Kein fränkisches Bauernhaus mehr in Stadtsteinach

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Ein historisches Foto des ehemaligen Bauernhauses der Familie Spindler. 1956 wurde es abgerissen. Seither gibt es in Stadtsteinach kein traditionell fränkisch gebautes Bauernhaus mehr.
Ein historisches Foto des ehemaligen Bauernhauses der Familie Spindler. 1956 wurde es abgerissen. Seither gibt es in Stadtsteinach kein traditionell fränkisch gebautes Bauernhaus mehr.
Ein Bild des letzten fränkischen Bauerhofes hängt im Hause der Familie Josef Spindler. Vor 60 Jahren wurde dieses Kulturdenkmal in der Knollenstraße in Stadtsteinach abgetragen. Repros: S. Sesselmann
Ein Bild des letzten fränkischen Bauerhofes hängt im Hause der Familie Josef Spindler. Vor 60 Jahren wurde dieses Kulturdenkmal in der Knollenstraße in Stadtsteinach abgetragen. Repros: S. Sesselmann
 
Voller Stolz hält Georg Schreiner, der Vater von Elisabeth Lubina, 1953 den kleinen Josef Lubina, den späteren Friseur, auf seinem Arm.
Voller Stolz hält Georg Schreiner, der Vater von Elisabeth Lubina, 1953 den kleinen Josef Lubina, den späteren Friseur, auf seinem Arm.
 

Mit dem Gebäude der Familie Spindler wurde 1956 in der Stadtsteinacher Knollenstraße ein Stück lokalhistorisch einmalige Bausubstanz abgetragen.

In der Knollenstraße, nahe bei der ehemaligen Schmiede Köstner bzw. der ehemaligen Milchstelle, stand bis 1956 das letzte Bauernhaus von Stadtsteinach, ein letzter Zeuge altfränkischer Bauweise, das heute wegen seiner eigenartigen Bauweise als Kulturdenkmal eingeschätzt werden müsste. Der damalige Besitzer Johann Spindler, Postbote und Landwirt, plante, ein neues Bauernhaus zu errichten, da das alte Gebäude baufällig wurde.

Die Errichtung des alten Gebäudes datierte man auf vor etwa 300 Jahren, also auf die Zeit um 1680, doch mittlerweile ist gesichert, dass ein gewisser Andreas Kotschenreuther dieses Bauernhaus um 1720 erbaute.
Typisch fränkisch war bei diesem Haus ein hochragender, spitzer Giebel, der sich der Straßenseite zuwandte. Auf dieser "Schauseite" konnten die Bauern ihre Schmuckfreudigkeit präsentieren und es erschien den vorbeigehenden Menschen größer und wuchtiger.

Auch die gemischte Wandtechnik ist nur noch im Frankenwald, bei Nürnberg oder in der Schweiz bekannt. Drei Wände wurden aus aufeinandergelegten rohen oder behauenen Baumstämmen gebildet. Auch die Technik des Ständer-Bohlenba us fand man in diesem Gebäude. Bei dieser Bauweise werden senkrechte Ständer in weitem Abstand auf einer Schwelle eingezapft.


Fachwerk nach vorn raus

Zwischen den Ständern werden senkrecht oder waagerecht übereinandergeschichtete armdicke Bohlen eingefügt und durch Nuten oder Falze gesichert. Die Straßenseite wurde in Fachwerkbauweise errichtet.

Voller Stolz hat die Familie Josef Spindler ein Bild des letzten fränkischen Bauerhofs im Haus hängen. Vor 60 Jahren wurde dieses Kulturdenkmal in der Knollenstraße in Stadtsteinach abgetragen.


Künstlerdomäne

Doch kurz nach dem Bau dieses Gebäudes wird dort der "Pildhauer" Hannß Mathes Müller genannt. Über 140 Jahre lebten vier Generationen von Bildhauern in diesem Haus. Aus ihrer Werkstatt stammen mit Sicherheit der heilige Andreas auf dem Brunnen zum Eingang der Forstamtstraße, die Portale der Kirche in Seibelsdorf oder die Apostel Petrus und Paulus und der Taufengel in der Pressecker Kirche.

Das Blockhaus war, wie bei fränkischen Bauernhäusern üblich, nur vom Hof aus zugänglich, der Eingang befand sich auf der "Traufseite", also an der Seite, an der das Dach überragt. Man gelangte in einen kleinen Flur, an den sich geradeaus die Küche anschloss. Die rechte Tür führte in den Hauptraum, die Wohnstube, die eine ganze Hausecke einnahm, sodass man von hier aus sowohl den Hof, als auch die Dorfstraße beobachten konnte.



Wärme ausnutzen

Weiterhin schloss sich eine Kammer als Schlafraum von Bauer und Bäuerin an. In einer Ecke befand sich eine runde Ofenbank, auf der sich abends die ganze Familie mit Knechten und Mägden zusammensetzte.

Auf der anderen Seite des Flurs lag der Stall. Vom Flur führte eine Treppe ins Obergeschoss, das auf der Giebelseite zur Straße hin einen Trocken- und Kornboden enthielt. Auf der hinteren Giebelseite waren kleine Kammern für Kinder oder auch Bedienstete vorhanden. Die Wärme der Tiere im Stall kam diesen Kammern zugute, ebenso nutzte die trockene Wärme der guten Stube dem darüber liegenden Kornboden.

Ein Foto von 1953 zeigt die "Schauseite" des über 200 Jahre alten Bauernhauses. Rechts das Haus der Familie Mauer, heute Bauerschmidt Josef mit der Tropfseite zur Straße (Neubau 1909). Voller Stolz hält Georg Schreiner, der Vater von Elisabeth Lubina, den kleinen Josef Lubina, den späteren Friseurmeister, auf seinem Arm.

Da der letzte Müller zwei Töchter hatte, zog um 1856 ein Adam Maurer ein, der die Müllertochter Kunigunda geehelicht hatte. Auch diese beiden hatten zwei Töchter. Kunigunda ehelichte den Glaser Karl Schneider und zog in den Marktplatz 14 und Dorothea heiratete 1892 den Weber Johann Spindler aus Braunersreuth, der ins Anwesen Knollenstraße mit einzog.

Nun stand 1956 der Enkel dieses Johann Spindler, der Postbote Johann Spindler mit seiner Ehefrau Kunigunda, einer geborenen Degen, vor der schweren Entscheidung, das geschichtsträchtige Anwesen abzureißen. Auch seine drei Kinder Josef, Karl und Monika benötigten Platz.


Dokumentiert

1958 war der Wohnhaus-Neubau mit Stallung festig, eine Scheune war bereits 1937 errichtet worden. Doch war man vorausschauend und übergab die Beschreibung des Hauses und einige Aufzeichnungen dem Amt für Denkmalpflege.

Das letzte fränkische Bauernhaus verschwand und heute kann man solche idyllischen Bauernhäuser nur noch im Bauernhofmuseum in Kleinlosnitz bei Münchberg in natura erleben.