Der Grat zwischen berechtigter Sorge und Panikmache ist oft schmal. Das zeigt die Diskussion um einen Vorfall in Kulmbach.
Seit ich als Dreikäsehoch allein auf die Straße durfte, haben mir meine Eltern eingeschärft: Nimm nichts von Fremden an. Geh nicht mit jemandem mit, den du nicht kennst! Klare Ansage, an die ich mich gehalten habe. So streng, dass ein guter Freund meines Vaters, der mich ausnahmsweise von der Schule abholen sollte, unverrichteter Dinge wieder abziehen musste, weil ich partout nicht einsteigen wollte. Ärger bekam ich deshalb nicht. Ganz im Gegenteil.
Richtig verhalten hat sich auch die Kulmbacher Grundschülerin, als eine ihr fremde Autofahrerin sie mit einer Geste zum Einsteigen aufforderte. Da das kein Einzelfall zu sein schien, meldete ihr Vater die Sache der Polizei. Soweit ist alles so, wie es sein sollte.
Doch nicht alles ist in diesem Fall gut gelaufen. Eine WhatsApp-Nachricht aus einer Elterngruppe fand ihren Weg zu Facebook und Instagram. Dort wurde kommentiert und geteilt, was das Zeug hält - und man konnte den Eindruck gewinnen, dass Kinderfänger im Raum Kulmbach-Bayreuth ihr Unwesen treiben - und das noch lange, nachdem die Polizei die Sache hatte aufklären können.
Die schnelle Kommunikation in den sozialen Netzwerken hat Vorteile, aber sie wird leicht zum Fluch, wenn jeder zu allem seinen Senf dazugibt, im Stil von: "Ich habe heute auch einen weißen Transporter gesehen!" Es ist schwer, keinen weißen Transporter zu sehen. Die sind überall. Und in der Regel sind sie nicht gefüllt mit Kriminellen.
Ein wenig Zurückhaltung ist also schon angebracht, bevor man unnötig Angst befeuert. Gleichzeitig muss auch die Polizei darauf achten, ihre Formulierungen auf Instagram & Co. mit Bedacht zu wählen. Vokabeln wie Fake News kommen bei den Betroffenen nicht gut an, deren Sorgen nicht fake, sondern ganz echt sind.