"Es ist Zeit, neue Wege zu gehen": Physiotherapeut aus Oberfranken will Menschen in Ruanda helfen

"Ich bin Kulmbacher", sagt Abou Bakar Musagara. Aber auch: "Ruanda ist mein Herkunftsland, und dort möchte ich den Menschen helfen."
Abou Bakar Musagara bewegt sich souverän in beiden Welten: Im eher beschaulichen Franken, wo er lebt, arbeitet und sich als Fußballer einen Namen gemacht hat. Und in Ruanda, jenem kleinen Binnenstaat in Afrika, der nicht einmal ein Zehntel der Fläche Deutschlands einnimmt, und in dem die Folgen des Bürgerkriegs immer noch spürbar sind. Von Abou Bakars Wissen und Können als Physiotherapeut haben in den letzten Jahren unzählige Patienten einer Reha-Klinik in Bayreuth und einer privaten Praxis profitiert.
Nun hat er ein Projekt auf den Weg gebracht, das den Menschen in Ruanda zugute kommen soll.
Mit den Händen helfen: Abou Bakar brennt für seinen Beruf
Vor 20 Jahren ist der heute 35-Jährige aus Ruanda nach Deutschland gekommen. Hier hat er die deutsche Sprache erlernt, zunächst eine Handwerkslehre begonnen. "Dann hatte ich mich verletzt, hatte zum ersten Mal Kontakt mit einem Physiotherapeuten und war begeistert: Hier kann jemand mit seinen Händen spüren, was mir fehlt, und mit seinen Händen helfen, dass es mir besser geht."
Das Erlebnis war eindrücklich und entscheidend für das künftige Leben des jungen Mannes. Abou Bakar entschloss sich zu einer Physiotherapeuten-Ausbildung - und hat das bis heute nicht bereut.
Wenn er aus seinem Arbeitsalltag erzählt, ist es unüberhörbar: Er brennt für seinen Beruf. Und er brennt für die Idee, sein Können in Ruanda in den Dienst der guten Sache zu stellen.
Die Anfänge sind gemacht. Einmal im Jahr, im Urlaub, fliegt Abou Bakar Musagara nach Kigali, wo er aufgewachsen ist und wo immer noch Familienmitglieder leben. In der Hauptstadt des Landes möchte er in ein, zwei Jahren sein Physio-Zentrum eröffnen. Viele Infos gibt es gofundme-Seite zum Ruanda-Projekt.
Kulmbacher will sein in Deutschland erlerntes Wissen weitergeben
Über seine Motivation sagt Abou Bakar: "Ich bin als Jugendlicher nach Deutschland gekommen, habe mir viel Wissen aneignen können. Nun ist die Zeit gekommen, neue Wege zu gehen, Träume zu verwirklichen und vor allem auch mein Wissen weiterzugeben."
Das will er in einer eigenen Praxis für Physiotherapie und medizinisches Gesundheitstraining tun.
Die Vorbereitungen laufen; seine Zulassung, ohne die der Physiotherapeut in Kigali nicht arbeiten dürfte, hat er bereits in der Tasche. Abou Bakar weiß, dass es in Ruanda viele Menschen gibt, die seine Hilfe brauchen. Auch viele Jahre nach dem Bürgerkrieg leben dort Minenopfer oder Menschen, die schwer traumatisiert sind. Besonders am Herzen liegen dem 35-Jährigen Kinder, die mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung zur Welt gekommen sind. "Es gibt viele Kinder, die mit effektiver Therapie ein besseres Leben haben könnten."
Qualitativ hochwertige Therapie
Noch freilich fehlt Abou Bakar Musagara das Startkapital für sein ehrgeiziges Projekt. Deswegen hat er vor kurzem ein sogenanntes Crowdfunding-Projekt gestartet. Auf der entsprechenden Internet-Seite erklärt er ausführlich seine Beweggründe. "Mein Herkunftsland ist nach dem Bürgerkrieg 1994 auf einem sehr guten Weg und ich möchte gerne meinen Teil dazu beitragen, auch dort den Menschen qualitativ hochwertige Therapie zugute kommen zu lassen", heißt es da unter anderem.
Neue Perspektive: Bessere Zukunft im Heimatland aufbauen, statt das Land zu verlassen
Musagara hat dabei nicht nur den medizinischen Aspekt im Blick - sondern sieht sich auch als künftiger Arbeitgeber in der Verantwortung: "Ich möchte jungen Menschen die Perspektive geben, in ihrem eigenen Heimatland wieder eine Zukunft zu sehen, statt von einem vermeintlich besseren Leben in Europa zu träumen, das viele dazu bewegt, ihr Land zu verlassen."
Von Arbeitskollegen und Patienten, so sagt Musagara, habe er schon viel positive Rückmeldung bekommen. Nun hofft er, dass ihm möglichst viele Menschen mit einer Spende unter die Arme greifen, damit er sein Projekt realisieren kann. "Ich lebe hier im Frieden, ich kann hier ruhig schlafen. Da möchte ich den Menschen in Ruanda etwas zurückgeben."
Auch spannend ist ein weiteres Projekt aus Oberfranken: Ein Bamberger will auf Sumatra ein Recycling-Dorf aus Plastikmüll bauen.
Ruanda ist ein dicht bevölkerter, kleiner Binnenstaat in Ostafrika. Er grenzt an Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Uganda und Tansania.
Von 1884 bis 1916 war Ruanda als Teil Deutsch-Ostafrikas eine deutsche Kolonie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es 1919 belgisches Völkerbundsmandat bzw. nach 1945 UN-Treuhandsgebiet. 1962 erfolgte die Unabhängigkeit. Noch immer leidet das Land an den Folgen des Bürgerkrieges, der 1994 im Völkermord an den Tutsi gipfelte. Rund 800 000 Angehörige dieser Volksgruppe kamen damals ums Leben.
Seit dem Jahr 2000 amtiert Paul Kagame als Präsident, der das Land autoritär in einer Art Erziehungs- und Entwicklungsdiktatur regiert.
Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstumsrate von etwa 8 Prozent im Zeitraum 2001 bis 2015 gehört Ruanda seit längerem zu den Ländern Afrikas mit dem stärksten Wirtschaftswachstum.
Im Entwicklungsindex der Geschlechter der Vereinten Nationen von 2015, der die Unterschiede im sozioökonomischen Entwicklungsstand von Frauen im Vergleich zu Männern misst, nahm Ruanda den Spitzenplatz unter allen Entwicklungsländern ein und erzielte sogar bessere Werte als Länder wie Deutschland oder Frankreich.
Das Spendenprojekt Über die Internet-Seite von gofundme kann man direkt spenden. Es handelt sich um eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne. Erst wenn das Spendenziel erreicht ist, wird die Spende vom Konto abgebucht. Wird das Spendenziel nicht erreicht, bleibt das Geld beim Spender.
Und ohne Internet? Wer keinen Internet-Zugang hat, aber trotzdem spenden möchte, kann dies auf folgendes Konto tun: IBAN: DE 32771500000101728491; BIC: BYLADEM1KUB; Abou Bakar Musagara, Verwendungszweck Physio-Zentrum Ruanda.
Transparenz Musagara ist es wichtig, dass die Menschen erfahren, was mit ihren Spendengeldern passiert. Er wird deshalb regelmäßig über den Fortgang des Projektes berichten.gey