Ab Mitte März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Das Landratsamt muss dann über das Beschäftigungsverbot Ungeimpfter entscheiden und rechnet mit Hunderten Fällen. Wie das Gesetz umgesetzt werden soll, weiß heute aber noch keiner.
Der 15. März ist das Datum, dem viele ungeimpfte Pflegekräfte mit Sorge entgegenblicken. Denn ab diesem Tag gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Bundesweit. All die, die dann keinen Impfnachweis vorlegen können oder ein Attest, das ihnen bescheinigt, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können, droht dann ein Tätigkeitsverbot in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arzt- oder auch Physiotherapiepraxen. Was sich abzeichnet: Viele Ungeimpfte werden über den 15. März hinaus arbeiten dürfen, denn die Umsetzung des Bundesgesetzes gestaltet sich mehr als problematisch.
Die Leitplanken fehlen
Auch die Gesundheits- und Landratsämter blicken dem Datum mit Sorge entgegen. Warum die Ämter? Weil es zum Bundesgesetz noch keine Ausführungsbestimmungen gibt, weil auch Anfang Februar noch keiner weiß, wie der Vollzug der Impfpflicht umgesetzt werden soll. Bis zum 15. März müssen Arbeitgeber dem Gesundheitsamt die Daten der Personen melden, die den geforderten Nachweis nicht erbringen. "Erst dann können wir mit unserer Arbeit beginnen", sagt Oliver Hempfling, Chefjurist am Landratsamt, nach dessen Worten seine Behörde über ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot entscheiden muss. Und das gehe nicht im Hauruckverfahren. Jeder einzelne Fall, jede einzelne Person und mit ihr jede einzelne Einrichtung müssten gesondert betrachtet werden, denn geklärt werden soll auch, ob etwa aus Gründen der Versorgungssicherheit der Patienten eine Weiterbeschäftigung auch ohne Impfung erforderlich ist. Die Einzelentscheidung liege im Ermessen des Landratsamtes, das auf Vollzugsbestimmungen warte, die dem Gesetz zugrunde liegen müssten. "Wir brauchen für das ganze Bundesgebiet einheitliche Leitplanken, die regeln, wie die Umsetzung erfolgen soll."
Der Gesundheitsminister mahnt
Das hat am Dienstag auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) angemahnt. "Wir müssen wissen, welche Übergangs- und Umsetzungszeiten beim Aussprechen von Tätigkeitsverboten gelten", hat Holetschek erklärt und betont, dass man die Aufgabe "nicht bei den ohnehin hochbelasteten Gesundheitsämtern oder den Arbeitgebern abladen kann, nach dem Motto: Lasst Euch etwas einfallen." Sollte der Bund nicht vorgeben, wie er sich die Umsetzung konkret vorstellt, ist Holetschek zufolge auch ein bayerischer Sonderweg möglich. Dem Vernehmen nach könnte die berufsbezogene Impfpflicht in Bayern somit in den Juli hinein verschoben werden.
Oliver Hempfling macht deutlich, dass die Landrats- und Gesundheitsämter, die ohne hin durch die Pandemie stark belastet seien, mit einem Gesetz konfrontiert würden, das unausgegoren sei und Sprengstoff berge. Man müsse im Landkreis mit Hunderten Fällen rechnen, die die Behörde parallel zu den vielfältigen Corona-Herausforderungen bearbeiten müsse. Personell sei das nur schwer zu stemmen.
Die Folgen
Spricht die Behörde ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot aus, so bedeutet das seinen Worten zufolge nicht unbedingt, dass der Mitarbeiter seinen Dienst nicht mehr antreten kann. Zwar sehe das Gesetz einen Sofortvollzug vor, werde jedoch beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Bescheid eingelegt und gleichzeitig einstweiliger Rechtsschutz beantragt, werde die sofortige Umsetzung ausgesetzt. "Der Beschäftige darf dann bis zu einer gerichtlichen Entscheidung weiter arbeiten."
Das Spiel mit der Zeit
Die Entscheidung trifft das Verwaltungsgericht, das möglicherweise mit Hunderten Verfahren konfrontiert wird. Sollte dort die Klage abgewiesen werden, könne der Betroffene vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ziehen. Wer den Klageweg beschreitet, gewinne auf jeden Fall Zeit. Was man beim Blick auf die zeitliche Umsetzung laut Hempfling auch im Blick haben sollte. Paragraf 20a des Infektionsschutzgesetzes, der die Impfpflicht beinhaltet, läuft Ende 2022 aus.
Betroffen von der Impfpflicht seien im übrigen nicht nur unmittelbar Beschäftigte in einem Betrieb. Auch ein Handwerker, der Betreuer eines Altenheimbewohners oder die Betreiber und Mitarbeiter von selbstständigen Geschäften wie einem Friseurladen in einem Krankenhaus müssten einen Nachweis vorlegen. Unterschieden werden müsse auch zwischen dem Vollzug des Infektionsschutzgesetzes und arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus einem Verstoß ergeben können. Nicht geklärt habe der Bund bis dato, ob und wie der Arbeitgeber einem freigestellten Mitarbeiter kündigen kann, ob der Arbeitsplatz für einen bestimmten Zeitraum frei gehalten werden muss, falls sich der Betroffene doch noch impfen lässt.