Ein Schreckenstag für Stadtsteinach

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Die Reste der Stadtsteinacher Pfarrkirche, kurz nachdem sie ein Raub der Flammen wurde. Von der einstmals prächtigen Barockkirche standen nur noch die Außenmauern. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
Die Reste der Stadtsteinacher Pfarrkirche, kurz nachdem sie ein Raub der Flammen wurde. Von der einstmals prächtigen Barockkirche standen nur noch die Außenmauern. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
Der Altarraum der 1903 bis auf die Grundmauern abgebrannten Kirche. Sie war eine reine Barockkirche mit einer überschwänglichen Ausstattung, mit symbolischem Reichtum, mit teils übertriebenem ornamentalem Schmuck und mystifizierender Lichtführung. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
Der Altarraum der 1903 bis auf die Grundmauern abgebrannten Kirche. Sie war eine reine Barockkirche mit einer überschwänglichen Ausstattung, mit symbolischem Reichtum, mit teils übertriebenem ornamentalem Schmuck und mystifizierender Lichtführung. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
 
Blick auf den Stadtsteinacher Stadtkern vor dem BrandReproduktion: Siegfried Sesselmann
Blick auf den Stadtsteinacher Stadtkern vor dem BrandReproduktion: Siegfried Sesselmann
 
Stadtsteinach mit der alten Kirche von 1774 auf einer Karte aus dem Jahre 1895. Der Kirchturm zeigt nach Osten. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
Stadtsteinach mit der alten Kirche von 1774 auf einer Karte aus dem Jahre 1895. Der Kirchturm zeigt nach Osten. Reproduktion: Siegfried Sesselmann
 

Die barocke Stadtpfarrkirche wurde 1903 ein Raub der Flammen. Auf die Weihe des 1774 benedizierten Gotteshaus durch Fürstbischof Erthal mussten die Stadtsteinacher zehn Jahre warten.

Der 26. Februar 1903 war ein Schreckenstag für Stadtsteinach. Zwischen 11 und 15 Uhr brannte unsere Pfarrkirche mit einer kunsthistorisch wertvollen Innenausstattung vollständig nieder, in Brand gesetzt durch Funken von der unten im Wöhr (heute Wehr) liegenden brennenden Kapellmühle. Das in den folgenden Jahren neu erbaute Gotteshaus St. Michael blickt mittlerweile auf eine über 100-jährige Geschichte zurück, an diesem Wochenende ist Kirchweih. Die Vorgängerkirchen an gleicher Stelle jedoch besitzen in Stadtsteinach eine 1000-jährige Vergangenheit.


Die Slawenkirche

Historiker sind sich darüber einig, dass in Stadtsteinach zur Christianisierung der Gegend um den Frankenwald durch Karl den Großen (748-814) eine sogenannte Slawenkirche errichtet wurde. Diese ersten Gotteshäuser waren sicherlich kleiner und aus Holz gebaut.
Doch die Errichtung der ersten steinernen Pfarrkirche dürfte in der Anfangszeit der Gotik (1250-1550) geschehen sein. Diese wurde nach 1770, wie es damals üblich war, nicht einfach abgebrochen, sondern behutsam eingelegt, um für den Neubau wieder zur Verfügung zu stehen.

Schon nach 1700 findet man Klagen von Geistlichen und Bewohnern über den schlechten Zustand des damaligen Gotteshauses. Als im Jahre 1715 der neue Stadtpfarrer Dr. Johann Adam Zapf aus Marienweiher nach Stadtsteinach kam, erhofften alle frischen Wind. Während seines Wirkens bis 1749 wurde der Neubau des heute noch bestehenden Pfarrhauses, 1721 unter dem Landesherrn Fürstbischof Schönborn, umgesetzt.

Unter Dr. Zapf wurde Stadtsteinach im Jahre 1746 ein eigenes Landkapitel, eine Art Dekanat, dessen Ausmaße die des ehemaligen Landkreises Stadtsteinach bei weitem übertrafen. Es reichte im Laufe der Jahre bis Wallenfels, Altenkunstadt und sogar bis nach Hof. Kirchlich gesehen war Stadtsteinach also flächenmäßig ein riesiges Gebiet, hatte selbst aber zu damaliger Zeit nur etwa 1000 Einwohner. So stellte Stadtsteinach eine Bastion, ein Bollwerk des Bistums Bamberg, dar, umgeben von protestantischen Gebieten.


Flucht mit dem Kirchenschatz

Stadtpfarrer Dr. Zapf war es aber nicht mehr vergönnt, den Neubau der Kirche einzuleiten. Er vermachte aber bei seinem Tod 1749 sein gesamtes Vermögen seiner Pfarrgemeinde als Grundstock für das neue Gotteshaus. Doch in den folgenden zwanzig Jahres geschah nichts. Sein Nachfolger Pfarrer Otto Friedrich Johannes (1749-1765), ein gebürtiger Stadtsteinacher, musste zweimal mit dem Kirchenschatz mit mittlerweile über 4000 Gulden fliehen, als Truppen unter Generalmajor von Gleist die Umgebung unsicher machten.

Zu jener Zeit lebte in Kronach ein Baumeister der Bamberger kirchlichen Behörden. Dieser wurde um Rat gefragt, ob es sich lohne, die alte Pfarrkirche zu restaurieren. Sein Ratschlag war eindeutig. Das alte Gotteshaus sollte eingerissen werden; ein neues, großes müsse an seiner Stelle erbaut werden. Nun begann ab Januar 1771 ein reger Schriftverkehr mit Anträgen, Ablehnungen, Berechnungen, Einwänden und vielem mehr. Die neue Kirche sollte Platz bieten für tausend Personen ohne Kinder.

In die Tat umgesetzt wurde der Neubau unter Pfarrer Johann Wagner (1769-1779). Die baufällige Kirche war im Kern spätgotisch, mit einem neuen Turm um 1560 versehen, um 1630 notdürftig repariert worden und innen im Laufe der Jahre stark mit barocken Überfluss ausgestattet. 1717 wurde eine neue Kanzel und ein Kirchenväteraltar durch den Bamberger Bildhauer Johann Georg Stör und die Stadtsteinacher Schreinermeister Mathias Müller, Andreas Waas und Johann Heinrich Thalwitz errichtet. Aber nun befürchtete man, das Kirchendach werde einstürzen.

Pfarrer Wagner stellte sich ein barockes Gotteshaus vor, so wie es im benachbarten Marienweiher stand.


Bamberg wollte billige Lösung

Bamberg aber wünschte keinen Neubau, sondern wollte eine billige Lösung mit Anbauten an den beiden Seiten des Gotteshauses. Es sollte eine Kreuzkirche entstehen. Doch die Stadtsteinacher standen mit hundert kostenlosen Gespannen bereit, auch Fachkräfte aus der Stadt standen zur Verfügung.

So bestellte man anfänglich 800 Sandsteine aus dem "Ausland" (aus dem protestantischen Gumpersdorf), doch man entschied sich wieder um und forderte die Steine aus dem fürstbischöflichen Gebiet in Losau. Diese Sandsteine waren so gut, dass sie auch heute noch in der Kirche eingebaut sind. Die Stadtsteinacher waren mutig und trugen schon die alte Kirche ab, bevor überhaupt die Genehmigung aus Bamberg eingetroffen war...


Stadtsteinach und die Pest

Gerade jetzt, 1771 bis 1772, wurde Stadtsteinach von der Pest heimgesucht. 84 Personen fielen der Katastrophe zum Opfer. Etwa 250 Bürger litten an dieser Geißel, die zuletzt 1634 in Stadtsteinach gewütet hatte. In Berichten aus dem benachbarten Wartenfels erfährt man, dass auch dort zur selben Zeit die Hungersnot viele Menschen dahinraffte. Trotzdem erfolgte die Baudurchführung relativ rasch. Bis auf den Chorraum, den Kirchturm und wohl auch die Grundmauern entstand eine völlig neue Kirche, die Pfarrer Johann Wagner im Jahre 1774 benedizierte, also weihte, um sie wieder in den Dienst zu stellen.

Bamberg gab nun endlich zum Bau sein Einverständnis zu den ursprünglichen Planungen, aber Geld bekam die Kirchengemeinde dafür nicht. Nur das Bauholz wurde aus den fürstbischöflichen Wäldern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die alte Orgel wurde nach Bamberg geschafft, die dort überholt werden sollte.

Der Plan für den Hochaltar stammte von dem zehnjährigen Sohn des Schreinermeisters Pankratz Fries aus Kronach. Die sechs lebensgroßen Figuren, die diesen Altar schmückten, gingen beim Brand 1903 verloren. Der Gips wurde aus Wartenfels kostenlos geliefert. Und im Jahr 1775 war die neue Kirche endgültig fertig, die Stadtsteinacher planten die anstehende Kirchweihfeier. Doch mussten sie zehn Jahre warten, bis Fürstbischof Erthal das Gotteshaus im Rahmen einer Visitation zu Ehren des heiligen Kirchenpatrons Michael einweihte.

Nun hatten sie endlich eine reine Barockkirche mit einer überschwänglichen Ausstattung, mit symbolischem Reichtum, mit teils übertriebenem ornamentalem Schmuck und mystifizierender Lichtführung.


Kunstwerk "verhunzt"

Ab 1866 wurde versucht, die Kirche durch verschiedene Restaurationen zu erneuern. Doch alle Reparaturen passten nicht mehr zum Stil der Kirche, sondern richteten sich nach den Vorstellungen der jeweiligen Handwerker. Bis 1882 befand sich in ihr eine handgeschnitzte Orgel mit einem Rokokogehäuse, welche man austauschte, um eine neue Orgel zu präsentieren, die leider so groß war, dass sie nicht mehr auf die Empore passte. Einige Jahre später wurden die Seitenaltäre mit brauner Farbe angestrichen. Der linke Marienaltar stammte aus dem Jahre 1711, doch das störte die Handwerker anscheinend nicht. Der Heimatforscher Simon Köstner (1865-1939) bedauerte in seiner Stadtchronik, dass das ehemalige Kunstwerk, unser Gotteshaus, "so verhunzt" worden war. Auch tauschte man 1896 die Kirchenstühle aus, um sie durch geradlinige gotische Betstühle zu ersetzen. Gleichzeitig wurde der Boden der Kirche durch eine Betonschicht um 40 Zentimeter angehoben.

Diese vormals reich ausgestattete, aber leider später planlos umgestaltete Kirche fiel im Jahre 1903 einer großen Katastrophe zum Opfer. Insgesamt 22 Wehren von Kronach bis Kulmbach waren an den Löscharbeiten beteiligt. Der größte Teil der Innenausstattung mit Altären, Kanzel, Orgel und zahlreichen Figuren fiel dem Feuer zum Opfer. Unter Lebensgefahr begab sich Kaplan Mayer in die lichterloh brennende Kirche und barg das Allerheiligste. Auch der Türmer, Michael Hohner, der ausgerechnet an diesem Tag nicht an seinem Platz im Kirchturm war, verlor seine gesamte Habe, darunter einige Musikinstrumente und Notenmaterial des Musikvereins "Liederkranz". "Die Kirchenglocken, welche um 11 Uhr noch das Feuer in der Kapellmühle angekündigt hatten, hielten sich merklich lange, bis ihr Stützpunkt nachließ. Sie sausten in die Tiefe, beim Fall noch einen dumpfen Ton von sich gebend," berichteten die Stadtsteinacher Nachrichten vom 28. Februar 1903. Die Kirchenuhr blieb um 12.45 Uhr stehen...