Kaufplatz: ein Brückenschlag zwischen Uni und Kulmbachs Innenstadt

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Verschenkter Raum: Verschwindet der Kaufplatz, eröffnen sich Chancen für urbanes Wohnen. Foto: Stephan Tiroch
Verschenkter Raum: Verschwindet der Kaufplatz, eröffnen sich Chancen für urbanes Wohnen. Foto: Stephan Tiroch
Die Podiumsdiskussion fand im Saal der Kommunbräu statt. Foto: Barbara Herbst
Die Podiumsdiskussion fand im Saal der Kommunbräu statt. Foto: Barbara Herbst
 
Die Veranstaltung war gut besucht. Foto: Barbara Herbst
Die Veranstaltung war gut besucht. Foto: Barbara Herbst
 
Marion Resch-Heckel von der Regierung sieht für Kulmbach großes Potenzial. Rechts Udo Petzoldt, der Vorsitzende der Baugenossenschaft. Foto: Barbara Herbst
Marion Resch-Heckel von der Regierung sieht für Kulmbach  großes Potenzial. Rechts Udo Petzoldt, der Vorsitzende der Baugenossenschaft.  Foto: Barbara Herbst
 
Dass allein in der Blaich 200 bis 300 neue Wohnungen entstehen könnten, meint Udo Petzoldt von der Baugenossenschaft. Links Katharina Steffen vom Mieterverein. Foto: Barbara Herbst
Dass allein in der Blaich 200 bis 300 neue Wohnungen entstehen könnten, meint Udo Petzoldt von der Baugenossenschaft. Links Katharina Steffen vom Mieterverein. Foto: Barbara Herbst
 
"Wir müssen nicht in zwei Jahren gleich mit 1000 Studenten rechnen, sondern wir fangen mit 50 an und steigern langsam", sagt der designierte Instituts-Chef Stephan Clemens. Foto: Barbara Herbst
"Wir müssen nicht in zwei Jahren gleich mit 1000 Studenten rechnen, sondern wir fangen mit 50 an und steigern langsam", sagt der designierte Instituts-Chef Stephan Clemens. Foto: Barbara Herbst
 
Dass eine vierköpfige Familie mit einem Jahresbruttoeinkommen von 78 000 Euro Anspruch auf geförderten Wohnraum hat, teilte Christoph Reichl von der Regierung von Oberfranken mit. Foto: Barbara Herbst
Dass eine vierköpfige Familie mit einem Jahresbruttoeinkommen von 78 000 Euro Anspruch auf geförderten Wohnraum hat, teilte Christoph Reichl von der Regierung von Oberfranken mit. Foto: Barbara Herbst
 
Jörg Naumann rechnet nicht damit, dass das umstrittene Bauprojekt in Unterpurbach umgesetzt wird. Foto: Barbara Herbst
Jörg Naumann rechnet nicht damit, dass das umstrittene Bauprojekt in Unterpurbach umgesetzt wird. Foto: Barbara Herbst
 

Wenn der Betonklotz Kaufland in der Innenstadt fällt, ergibt sich ein Entwicklungsfläche mit "sensationellem Potenzial", sagt Marion Resch-Heckel.

Er steht leer und erscheint vielen Kulmbachern als optischer Schandfleck: Die Rede ist vom Kaufplatz. Marion Resch-Heckel sieht nicht nur in der Ansiedlung des Campus eine Riesenchance für die Stadt, sondern auch in der neuen Nutzung der Fläche des früheren Einkaufszentrums - quasi als Nahtstelle zwischen Uni und Innenstadt. "Das Potenzial ist sensationell. Ein städtebaulicher Rahmenplan ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen."

Es gelte, das Areal passend für die Bedürfnisse zu strukturieren. "Es eröffnet die Möglichkeit zu dem, was man urbane Stadt nennt. Es kann Wohnen in der Innenstadt und am Wasser darstellen, aber auch den Wunsch nach einer gemischten Bebauung erfüllen. Sogar ältere Menschen wollen nicht nur da wohnen, wo absolute Ruhe herrscht und weiter nichts, sondern wollen den Kontakt zum städtischen Leben behalten."


Nicht allein dem Markt überlassen

Aber, so warnt die Architektin: "Man kann und darf so ein Projekt nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen, sondern muss unbedingt soziale Komponenten mit einfließen lassen." Ideal wäre ein städtebaulicher Wettbewerb, um die Bedarfe zu fixieren. Danach könne man sich auf Investorensuche begeben, sollte aber zusätzlich die sozialen Wohnungsbaugesellschaften mit ins Boot holen. "Ein solches Vorhaben stößt sicher auf große Resonanz in der Bevölkerung, deswegen glaube ich auch nicht, dass es dort diese Widerstände geben wird wie anderswo gegen neue Projekte." Dafür gab es Beifall aus dem Publikum.


Innenstadtverdichtung

Stichwort Innenstadtverdichtung: Die Baugenossenschaft sieht laut Geschäftsführer Udo Petzoldt ihre Chancen in bereits bebauten Vierteln. "Es wurde in dieser Hinsicht leider viele Jahre nichts oder zu wenig getan. Wir müssen an Flächen denken, die schon da sind und nutzbar gemacht werden können." Als Beispiel nannte er die Blaich, die in den vergangenen Wochen unter anderem wegen der dort entdeckten Altlasten in die Schlagzeilen geraten war. "Das Problem Altlasten lässt sich sicher lösen", sagte Petzoldt - doch das Potenzial sei enorm: 200 bis 300 Wohnungen, so schätzte er, könnten dort zusätzlich entstehen. "Das würde zugleich eine gewaltige Entlastung für die Situation in der Stadt bedeuten."


"Brachen wegreißen"

Auch in der Siedlung sieht er weitere Möglichkeiten. "Ich denke, wir sind gut beraten, erst mal unsere Brachen wegzureißen und Ersatzbauten zu schaffen." Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen auf die jetzige und künftige Situation angepasst werden. "Wenn mehr Menschen kommen, und das wollen wir ja, dann müssen wir innerstädtisch mehr verdichten. Das geht, indem wir zum Beispiel höhere Blöcke bauen und damit nicht automatisch immer weiter raus ins Grüne gehen. Diese Bausünden kennen wir leider aus der Vergangenheit."

Der neue Campus

Die ersten Studierenden sollen im Wintersemester 2020/21 auf dem Campus "Life Science - Food and Health" der Uni Bayreuth in Kulmbach studieren können. Der Traum von einer Hochschule rückt in greifbare Nähe. Doch was heißt das? Was geht damit an - womöglich auch enttäuschten - Erwartungen einher?


Gute und schlechte Vorbilder

Vergleichbare Standorte gibt es, wie die BR vor einigen Monaten darlegte. Beispiele wie Witzenhausen bei Kassel, wo ein Institut für Agrarwirtschaft mit etwa 1200 Studenten angesiedelt ist, belegen: Eine Stadt kann durch das frische Blut von außen regelrecht boomen. Die Verantwortlichen reden von einem Aufschwung, von einer Auftragswelle für ansässige Unternehmen. Ein Gegenbeispiel ist Germersheim unweit von Karlsruhe: Gleiche Uni-Größe - aber der Ort prosperiert in keiner Weise, heißt es aus dem Rathaus. Mittlerweile schließen sogar Kneipen, weil sich kein junger Mensch in die Kleinstadt verirrt.


Die Uni wächst langsam

Eine Prognose wagen will auch Stephan Clemens nicht. Der Uniprofessor und Lehrstuhlinhaber, der als Chef des neuen Campus auserkoren ist, sieht aber wertvolle Impulse für Kulmbach. Und er gewinnt dem Vorgehen noch einen anderen positiven Aspekt ab: "Wir haben Zeit - sechs, sieben, acht Jahre. Es ist ein allmählicher Aufbau der Fakultät geplant, das heißt: Wir müssen nicht in zwei Jahren gleich mit 1000 Studenten rechnen, sondern wir fangen mit 50 oder 60 an und steigern langsam." Ziel sei, dass diese siebte Fakultät der Uni Bayreuth "weitgehend autark als Einheit existieren kann". Clemens sieht zusätzlich zu den Studierenden weitere 250 Jobs, die durch die Universität entstehen - und für dieses wissenschaftliche und technische Fachpersonal wird freilich auch Wohnraum benötigt. "Aber das allein ist es nicht. Dazu gehört auch ein entsprechendes Schul- und Freizeitangebot, damit sich Familien wohlfühlen." Die Herausforderung sei ähnlich gelagert wie bei Unternehmen der Wirtschaft: "Das gesamte Umfeld muss passen, um auf einem umkämpften Markt das Fachpersonal rekrutieren zu können."


Studentenwohnheim kommt

Doch auch die Studenten müssen wohnen. Nach den Worten von Campus-Geschäftsführer Matthias Kaiser besteht in der Nähe der Polizeiinspektion die Möglichkeit, ein Studentenwohnheim mit 150 Wohnplätzen zu erreichten. "Die Zimmer werden möbliert vergeben, wir wollen ja auch auch Studierende aus dem Ausland ansprechen, die meistens nur mit einem Köfferchen anreisen." Was den Wohnungsmarkt angeht, so müsse sich die Uni raushalten. "Wir können und wollen nicht als Makler fungieren."


"Stadt muss handeln"

Hier sieht Marion Resch-Heckel, 1. Vizepräsidentin der Bayerischen Architektenkammer, die Stadt in der Pflicht. "Sie muss handeln, muss sofort eine Strategie entwickeln. Es bedarf einer gründlichen Analyse des Wohnungsmarktes und des künftigen Bedarfs. Das ist meines Wissens nach aber noch nicht vollständig erstellt worden." Wobei sie betont, dass Gründlichkeit hier vor Schnelligkeit gehen müsse. "Zielführend kann nur eine umfassende Bauleitplanung sein - und da gehört das Thema Bürgerbeteiligung unbedingt dazu", sagte sie. Das freilich koste Zeit.

Es sei unumgänglich, allen Schichten in der Bevölkerung ein passendes Angebot zu unterbreiten. "Meine These ist: Durch ein Angebot an qualitativ hochwertigem Wohnraum kann gezielt Zuzug gefördert werden. Wir wissen, dass Unternehmen händeringend Fachkräfte suchen. Und nicht jeder, der kommt, kann oder will gleich Eigentum bilden. Diesen Menschen muss adäquater Mietwohnraum bereitgestellt werden." Gelinge das, sei es zugleich das beste Rezept, um Wegzüge zu verhindern.

Proteste gegen Bauvorhaben

Es gibt in Kulmbach immer wieder Widerstand gegen Bauprojekte. Nur zwei Beispiele: Im April 2017 waren Bürger gegen den zweiten Abschnitt des Baugebiets Forstlahm-Nord auf die Barrikaden gegangen. Im Mai diesen Jahres haben Anwohner dann gegen den Bau von fünf Mehrfamilienhäusern mit bis zu 50 Wohneinheiten in Unterpurbach protestiert.


Heckel: Den Dialog suchen

Dass sich Widerstand formiert, sei gerade auch dort zu beobachten, wo Baulücken geschlossen werden, wenn es nicht um ein Neubaugebiet, sondern um die innerstädtische Verdichtung geht, sagte Marion Resch-Heckel, die 1. Vizepräsidentin der Bayerischen Architektenkammer ist. Oft liege es daran, dass sich die Anwohner im ganzen Prozess nicht richtig mitgenommen fühlten. Die Dialogprozesse müssten intensiviert werden, riet Resch-Heckel. Kompromisse seien möglich, die Akzeptanz schafften. Im Vermittlungsprozess könnten Stadtplaner eine wichtige Rolle einnehmen.
Widerstände spürt bei Neubauten auch die Baugenossenschaft, wie Vorstand Udo Petzoldt deutlich machte. So habe ein Nachbar gegen ein Haus protestiert, das ihn den Blick zur Plassenburg versperrt hätte. Der Vorschlag der Stadt an die Baugenossenschaft, auf ein Stockwerk zu verzichten, sei da "zu einfach gestrickt" gewesen. Man müssen den Bürgern deutlich machen, dass Wohnraum benötigt werde und es Bauherren nicht allein um die Rendite gehe.


"Wie ein Schweizer Käse"

Jörg Naumann vom Verein "Haus und Grund" Kulmbach, der auch Geschäftsführer der Firma Jöna Immobilienmanagement ist, blickte auf das umstrittene Projekt in Unterpurbach. Das, so seine Einschätzung, wird nicht realisiert werden. Der Hang sei "wie ein Schweizer Käse", eine Bebauung wäre technisch nur schwer umsetzbar und teuer. "Die Protestler können sich zurücklehnen", betonte Naumann, dessen Aussage mit Applaus bedacht wurde. Denn unter den Gästen in der Kommunbräu waren auch Anwohner aus Unterpurbach.