Hans Krauß ist seit 40 Jahren Chronist von Willmersreuth. Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität seiner Aufzeichnungen ist bemerkenswert.
6240 Originalfotos, weit über 2000 Presseberichte, 1560 Zeichnungen, Embleme und Grafiken auf 2130 Seiten, eineinviertel Zentner Papier. Nein, das sind keine Daten aus einer mittelständischen Druckerei, es ist das Lebenswerk von Hans Krauß. Seit 40 Jahren ist der 76-Jährige Chronist seines Heimatsortes
Willmersreuth. Davon, dass dem gebürtigen Kulmbacher ("Aus dem Blaicher Sauermanns-Viertel") nichts entgeht in dem Dorf, zeugen über 20 Bildbände, die er für den Reporter auf einem Tisch in den Gemeinde-Stuben ausgebreitet hat.
1977 fing alles an. Als Neubürger, den Dirigent Vitus Karg gleich für eine Mitgliedschaft im Gesangverein warb, merkte Krauß schnell, dass die Willmersreuther sowohl auf Vereinsebene als auch im kirchlichen Leben eine sehr aktive Gemeinschaft sind. Mit Horst Gellerer, der damals "Liederhort"-Vorsitzender war, entschied er, die vielen Aktivitäten des Chores nicht nur protokollarisch, sondern in Form einer handgeschriebenen und handgemalten "Extra-Chronik" festzuhalten.
Dabei blieb es freilich nicht. Denn sechs Jahre später, 1983, wurde die Interessengemeinschaft Willmersreuther Bürger aus der Taufe gehoben, getragen vom Gesangverein, der Feuerwehr, dem Tischtennisclub, dem Gartenbauverein, dem Modellflugclub und der evangelischen Kirchengemeinde. Unter der Regie von Hans Krauß, der erster Vorsitzender wurde, bauten viele fleißige Helfer die marode Dorfschule zum Bürgergemeinschaftshaus um - die neue Heimstatt für alle Vereine.
Risiko betrug 1,4 Millionen Mark
Ein nicht gerade risikoloses Unterfangen. Das Projekt kostete 1,4 Millionen Mark, und Hans Krauß musste zusammen mit den weiteren Vorstandsmitgliedern Horst Gellerer, Lothar Kaiser und Arslan Hakberdi für diesen Betrag bürgen. "Wir haben damals oft alte Fotos an die Bürger verkauft, damit wir uns wieder ein paar Backsteine kaufen konnten", erinnert sich Hans Krauß und lacht. Doch alles ging gut, heute ist die Interessengemeinschaft schuldenfrei, nicht zuletzt dank der Einnahmen aus der "Krumba", einem Schlachtfest, das weit über die Mainleuser Gemeindegrenzen hinaus bekannt ist. "Wir haben halt alle an einem Strang gezogen."
Zurück zum Chronisten Krauß: "Spätestens nach der Gründung der IG war ich der Meinung, dass ich das ganze Dorf einbeziehen muss, und so entstand die Orts- und Vereinschronik für alle Bürger."
Der nackte Radfahrer
Dort findet sich fast jeder wieder, auch jedes Ereignis im Jahresverlauf ist festgehalten. Nicht nur anhand von Presseberichten, sondern auch nach Schilderungen von Augenzeugen. So entstand zum Beispiel - nach einer wahren Begebenheit - der humorvolle Comic mit einem splitterfasernackten Radler, der, beobachtet von drei Damen, durch Willmersreuth fuhr und natürlich auch Gegenstand des Polizeiberichts in der Bayerischen Rundschau war.
Apropos BR: Natürlich war Hans Krauß auch für unsere Redaktion als Berichterstatter tätig - die Grundlage dafür, dass er zum Chronisten wurde.
Als Bub mit Bildern Geld verdient
Die zeichnerischen Fähigkeiten hatte er sich indessen schon als Siebenjähriger angeeignet. Kunstlehrer war damals der Mann der Cousine seiner Mutter, ein Kriegsheimkehrer der in Dresden Malunterricht gegeben hatte. "Für ihn musste ich Hummelbilder vergrößern, er hat sie dann gerahmt und verkauft. Zuerst bekam ich fünf Mark, später, als ich besser wurde, zehn Mark pro Bild. Das war damals viel Geld."
Viele Fotos in der Orts- und Vereinschronik stammen auch von Horst Gellerer. Ihm und allen anderen, die ihn beim Verfassen seiner Werke unterstützt haben, ist Hans Krauß dankbar. Ebenso freut er sich darüber, dass "wir Altvorderen" nach 30 Jahren die Verantwortung für das Gesamtprojekt "Bürgergemeinschaftshaus" in die Hände eines jungen, engagierten Vorstandsteams legen konnten.
Beeindruckendes Wandgemälde
Das große, beeindruckende Wandgemälde mit einer Ansicht des Ortes, das er in zweieinhalbmonatiger Arbeit geschaffen hat, widmete er deshalb der jüngeren Generation: "Damit sie das Erbe für das Gemeinwesen in eine hoffnungsvolle und friedliche Zukunft trägt."
Wer hat noch alte Fotos?
Möglichst noch bis zum 50. Jahr möchte Hans Krauß die Orts- und Vereinschronik weiterführen. Zudem will er aufschreiben, was vor Beginn seiner Aufzeichnungen in dem Ort geschehen ist und über das hinausgeht, was er bereits im Porträt "700 Jahre Willmersreuth" festgehalten hat. Deshalb bittet er alle Bürger, weiterhin nach alten Fotos Ausschau zu halten. "Ich bin mir auch sicher, dass der Barock-Kronenleuchter der St.-Andreas-Kirche noch irgendwo auf einem Dachboden schlummert, ohne dass der Hausbesitzer davon weiß."