"Im Tal der Ahnungslosen"

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Gespräche mit dem Handy sind im Kulmbacher Stadtteil Grafendobrach kaum möglich. Darunter leiden vor allem die Firmen. Auf Einladung von MdB Emmi Zeulner (CSU) standen im Gasthaus Dobrachquelle Vertreter der Telekom den Bürgern Rede und Antwort. Foto: Symbolbild imago/avanti
Gespräche mit dem Handy sind im Kulmbacher Stadtteil Grafendobrach kaum möglich. Darunter leiden vor allem die Firmen. Auf Einladung von MdB Emmi Zeulner (CSU) standen im Gasthaus Dobrachquelle Vertreter der Telekom den Bürgern Rede und Antwort. Foto: Symbolbild imago/avanti

In Grafendobrach sind Gespräche mit dem Handy unmöglich. Die Telekom sieht jedoch keine wirtschaftliche Lösung. Hilfe kommt allenfalls aus dem Ministerium.

Wenn das Thema nicht so ernst wäre, könnte man die Anekdote glatt als Witz verkaufen: "Ein Kunde, der bei uns weder sein Handy noch WLAN nutzen konnte, fragte, ob wir denn wenigstens Strom hätten." Die Vertreter der Telekom hörten aufmerksam zu, als der stellvertretende Werksleiter der Firma Novem, Wolfgang Eisen, gestern Nachmittag in der voll besetzten Gaststätte "Dobrachquelle" diese Begebenheit schilderte. Es sei zeitweise schon peinlich, so Eisen, wenn man Besuchern erklären müsse, dass sie in Grafendobrach nicht mehr erreichbar sind.

Dieter Murrmann verwies auf die kürzlichen Unfälle auf der Kreisstraße 9, die eine wichtige Verbindungsachse zwischen der B 85 und der B 303 sei.
"Wenn man mit dem Smartphone um Hilfe rufen könnte, kann das Leben retten." Murrmann, der im Home Office tätig ist, wies auch auf weitere Betriebe wie die Pralinen-Manufaktur, eine Kfz-Werkstatt und einen Gartenbaubetrieb hin, die alle Schwierigkeiten hätten. "Wir sitzen hier im Tal der Ahnungslosen."

Die fehlende Mobilfunk-Versorgung ist freilich kein alleiniges Problem des Automobilzulieferers Novem und anderer Gewerbetreibender, sondern aller Bürger der Kulmbacher Stadtteile Grafendobrach, Lehenthal und Baumgarten. Deshalb hatte MdB Emmi Zeulner (CSU), die sich seit langem für eine Verbesserung der Situation einsetzt, zum Ortstermin eingeladen.


"Wichtiger Standortfaktor"

Sie stellte fest, dass der Mobilfunk ein wichtiger Standortfaktor ist, allerdings erst seit ein oder zwei Jahren. In ihrem gesamten Wahlkreis gebe es ähnlich gelagerte Probleme wie in Grafendobrach, für deren Lösung jetzt aber positive Signale von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gekommen seien. Diese habe die Auflage eines Förderprogramms in Aussicht gestellt, so wie etwa bei der Breitbandversorgung.


Wirtschaftlichkeit entscheidet

Die Kommunalreferentin der Deutschen Telekom, Karin Ehrhardt, machte den Bürgern jedoch keine Hoffnung, dass der Mobilfunkbetreiber eine eigenwirtschaftliche Lösung umsetzt. Für die Firma Novem wäre zwar eine 70 000 Euro teure Einzellösung möglich gewesen, die von dem Unternehmen finanziell aber nicht zu stemmen sei. Für das ganze Dorf wäre ein 25 Meter hoher Antennenträger notwendig, was von der Telekom aber nicht weiterverfolgt werde. Ehrhardt: "Wir müssen rein aus wirtschaftlichen Gründen darauf schauen, dass ein gewisser Rückfluss erfolgt. Davon können wir in diesem Bereich aber nicht ausgehen. Dort, wo es weniger als tausend Einwohner sind, werden wir keinen Ausbau forcieren."

Hier hakte Oberbürgermeister Henry Schramm (CSU) ein, der an die seit vielen Jahren laufenden, aber erfolglosen Bemühungen der Stadt Kulmbach erinnerte: "Letztlich kam immer nur heraus, dass es unwirtschaftlich ist." Schramm betonte, dass die Mobilfunkversorgung ebenso zur Daseinsvorsorge gehört wie das Internet. Wenn andere Standorte bessere Voraussetzungen bieten, könne man nicht erwarten, dass die Unternehmen bleiben. Es sei notwendig, auf die ländlichen Strukturen zu reagieren, sagte Schramm und redete dann Klartext: "Wenn es jetzt eine Chance gibt, dass dank der Initiative unserer Abgeordneten Emmi Zeulner ein ähnliches Förderprogramm wie bei der Breitbandversorgung aufgelegt wird, dann müssen wir es schaffen, eine finanzielle Unterstützung zu bekommen. Wir wollen gerne unseren Teil dazu beitragen, und das sollte dann aber auch die Telekom tun. Vielleicht könnte man ja den einen oder anderen Gewinn dafür verwenden."


"Etwas Gescheites machen"

Ortssprecher Wolfgang Michel, der auch für Lehenthal und Baumgarten zuständig ist, verwies auf ähnliche Mobilfunk-Situationen in diesen Dörfern. Seine Bitte: "Etwas Gescheites machen - für das ganze Gebiet."

"Das sind schwierige Termine für uns", räumte Hans-Martin Rummenhohl ein, der die Interessensvertretung der Deutschen Telekom gegenüber der Politik wahrnimmt. Er legte seinen Zuhörern aber eine bemerkenswerte Zahl vor: "Wir und die anderen Betreiber haben rein rechnerisch eine Versorgungsquote von 99 Prozent erreicht. Der flächenbezogene Ausbau ist deshalb im Wesentlichen abschlossen. Ein eigenwirtschaftlicher Ausbau steht für die Telekom nicht zur Debatte."

Der Mobilfunk, so Rummenhohl weiter, gehorche "sehr harten Wirtschaftlichkeitserwägungen", weshalb Investitionsentscheidungen in der Telekom-Zentrale genauestens geprüft würden. Es sei auch keine Aufgabe der Telekom, flächendeckend Notrufe per Mobilfunk zu garantieren. Gleichwohl habe sein Unternehmen dem Ministerium zugesagt, mitzuwirken. Die Leitlinien müssten dann zunächst dem Landtag vorgelegt werden, außerdem sei eine Notifizierung durch die Beihilfe-Leitlinien der EU erforderlich.


"Das kann ein langer, steiniger Weg werden"

Rummenhohl bezweifelte eine schnelle Umsetzung: "Das kann ein relativ langer und steiniger Weg werden. Ich wäre froh, wenn wir 2018 damit beginnen können. Ein Mobilfunk-Förderprogramm ist beihilferechtlich viel komplizierter als beim Festnetz. Aber wir tun alles, damit es zu einem vernünftigen Förderprogramm kommt."
Rummenhohls designierter Nachfolger Udo Habers ergänzte: "Wir nehmen das mit, was wir von Ihnen hören." Das Ministerium sei ja immerhin an dem Punkt, dass der Bedarf festgestellt wird. "Wir bauen ja nicht einfach etwas hin."

Die Bereitschaft der Telekom und das Verständnis im Ministerium dafür, dass die Region diese Versorgung braucht, wertete MdB Emmi Zeulner als überaus positiv. Grundsätzlich stellte sie fest, dass der ländliche Raum lebenswert gehalten werden muss. Deshalb sei es auch die Aufgabe der Politik, einzuschreiten, und wenn Wirtschaftsministerin Ilse Aigner in Sachen Mobilfunk helfen wolle, dann müsse sich die Region entsprechend positionieren. "Ich werde jetzt natürlich auch meinen Brief an die Ministerin schreiben", versicherte die Bundestagsabgeordnete.