Bei der Entdeckertour durch den Alten Friedhof zeigten Erich Olbrich und sein Enkel Marcus nicht nur die Gräber namhafter Kulmbacher Familien.
Vierzig Interessierte hatten sich für die Entdeckertour über den Alten Friedhof in Kulmbach mit Erich und Marcus Olbrich angemeldet, doch das herrliche Sommerwetter und angenehme Spaziertemperaturen lockten fast doppelt so viele nach draußen. Erich Olbrich nahm den Andrang gelassen. Denn schließlich sammelt er bei den Entdeckertouren für die Aktion "Franken helfen Franken". Der Erlös kommt einem guten Zweck zugute. "Wir hoffen, dass wir am Ende auf über 1000 Euro kommen", so Olbrich.
Disput mit der Kirchengemeinde
Ausgangspunkt der letzten Entdeckertour war die Nikolaikirche. Sie stand an der Wegscheide Richtung Bayreuth und Bamberg und wurde 1573 bis 1576 an der Stelle der alten "Siechenkirche" errichtet. Schon 1666 ist die Nikolaikirche erweitert worden. Erich Olbrich erklärte, dass der Anbau für einen Disput mit der Untersteinacher Kirchengemeinde gesorgt hatte. Denn ursprünglich sollten zum Bau die Steine der Kauernburger Kirche, die zu Untersteinach gehörte, verwendet werden. Dies allerdings wurde nicht gestattet. So suchten sich die Baumeister einst andere "gebrauchte Steine" vom Alten Kanzleitor (gegenüber dem Prinzessinnenhaus).
"Auf dem Alten Friedhof sind die Toten des Bundesständischen Krieges bestattet, die Leprakranken und die Pestkranken", erklärte Erich Olbrich. Heute finden sich die Grabstätten namhafter Kulmbacher auf dem Alten Friedhof. Die Steine sind von Moos bewachsen, versprühen einen morbiden Charme. "Hier ist ein kleiner Schmetterling zu sehen", macht Olbrich die Teilnehmer der Führung auf ein winziges Detail aufmerksam. Der Schmetterling soll die emporsteigende Seele symbolisieren.
Gleich hinter der Nikolaikirche befindet sich das Grab von Sophia Fleischmann. Die junge Frau kam bei einem tragischen Unglück ums Leben. Sie war mit ihrem Verlobten und zwei weiteren jungen Leuten zu einer Bootspartie aufgebrochen. Doch der Kahn kenterte auf Höhe der Limmersmühle, der heutigen Kommunbräu. Sophia Fleischmann konnte sich noch ans Ufer retten, musste jedoch mit ansehen, dass sich ihr Verlobter am Kahn verhakt hatte. Kurzerhand schwamm sie zurück, um ihn zu retten. Es gelang ihr nicht. Alle Vier kamen ums Leben. "Von den 800 Grabstätten sind leider zwei Drittel entfernt worden. Auch die Zäunchen, die einst um die Grabstätten gezogen waren, gibt es nicht mehr. Aber das war eben damals der Zeitgeist", erläuterte Olbrich bei seiner Führung: "Auch das Grab von Hans Wilsdorf (den Begründer von Rolex) ist mit einem Bagger weggeschoben worden."
Ein Grab für Dreharbeiten
Die Interessierten erfuhren, dass das Kriegerdenkmal 9,50 Meter hoch ist, sie bekamen fast zugewachsene Grabsteine, die Olbrich notdürftig frei gelegt hat, zu sehen. Beim Rundgang stieß die Gruppe auf ein neues Grab - mit frisch bepflanzten Blumen. "Auch wenn 2016 auf dem Stein steht, das ist nur ein Scherz. Hier wurden Dreharbeiten für den Film ,The Happy Prince" durchgeführt, die Beerdigungsszene für Oscar Wilde wurde hier gedreht", wusste Olbrich auch über dieses Kuriosum Bescheid. Der letzte, der auf dem Alten Friedhof bestattet worden ist, war der Kulmbacher Maler Michel Weiß. Als Ehrenbürger bekam er eine Ausnahmegenehmigung. Er starb im April 1951, damals war der Alte Friedhof schon nicht mehr in Betrieb.
Auf dem Alten Friedhof wurde Brauereigeschichte lebendig. Noch heute erinnern Mausoleen und prächtige Gräber und Gruften an die bis heute legendären Kulmbacher Familien. "Aber auf dem Friedhof gibt es immer wieder etwas zu entdecken. Hier habe ich einen Grabstein freigelegt", zeigte Olbrich: Der schwarze Stein erinnert an den Zeichenlehrer des berühmten Kulmbacher Malers Michel Weiß. Auch für die Schulausbildung von Mädchen - damals nicht üblich - hat er sich eingesetzt.
Erich Olbrich würzte den Rundgang über den Alten Friedhof mit Geschichten aus der Feder von Elise Gleichmann. Andrea Senf vom Literaturverein hatte die in deutscher Schrift überlieferten Mundartgeschichten von Bewohnern des Seniorenheimes Am Mainpark "übersetzen" lassen.
Uhren wurden angehalten
"Mein Enkel Marcus hat die Geschichten digitalisiert", so Erich Olbrich. Die Geschichten erklärten alte Bräuche, die mit Toten und mit dem Sterben zusammenhingen. "Man hatte Angst, dass die Toten wiederkehren könnten", so Olbrich. Aus diesem Grund wurden die Uhren angehalten. Der Nachfolger durfte sie erst nach der Bestattung wieder in Gang setzen. Spiegel wurden verhängt. Hintergrund für diese Legende war, dass die Menschen Angst hatten, dass derjenige, der nach dem Toten in den Spiegel blickt, der nächste sein könnte. Und auch über Sterbeglöckchen, Sterbekreuze, über den Brauch, nach dem Tod eines Angehörigen, alles Wasser auszuschütten und die Feuer zu löschen, berichtete der Hobby-Historiker bei seiner Reise in die Vergangenheit.