Timo Boethelt hört über mehrere Tage eine laute Computerstimme, die immer dasselbe sagt. Warum der Elektrokasten quäkt? Eine Spurensuche...
Das corpus delicti hängt in vier Metern Höhe. Weiße Hülle; gewölbter Kunststoff schützt die Linse samt Innenleben vor Nässe. Eine Überwachungskamera, wie sie mittlerweile tausendfach in Deutschland eingesetzt wird: auf Bahnhofsvorplätzen, unter Firmendächern, in Parkhäusern. Stumm verrichten die elektronischen Augen ihren Dienst. Aber nicht alle sind so lautlos am Werk...
Ortswechsel.
Kulmbach, Stettiner Straße. Es ist Dienstagnacht, über der Bierstadt hat es gewittert. Aber deswegen ist Timo Boethelt nicht aus dem Schlaf geschreckt. "Es war diese komische Stimme", sagt der 37-Jährige. Blechern hat sie geklungen. Eine "weibliche" Computerstimme. "Ich habe mich ans Fenster gestellt und gelauscht, weil ich mir den Ursprung nicht erklären konnte. Erst klang es, als würde jemand mit einem anderen reden. Ich habe es zuerst auch nicht genau verstanden, nur Fetzen. Irgendwas mit ,Hier spricht ihre Punkt-Punkt-Kamera.'"
Aufklärung im Internet
Kurios: Genau dieser Satz wiederholt sich zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder. Und das nicht gerade leise, wie Timo Boethelt bestätigt. "Manchmal tat sich stundenlang gar nichts, dann wieder war dieser Satz mehrmals pro Minute zu hören." Irgendwann versteht der Kulmbacher auch, welche Kamera sich da meldet: Mobotix. Der 37-Jährige googelt und findet einen Hersteller für Videoüberwachung. "Ich dachte mir so etwas schon. Das war offenbar eine Kamera, die mit Bewegungsmelder ausgestattet sein muss. Sobald etwas in ihr Gesichtsfeld rückt, schlägt sie quasi Alarm."
Er beginnt nachzuforschen. "Mir schien, als käme das vom Goldenen Feld." Er hat sich dort umgesehen - gehört hat er nichts. Abends dann war das vertraute Quäken wieder da. "Das ging über mehrere Stunden. Da stand ich auch mal kurz davor, die Polizei zu rufen, weil es doch anfing zu nerven." Der Anruf unterbleibt, stattdessen postet er den Vorfall auf Facebook. Es melden sich andere Mit-Hörer des Geschehens.
Des Pudels Kern gefunden
Schließlich landet die Geschichte bei der BR. Es folgen mehrere Telefonate mit im Goldenen Feld ansässigen Firmen. Und dann: Bingo, der Ursprung der mysteriösen Stimme ist geklärt. "Ich fürchte, das kommt von uns", bekundet Inhaberin Barbara Hahn vom gleichnamigen Autohaus am Goldenen Feld. Und mit einem Lächeln schiebt sie hinterher: "Das ist Mobsi, die zickt leider noch etwas rum."
"Mobsi" heißt eigentlich Mobotix und ist eine sprechende Überwachungskamera. Da also ist des Pudels Kern! "Sie ist sehr empfindlich", sagt Barbara Hahn. "Ich dachte, das gibt sich. Eigentlich hätte sie der Technik-Service längst auf unsere Bedürfnisse einstellen sollen, aber irgendwie klappt das nicht. Dass man sie aber so weit hört, sogar bis Richtung Melkendorf - das überrascht mich dann doch. Insofern bitte ich alle, die dadurch gestört wurden, aufrichtig um Entschuldigung."
Die Aufrüstung auf ein neues Kontrollsystem sei leider nötig geworden, sagt die Autohaus-Inhaberin. Der Grund: ein Diebstahl heuer, um die Pfingstzeit. Langfinger ließen Einspritzdüsen mitgehen, der Schaden war enorm. "Die Versicherung legte uns nahe, aufgrund des Vorfalls die Überwachung des Geländes anzupassen. Da mussten wir dann tätig werden."
Was soll sie sagen?
Die neue Kamera kann nicht nur auf Bewegung reagieren, sie kann auch kommunizieren. Gut - sie
soll das können. Wie Barbara Hahn erklärt, sollte "Mobsi" nur außerhalb der Öffnungszeiten aktiviert sein. "Wenn alles mal klappt, dann sagt sie zu all denen, die sich unbefugt auf dem Hof aufhalten, folgendes: ,Sie befinden sich auf dem Gelände von Autotechnik Hahn, dieses Gelände wird videoüberwacht.' Und zwar so, dass man es tatsächlich nur auf dem Gelände hört."
Der Hintergrund klingt kurios: Es kann rechtlich gesehen von Belang sein, dass diese Information erfolgt, weil eine Video-Aufnahme im Zweifel nur dann vor Gericht verwertbar ist, wenn der "Gefilmte" über das Vorgehen unterrichtet wurde.
Offenbar hat "Mobsi" noch Probleme mit der Freund-Feind-Kennung. "Sie sollte auf Umrisse in der Größe eines Menschen reagieren. Das gestaltete sich schwierig. Das erste Mal, als sie losgelegt hat, haben wir vergeblich unser Areal nach einer unbefugten Person abgesucht", sagt Barbara Hahn. Offenbar springt das Gerät auch bei kleineren Tieren wie Vögeln an und schlägt Alarm. Noch nicht freilich bei den schrägen Vögeln, die man damit eigentlich vergraulen will. Momentan reagiert sie gar nicht, denn: "Mobsi" ist ruhig gestellt. "Die Techniker kümmern sich drum, es wird."
"Nicht nachtragend"
Das wiederum hört auch Timo Boethelt gern. "Dann wird es ja nachts wieder ruhiger", sagt er und ergänzt: "Ist ja gut, dass das aufgeklärt werden konnte. Ich bin nicht nachtragend." Er lacht. Jaja, diese verflixte Technik...