Valentin Motschmann ist 26 Jahre alt und seit 2008 Kreisrat in Lichtenfels. Jetzt will er für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag einziehen. Er setzt dabei vor allem auf eine Energiewende, die ihren Namen auch verdient. Und auf ein Ende des sozialen Ungleichgewichts.
Sie haben noch wenig politische Erfahrung. Hilft oder schadet das bei der Kandidatur?
Valentin Motschmann: Wenn auch fünf Jahre Kommunalpolitik auf den ersten Blick recht wenig erscheinen, lernt man gerade in der Opposition recht schnell, wie der Hase läuft. Vor allem wenn man fast genauso lange mit an der Spitze einer der Oppositionsparteien im Kreis steht. Setzt man die politische Erfahrung mit der Lebenserfahrung gleich, kann ein 26-jähriger natürlich nicht so viel haben wie ein 50-jähriger Politiker. In manchen Bereichen merkt man, wie dadurch eine Kandidatur erschwert wird.
Auf der anderen Seite bereichert es, meiner Meinung nach, aber auch die Kandidatur, da sie durch das Fehlen mancher Erfahrungen auch authentischer, persönlicher, menschlicher wird.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein in einem Wahlkreis, in dem die CSU dominiert?Um es mal so zu sagen: Wenn auch die meisten Trümpfe bei anderen Mitspielern liegen, reicht die Herzsau und die Herzzehn in günstigen Fällen zum Gewinnen.
Auf welche Themen möchten Sie setzen?Auf eine Energiewende, die ihren Namen verdient. Auf ein Ende des sozialen Ungleichgewichts. Auf ein Ende der Massentierhaltung. Auf ein vereintes soziales Europa und ein Ende der menschenverachtenden Asylpolitik, wie sie die Staats- und Bundesregierung betreibt.
Ihr Stimmkreis ist sehr groß. Wie kann es ein Abgeordneter schaffen, dauerhaft in der Fläche präsent zu sein?Durch eine gute Medienpräsenz und sehr viel Zeit.
Das alles reicht jedoch nicht, könnte man sich nicht auf die vielen ehrenamtlichen Helfer in den einzelnen Orts- und Kreisverbänden verlassen. Ohne deren Unterstützung könnte ein Einzelner nicht dauerhaft präsent sein.
Die Gemeinden Bad Berneck, Himmelkron, Marktschorgast, Neuenmarkt und Wirsberg wollen als ein gemeinsames Mittelzentrum ausgewiesen werden, Anträge gibt es auch aus Stadtsteinach/Untersteinach und Thurnau. Bisher scheinen die Bemühungen nicht von Erfolg geprägt. Wie stehen Sie zu den Überlegungen?
Den Überlegungen stehe ich sehr positiv gegenüber, zeigt es doch, dass die Gemeinden erkannt haben, dass nur durch eine stärkere Zusammenarbeit die Kommunen ihre Eigenständigkeit auf Dauer bewahren und sich dem demographischen Wandel erfolgreich entgegenstellen können.
Kulmbach ist ein Schwerpunkt für Lebensmittelproduktion und -forschung. Wie kann der Bund hier flankierend weitere Ausbaubemühungen unterstützen?
In dem er sich für eine solide Finanzierung der Forschung einsetzt und gemeinsam mit den Ländern das Kooperationsverbot im Bereich Bildung endlich aufhebt. Somit bestünde die Möglichkeit, nicht nur durch guten Zuspruch Ausbaubemühungen zum Beispiel beim Thema Hochschulstandort voranzutreiben, sondern konkret mitzufinanzieren.
Eine Frage, die eine brennende ist: Die Ortsumgehungen in Untersteinach und Kauerndorf kommen nicht voran. Was könnte da helfen?
Bevor man hilft, ist es wichtig, dass alle Fakten und Zahlen auf dem Tisch sind. Außerdem muss man sich im Klaren sein, dass die aktuell vorgeschlagene Lösung weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist.
Die Zeit, in der ständig neue Straßen aus dem Boden gestampft werden können, ist Gott sei Dank vorbei. Wir müssen uns daher über realisierbare Maßnahmen unterhalten, wie eine Sperrung für Schwerlastverkehr, Flüsterasphalt und Tempolimit. Hiermit schaffen wir eine schnelle Entlastung der Bevölkerung.
Die Landwirte - auch im Kreis Kulmbach - sind in keiner einfachen Situation. Vorschriften und Ansprüche, sinkende Preise für Lebensmittel und der demographische Wandel setzt ihnen zu. Sehen Sie Ansätze, ihnen zu helfen?Die Landwirtschaft, und das scheint unsere Gesellschaft leider vergessen zu haben, ist unsere Lebensgrundlage. Die Entlohnung der Bäuerinnen und Bauern stimmt nicht mit den Leistungsanforderungen, die der Verbraucher an sie stellt, überein.
Die Lösung dieser Unausgeglichenheit kann jedoch nicht darin bestehen, niedrigere Qualitätsansprüche an unsere Lebensmittel zu stellen, sondern muss ein bessere Bezahlung und damit, ja, auch höhere Preise für unser Essen sein. Was die Politik hier beispielsweise machen kann, ist Reformen auf der EU-Ebene mit voranzutreiben, wie eine Milchquote oder ein Ende falscher Subventionspolitik, von der vor allem Tierfabriken und Megakonzerne profitieren.
Der demographische Wandel beschleunigt sich in den kommenden Jahren. Gibt es Gegenstrategien?Ich glaube, den demographischen Wandel durch Neuansiedlungen von Großbetrieben im ländlichen Raum aufzuhalten, ist utopisch. Wir sollten uns stattdessen auf unsere Stärke, die herrliche Landschaft und Naturnähe konzentrieren. Meiner Meinung nach stellen wir einen der schönsten Lebensräume Deutschlands dar, dies gilt es herauszustellen.
Durch eine Gute Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur ermöglichen wir den Leuten, bei uns zu wohnen, auch wenn sie vielleicht in den Zentren arbeiten. Dennoch müssen wir weiter unsere Hausaufgaben machen. Der flächendeckende Ausbau von Kleinkindbetreuungsangeboten ist in den letzten Jahren begonnen worden, aber vielerorts noch nicht abgeschlossen. Ebenso wichtig ist die flächendeckende Breitbandversorgung, bei der es jedoch noch wesentlich zögerlicher vorangeht. Um den Wirtschaftsstandort Oberfranken zu halten und ein Arbeiten von zu Haus aus zu ermöglichen, muss dies schneller geschehen, worauf die Politik, wenn sie will, einen starken Einfluss haben kann.
Viele der Kandidaten für die Bundestagswahl sind vergleichsweise jung. Wird sich das auf den Wahlkampf auswirken?Es wirkt sich bereits aus.
Sowohl auf den Umgang der politischen Gegner miteinander, als auch auf den Umgang der Kandidatinnen und Kandidaten mit dem Bürger. Wenn auch fast alle Jungen seit einigen Jahren bereits kommunalpolitisch aktiv sind, möchte ich behaupten, sind bei den meisten noch nicht alle Ecken und Kanten abgeschliffen. In das ein oder andere Fettnäpfchen wird daher vielleicht noch getreten. Dies wird den Wahlkampf meiner Meinung nach jedoch nur menschlich machen. Den aalglatten Politiker hatten die Leute, bis sich rausstellte, dass dies alles nur eine große Lüge war. Offen und ehrlich mit seinen Schwächen umzugehen, wird daher meiner Meinung nach für den Wahlkampf immer eine Rolle spielen.
Zur Person Privates und Ehrenamt: Valentin Motschmann wohnt in Schönbrunn bei Bad Staffelstein. Er studiert in Bamberg Politikwissenschaften.
Ehrenamtlich engagiert er sich seit vier Jahren vor allem in der Offenen Behindertenarbeit Bamberg.
Politik Mitglied bei den Grünen ist er seit 2009, seit 2008 sitzt er im Kreistag von Lichtenfels. Seit 2009 ist er Sprecher des Kreisverbands der Grünen. Außerdem ist er Beisitzer im Bezirksvorstand.