen Eindrücken aus dem Überschwemmungsgebiet gefragt wird. "Bilder können das gar nicht wiedergeben." Ähnlich äußern sich auch die Helfer des Roten Kreuzes aus Kulmbach: "So etwas hat noch keiner gesehen", sagt Yves Wächter vom BRK.
Fast eine Woche war Florian Schneider in Rheinland-Pfalz. Ein Bild hat sich bei ihm besonders eingeprägt: Der Anblick, der sich ihm bot, als er zum ersten Mal nach Mayschoß ins Ahrtal fuhr: Die Fluten, die in engen Bereichen mit viel Bebauung bis zu acht Meter hoch durch das Tal drückten, haben alles weggerissen. Von den Dutzenden von Brücken haben nur wenige überlebt. "Dabei waren die Brücken teils aus massivem Beton und Stahl. Die hat es einfach weggespült."
"Da bist du platt"
In Mayschoß zeigten ihm Kameraden aus Kulmbach, die schon länger vor Ort waren, das Gebiet. "Da bist du platt, wenn du so etwas siehst. Ich glaube, dass der Wiederaufbau viel länger dauern wird als die wenigen Jahre, von denen die Politiker sprechen."
Ein Schwerpunkt der Arbeiten des THW war es, das Heizöl in den Gebäuden abzupumpen. "Und hier haben die meisten mit Öl geheizt", erklärt Schneider. Was eine Herausforderung war, war die Logistik: Zum einen, weil die Straßen teilweise zerstört waren, zum anderen blockierten geparkte Fahrzeuge von zumeist privaten Helfern die Strecken. "Das sorgte für viel Chaos und Stau."
Was Schneider an positiver Erfahrung mit aus der Krisenregion bringt, ist der Zusammenhalt, die Kameradschaft, die er erfahren hat. Mit den Helfern aus anderen THW-Verbänden, mit Bundeswehrsoldaten, mit den THW-Nachwuchskräften wie dem 18-jährigen Simon Fiedler, der mit Schneider im Einsatz war. "In seinem Alter war ich beim Oder-Hochwasser dabei, da haben mich die alten THW-Hasen unter die Fittiche genommen", sagt der 38-Jährige, der seit Kindesbeinen beim THW engagiert ist. "Ich bin immer noch mit Spaß dabei, auch wenn es viele Vorschriften gibt. Aber die Arbeit bereichert einfach."
Übersät mit Dreck
In Kulmbach angekommen, ist aber nicht gleich Feierabend für die Helfer, denn die Gerätschaften müssen wieder gesäubert werden. "Radlader und Kipper sind übersät mit Dreck", berichtet Schneider, der einer von insgesamt 22 Einsatzkräften des Kulmbacher THW ist, die in Rheinland-Pfalz und in NRW den Flutopfern halfen. Neun Fahrzeuge und zwei Anhänger stellten die Kulmbacher zudem bereit. Rund 3500 Helferstunden wurden vor Ort erbracht, die Vor- und Nachbereitung mit Fahrzeugpflege, Instandsetzungen und Büroarbeit ist da noch nicht mit eingerechnet. Fünf THWler waren sogar schon zweimal im Einsatz.
Auch das BRK Kulmbach ist ins Katastrophengebiet ausgerückt. Maximilian Türk ist der Kontingentführer Oberfranken und leitet das bayerische Hilfeleistungskontingent (mehr als 150 Kräfte) in Rheinland-Pfalz. Unfallhilfsstellen, sanitätsdienstliche Absicherungen und Verpflegungseinsätze im Schadensgebiet liefen bereits zweimal unter seiner Führung ab. Auch wenn die Chaosphase, in der man die BRKler aus Unterfranken abgelöst habe, nicht mehr so groß sei, sei die Lage vor Ort nach wie vor dramatisch: Es fänden immer noch Leichenbergungen statt, die Arbeit der Helfer sei durch den Einsatz von schweren Geräten vor Ort immer noch gefährlich. Die Einsatzkräfte würden mit belastenden Situationen konfrontiert, mit Familien, die ihr Haus verloren haben, von denen Angehörige gestorben sind.
Neben der Versorgung von großen und kleinen Verletzungen sowie der Verabreichung von Tetanusimpfungen wegen der Arbeiten in Dreck und Unrat kümmere sich das BRK auch um die Verpflegung. "Hier ist die Kreativität der Feldküche gefordert, weil viele Essensspenden kommen." Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien hier phänomenal. Die größte Essensspende seien 1,5 Tonnen Reis, Nudeln und Linsen gewesen. Mit den drei bis vier Feldküchen schaffe man es, 5000 Mahlzeiten am Tag herzustellen. Ziel sei es, eine Grundversorgung aufzubauen und Schritt für Schritt wieder in Richtung Normalität zu gehen.
Infrastruktur nicht vorhanden
Yves Wächter ist in Dernau eingesetzt. Dort betreibt das Bayerische Rote Kreuz eine Unfallhilfsstelle, in der Menschen vorstellig werden können, die medizinische Probleme oder Fragen haben. Zudem hat das BRK in der Gemeinde eine Verpflegungsstelle, in der warme Speisen und Getränke für Helfer und Anwohner ausgegeben werden. Auch Produkte des täglichen Lebens wie Hygieneartikel oder auch Reis/Nudeln werden dort kostenfrei ausgereicht.
Das ist auch dringend nötig, denn eine Infrastruktur ist dort nach Wächters Worten nach wie vor nicht vorhanden. Es gebe kein fließend Wasser und in Teilen keinen Strom. "Die Leute sind auf sich gestellt." Die Helfer würden immenses Leid miterleben. "Ich habe mit vielen Kameraden gesprochen, mit Leuten von der Bundeswehr, mit Bürgern: So etwas hat noch keiner gesehen." Es falle schwer, die passenden Worte zu finden, um die Eindrücke zu beschreiben. "Das ist etwas ganz anderes, als die Bilder im Fernsehen zu sehen."
Die BRK-Einsatzkräfte waren bisher zweimal im Einsatz. Und der nächste steht schon an: Von Freitag bis einschließlich Montag werden zwei Krankenwagen entsandt, die von vier Kameraden besetzt werden.
Der Bamberger Fabian Pecht war im Ahrtal verantwortlich für die Malteser-Schnelleinsatzgruppen (SEG) Betreuung aus Bamberg und Behandlung aus Waischenfeld. Mit dabei waren auch Ehrenamtliche aus Kulmbach.
Zerstörte Häuser, Leichen und Schwerstverletzte im Schlamm, vernichtete Existenzen - was Pecht dort gesehen hat, lässt ihn nur schwer los: "Dramatisch wäre noch untertrieben. Ich hätte nie gedacht, dass mich in einem Land wie Deutschland mal jemand um Essen anflehen würde", sagt Pecht. Bekommt man solche Bilder als Einsatzkraft wieder aus dem Kopf? "Reden, reden, reden - das ist das einzige, was hilft."