Im Klinikum Kulmbach fördern Hebammen, Schwestern und Stillberaterinnen vom ersten Tag an die enge Bindung zwischen Mutter und Kind. Dafür wurde das Haus jetzt von der WHO als "babyfreundlich" ausgezeichnet.
Jonas Fuchs aus Thurnau liebt es, auf dem Arm seiner Mama einzuschlafen. Da fühlt er sich wohl, das kennt der vier Wochen alte Säugling von Anfang an. Schon direkt nach der Geburt, ungewaschen und nackt, durfte er mit seiner Mama kuscheln. Im Kulmbacher Klinikum wird das Bonding - die enge Bindung zwischen Mutter und Kind - von Anfang an groß geschrieben. "Das ist Teil unseres Konzeptes", betont die leitende Hebamme Alexandra Gahn. "Die Babys bleiben mindestens eine Stunde beziehungsweise, bis sie das erste Mal gestillt wurden, an der Mutter."
Die intensiven Bonding-Phasen sind aber nur ein Grund, warum das Klinikum Kulmbach von der Weltgesundheitsorganisation als "babyfreundlich" ausgezeichnet worden ist. Neben dem Bonding gehört auch das "Rooming in" zum Konzept. "Wir haben kein Säuglingszimmer mehr, die Kinder sind rund um die Uhr bei ihren Müttern", so Alexandra Gahn.
Die meisten Mütter finden das gut, sie können in den ersten Tagen meistens nicht genug von ihren Kindern bekommen. Doch manchem kommt das befremdlich vor. "So können sich die Mütter doch gar nicht erholen", wundert sich die Oma des kleinen Jonas, Angela Scheps aus Kulmbach.
Ein gutes Gefühl Doch es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Mütter auch nicht ruhiger schlafen, wenn sie dauernd denken, das könnte ihr Kind sein, das da eben im Säuglingszimmer schreit. "Ich habe mich sehr wohl gefühlt mit meinem Kind in der Nähe", betont Jonas' Mutter Jenny.
Der Grund für das 24-Stunden "Rooming in" liegt auf der Hand: Mutter und Kind müssen sich aufeinander einstimmen. Auch die Väter und die älteren Geschwister des Babys dürfen mit ins Krankenhaus einziehen. "Wir haben spezielle Familienzimmer.
So soll der Übergang vom Krankenhaus nach Hause sanfter vollzogen werden."
Noch vor 30 Jahren seien die Frauen in dieser Hinsicht "ins kalte Wasser geworfen" worden. "Da war man plötzlich auf sich allein gestellt", erinnert sich die 57-jährige Angela Scheps. Heute soll die Kompetenz der Mütter gestärkt werden, damit zu Hause alles gut klappt.
Wenn es Fragen gibt oder Probleme, helfen die Schwestern, klar! Aber in erster Linie ist die Mutter heute für ihr Kind verantwortlich, und zwar von der ersten Minute an. Wickeln, umziehen, baden - zu Hause muss das alles ja auch sitzen. Und auch das Stillen will geübt sein. "Das Stillen zu fördern, nimmt einen sehr großen Teil unserer Arbeit ein. 92 Prozent der Frauen, die die Entbindungsstation verlassen, stillen.
Eine sehr gute Quote, auf die wir stolz sind" so die Hebamme.
Stillen ist nach heutigen Erkenntnissen, nicht nur das gesündeste für ein Baby, es trägt auch zur innigeren Bindung zwischen Mutter und Kind bei. Gestillt wird heute auch nicht mehr nach der Uhr oder erst dann, wenn das Kind schreit. "Ziel ist es heute, dass die Mütter lernen, die Zeichen ihrer Kinder möglichst früh zu erkennen. Wenn sie ihr Fäustchen ballen und es in den Mund stecken zum Beispiel, bekommen sie gerade Hunger. Dann sollte das Kind gestillt werden, nicht erst, wenn es vor Hunger weint."
Für starke Abwehrkräfte Wer nicht stillen will, sondern sich für Fläschchen entscheidet, der wird zumindest zur Collos trum-Gabe angehalten. Collos trum ist die Vormilch, die als erstes nach der Geburt produziert wird.
Wenigstens die sollte jedes Baby bekommen, denn sie erhält wichtige Nährstoffe und stärkt die Abwehrkräfte des Kindes enorm. Im Klinikum wird all das streng beachtet.
Auch Jaqueline Fischer aus Kupferberg hat sich für das Stillen entschieden. Sie hat ihre Zwillinge Hannes und Franz erst vor wenigen Tagen entbunden und sieht schon völlig erholt aus. "Die Zeit zusammen mit meinen Jungs tut mir gut. Ich weiß immer, dass alles ok mit ihnen ist", so die Zwillingsmama. "Und ich fühle mich schon gut gerüstet für die Zeit zu Hause." Die 35-Jährige freut sich über die gute Betreuung im Klinikum. "Ich wollte unbedingt eine natürliche Geburt, und so war es dann auch. Ich konnte direkt mit meinem ersten Sohn Franz schon kuscheln, bis der zweite, Hannes, dann auch endlich da war. Dann hat mein Mann den Franz übernommen, und ich konnte den Hannes noch richtig begrüßen.
Die beiden sind erst gewaschen und angezogen worden, als wir soweit waren. Einfach ein gutes Gefühl."
Mehr Gelassenheit wäre gut Jenny Fuchs hat mit Jonas ihr viertes Kind im Klinikum Kulmbach entbunden. "In den letzten Jahren hat sich nochmal unheimlich viel getan. Es wird wirklich alles gemacht, damit die Kinder einen guten Start haben". Trotzdem würde sie sich mehr Gelassenheit wünschen. "Vieles wird jetzt auch wieder zu ernst genommen", sagt sie. "Stillen ist gut und wichtig, aber wenn man da zu verbissen rangeht, dann ist das einfach der falsche Weg." Entspannt sieht sie beispielsweise das Thema Schnuller. "Bei meinen Kindern hat er sich bewährt. Auch Jonas liebt das Nuckeln. Probleme, dass er deswegen schlechter trinkt, haben wir nicht."
Im Krankenhaus werden "künstliche Sauger" gar nicht gerne gesehen.
Akzeptiert werden sie aber trotzdem, denn schließlich bestimmen im baby freundlichen Krankenhaus nicht die Schwestern und feste Regeln die Abläufe, sondern die Mütter selbst.
Hebammen, Schwestern und Stillberaterinnen unterstützen und geben Tipps. Das stärkt das Vertrauen der Eltern in ihre Fähigkeiten und legt den Grundstein für einen entspannten Start ins gemeinsame Leben.